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Doping im Radsport

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Das Problem des Dopings, also die Nutzung unerlaubter Methoden und Substanzen zur Leistungssteigerung, ist in Ausdauersportarten wie dem Radsport seit Jahrzehnten evident. Aber erst durch die so genannte Festina-Affäre während der Tour de France 1998 rückte die Doping-Problematik im Profi-Radsport wirklich ins Zentrum des öffentlichen Interesses. Gleichzeitig wurde die Doping-Bekämpfung sowohl auf medizinischer als auch auf polizeilicher Ebene seit Ende der 1990er Jahre deutlich verstärkt.

Hinweistafel für Dopingkontrolle bei der Deutschland Tour 2005
Hinweistafel für Dopingkontrolle bei der Deutschland Tour 2005

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Begriffsbestimmung Doping

Alle Versuche, den Begriff des Dopings genau zu definieren, sind an Formulierungsschwierigkeiten gescheitert, da es nicht gelingt, die komplexen Inhalte der verbotenen Wirkstoffe und Methoden der unphysiologischen Leistungssteigerung zusammenzufassen. Doping wird auf Grund dieser Schwierigkeiten durch eine Dopingliste mit genau aufgezählten und beschriebenen Wirkstoffen und Vorgehensweisen definiert.

Diese Liste wurde von internationalen Sportverbänden aufgestellt und wird von allen nationalen Verbänden übernommen. Ebenso wurde festgelegt, dass ein Dopingverstoß dann vorliegt, wenn eine der in der Verbotsliste aufgezählten Substanzen im Körper des Athleten nachgewiesen wird oder er eine Dopingkontrolle verweigert. Jeder Sportler, der an offiziellen Wettkämpfen teilnimmt, verpflichtet sich durch seine Teilnahme gegenüber dem nationalen Verband, alle Dopingvorschriften einzuhalten.

[Bearbeiten] Wirkstoffe

Doping-Medikamente im Olympischen Museum in Lausanne
Doping-Medikamente im Olympischen Museum in Lausanne

Von den 30ern bis in die 70er Jahre wurden im Radsport vorrangig Amphetamine und andere Stimulanzien und Aufputschmittel (darunter auch Koffein) als Dopingmittel benutzt. Diese haben eine euphorisierende Wirkung, reduzieren die Müdigkeit der Sportlers und ermöglichen eine nahezu restlose Ausschöpfung der körperlichen Reserven. Da Stimulanzien kurz vor dem Wettkampf eingenommen werden müssen, um eine Wirkung zu erzielen, waren sie relativ schnell in Kontrollen nachweisbar. Trotzdem werden Amphetamine bis heute häufig bei Dopingtests festgestellt.

Die seit Mitte der 70er verbotenen anabolen Steroide (so genannte Anabolika) zum Muskelaufbau wurden zwar auch im Radsport eingesetzt, sind aber vorrangig in Schnellkraftsportarten wie dem Gewichtheben und Kurzstreckendisziplinen der Leichtathletik verbreitet. Dagegen gehörten Cortikoide bzw. Corticosteroide (z.B. Cortison) ab den 70er Jahren zu den am weitesten verbreiteten Dopingpräparaten im Radsport. 1980 von der UCI verboten, waren sie bis vor wenigen Jahren durch Urintests nicht nachzuweisen. Cortikoide verringern das gefühlte Belastungsempfinden und beschleunigen die Regeneration, eine Wirkungsverstärkung tritt in Verbindung mit Amphetaminen und Anabolika auf.

Seit Ende der 80er Jahre erreichten zahlreiche neue Dopingprodukte den Profi-Radsport, neben Wachstumshormonen vor allem Erythropoetin, welches unter dem Kürzel EPO inzwischen geradezu zum Synonym der Dopingpraxis im Radsport geworden ist. Das Präparat EPO ermöglicht eine erhöhte Sauerstoffkonzentration im Blut, wodurch sich die Ausdauer des Athleten direkt verbessert. EPO soll in den frühen 90er Jahren im Spitzenradsport nahezu flächendeckend benutzt worden sein. Lange Zeit konnten nur indirekt über die Messung des Hämatokritwerts Hinweise auf EPO-Doping gewonnen werden. Inzwischen ist es aber möglich, EPO durch einen Urintest nachzuweisen, obwohl derzeit noch Restzweifel an der Zuverlässigkeit der Messmethode bestehen. Ähnliche Effekte wie das EPO-Doping kann durch Blutdoping erreicht werden, also der Injektion eigenen oder fremden Blutes mit höherer Sauerstoffaufnahmekapazität kurz vor dem Wettkampf. Insbesondere Eigenblutdoping ist bisher kaum nachweisbar.

[Bearbeiten] Geschichte des Dopings im Radsport

[Bearbeiten] Frühzeit

Seit Beginn der ersten sportlichen Radrennen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wandten Radsportler auch leistungssteigernde Substanzen an. Inwieweit diese als Doping bezeichnet werden können, ist zweifelhaft, da der Begriff Doping ausdrücklich auf dem Verbot von Wirkstoffen und Methoden basiert. So lange kein eigener sportmedizinischer Katalog - also eine Dopingliste - geschaffen wurde, waren leistungssteigernde Substanzen zumindest sportjuristisch nicht illegal. Seit den 1920er Jahren begann eine Diskussion um die Notwendigkeit einer Definition von Doping, nicht zuletzt angesichts der deutlich gesundheitsgefährdenden Folgen der oft unkontrollierten Einnahme von Pharmaka.

Erst 1966 nahm der Radsportweltverband UCI verbindliche Anti-Doping-Bestimmungen in sein Reglement auf. Nachdem sich im gleichen Jahr die drei Erstplatzieren des Fleche Wallone (Michele Dancelli, Lucien Aimar und Rudi Altig) der Dopingkontrolle entzogen hatten, fand bei der Tour de France 1966 erstmals eine unangemeldete Dopingkontrolle statt. Gegen diese Maßnahmen streikten die Rennfahrer bei der nächsten Etappe. Durch einen Todesfall wurden die Gefahren der Dopingpraxis im Radsport später drastisch verdeutlicht: Bei der Tour 1967 starb Tom Simpson beim Anstieg zum Mont Ventoux unter Einfluss von Amphetaminen und Alkohol.

[Bearbeiten] 70er und 80er Jahre

Zahlreiche Aussagen sowohl von Radsportlern selbst, als auch von außenstehenden Medizinern und Journalisten belegen, dass Doping im Radsport auch nach der Einführung von Kontrollen ab Mitte der 1960er Jahre weiterhin äußerst weit verbreitet war. Dies hängt einerseits mit dem über lange Zeit unsystematischen und laxen Kontrollwesen, andererseits mit der zunehmenden kriminellen Energie von Sportlern und Betreuern zusammen. Diese fanden Mittel und Wege, die bekannten Dopingsubstanzen zu verschleiern bzw. wichen auf neue, nicht nachweisbare Produkte aus.

Trotz dieser strukturellen Schwäche in der Dopingbekämpfung wurden in den 60er bis 80er Jahren immer wieder Rennfahrer bei Dopingkontrollen positiv getestet, darunter die Tour-Sieger Eddy Merckx, Felice Gimondi, Lucien Aimar, Luis Ocaña, Bernard Thévenet, Joop Zoetemelk, Laurent Fignon, Pedro Delgado sowie die deutschen Fahrer Rudi Altig und Dietrich Thurau. Zahlreiche andere Spitzenfahrer legten während oder nach Beendigung ihrer Karriere Doping-Geständnisse ab, darunter Fausto Coppi, Jacques Anquetil, Rik van Steenbergen, Roger Pingeon, Freddy Maertens und Peter Winnen. Sowohl die juristischen als auch die öffentlichen Verurteilungen zum Thema Doping fielen in dieser Zeit eher milde aus: Positiv getestete Fahrer wurden meist nur vom aktuellen Rennen disqualifiziert. Die öffentliche Meinung nahm die Dopingproblematik als Nebenerscheinung hin. Insofern hatten die Radrennfahrer selbst bei aufgedeckten Dopingvergehen kaum Sanktionen zu erwarten, was das Unrechtsbewusstsein ebenso reduziert haben dürfte wie die Tatsache, dass "die anderen" ja ebenfalls dopten.

Eine grundsätzliche Änderung dieser Situation einer an der selbstverständlichen Dopingpraxis im Radsport weitgehend desinteressierten Öffentlichkeit ist seit Ende der 1980er Jahre zu beobachten. Bei der Tour de France 1988 wurde der Führende Pedro Delgado trotz positiver Dopingprobe zwar nicht disqualifiziert, da das ihm nachgewiesene Verschleierungsmittel zwar auf der Dopingliste des IOC, nicht aber der UCI stand. Im Gegensatz zu früheren Dopingfällen überschattete der Delgado-Skandal jedoch das gesamte Rennen.

[Bearbeiten] Seit den 90er Jahren

In den 90er Jahren wurden neue, enorm wirksame Dopingpräparate zur Steigerung der Ausdauer wie EPO im Profi-Radsport vermutlich fast flächendeckend genutzt, konnten aber zunächst nicht nachgewiesen werden. Erst der Festina-Skandal bei der Tour de France 1998 brachte das Thema "Doping im Radsport" erneut an die Öffentlichkeit. Die Ermittlungen ergaben, dass bei der Mannschaft Festina ein flächendeckendes Doping praktiziert worden war. Diese Entdeckung verdeutlichte die Unwirksamkeit der damaligen Dopingkontrollen: Keiner der Festina-Fahrer war positiv getestet worden. Als effektiv hatte sich statt dessen die Einschaltung der Staatsanwaltschaft erwiesen, die Razzien in dem Mannschaftshotels sowie mehrere Verhaftungen durchgeführt hatte.

In den folgenden Jahren wurden in Frankreich und Italien scharfe Anti-Doping-Gesetze geschaffen, die nicht nur den Handel mit Dopingpräparaten, sondern nunmehr auch dessen Einsatz zur Manipulation im Spitzensport unter Gefängnisstrafe stellten. Parallel zu dieser polizeilichen Dopingbekämpfung verabschiedete die UCI - nicht zuletzt unter dem Druck der neu gegründeten Antidopingagentur WADA - härtere sportrechtliche Sanktionen, die bei Dopingfällen nunmehr eine zweijährige Sperre (statt zuvor sechs Monaten) vorsieht. Schließlich wurden einige medizinische Erfolge - etwa der Nachweis von EPO über eine Urinprobe - erzielt.

Trotz dieser Erfolge in der Dopingbekämpfung stellt Doping auch weiter ein strukturelles Problem des Profi-Radsports dar. Indizien dafür sind neue prominente Dopingfälle, die nur die Spitze des Eisbergs zeigen: Olympiasieger Tyler Hamilton wurde 2004 wegen Blutdoping verurteilt, Vuelta-Gewinner Roberto Heras wurde 2005 positiv auf EPO getestet. Dazu gehört auch die undurchsichtige Affäre um den siebenfachen Tour-Sieger Lance Armstrong.

Im Mai 2006 wurde nach der Verhaftung von Manolo Saiz, dem sportlichen Leiter von Liberty Seguros, sowie des Arztes Eufemiano Fuentes, der bisher wohl größte Doping-Skandal im professionellen Radsport aufgedeckt. Im Mittelpunkt der Ermittlungen der sogenannten Operación Puerto steht Fuentes, in dessen Wohnung die Guardia Civil hunderte von Blutplasmakonserven sowie EPO, Wachstumshormone und Anabolika fand.[1] Der Ermittlungbericht der spanischen Behörden enthält eine Liste mit den Namen von 58 Radsportlern und 140 Sportlern anderer Disziplinen. In der Liste der bisher freigegebenen 38 Namen von Radsportlern finden sich zahlreiche bekannte Fahrer, unter ihnen Jan Ullrich, Ivan Basso, Roberto Heras, Tyler Hamilton und Joseba Beloki.[2] Weitere Indizien weisen auf die Verstrickung des sportlichen Leiters des Team T-Mobile Rudy Pevenage hin.[3] Jan Ullrich, Oscar Sevilla und Rudy Pevenage wurden nach Aufforderung der Teamleitung durch den Sponsor T-Mobile suspendiert, bzw. entlassen (Pevenage).[4] Am 27. Juli 2006 wurde bekannt, dass der Tour-Sieger der 2006-er Tour, Floyd Landis, während der 17. Etappe in der A-Probe einen um das Dreifache über dem Grenzwert liegenden Testosteron/Epitestosteron-Quotienten aufwies. Wann die Resultate der B-Probe vorliegen, auf deren Durchführung Landis bestand, ist noch ungewiss. Landis, ein früherer Helfer von Lance Armstrong, der nun als Kapitän des schweizerischen Phonak Cycling Team fuhr, behauptet, die Werte seien für ihn natürlich, da er ein Schilddrüsenpräperat erhalte und zu dem am Vorabend Bier und Whiskey getrunken habe.

[Bearbeiten] Verhalten der Sportler

Es ist festzustellen, dass überführte Dopingsünder keinesfalls zu ihrem Vergehen selbst Stellung beziehen, sondern mit immer neuen Erklärungsversuchen überraschen. So ist zu hinterfragen, ob ein durchzechter Vorabend die ideale Vorbereitung für einen Sieg einer schweren Bergetappe sein kann. Floyd Landis dürfte sicher sein, dass es hier Glaubwürdigkeitsprobleme geben könnte. Es wurden EPO-Kekse für die Großmutter in Kolumbien als Grund für das Mitführen von Dopingmedikamenten angegeben oder Verletzungen und Krankheiten angegeben, die die Einnahme diverser Mittel rechtfertigten. Generell sind Sportler anderer Disziplinen auch nicht einfallslos in ihren Verteidigungsstrategien. Auffällig ist jedoch die hohe Anzahl an Asthmatikern und chronisch Kranken unter den Radsportlern.

Mittelbar Betroffene eines Dopingfalls, also bspw. Mannschaftskameraden, verhalten sich grundsätzlich loyal zu ihren beschuldigten oder überführten Kollegen. So wird etwa ein Etappensieg dem Sünder gewidmet oder beteuert, dass man trotz der klaren Beweislage an seine Unschuld glaube. Selbst direkte Konkurrenten erklären offiziell, ihnen sei lieber, der Beschuldigte sei unschuldig. Bei der Tour 2006 erklärte der offiziell Zweitplatzierte Óscar Pereiro, ihm sei lieber, wenn sich die Affäre um Floyd Landis nicht ereignet hätte. Dabei wäre er nach Aberkennung des Titels für Landis selbst Sieger der Tour bzw. wäre es ohne den Zeitvorteil der entscheidenden Etappe ohnehin.

Fast kein Fahrer spricht dagegen von Betrug. Immerhin ist das der Fall, wenn ein Fahrer durch die Einnahme unerlaubter Mittel ein Rennen gewinnt und ein sauberer Athlet nicht. Es gibt zwei mögliche Gründe für solch ein Verhalten: Der Fahrer fürchtet Sanktionen durch andere Fahrer oder er ist selbst gedopt und nur nicht überführt worden. Ein vollkommen eindeutiges Bild hingegen ergeben die Aussagen ehemaliger Radsportler, die dieses Thema aufgreifen, z.B. weil sie selbst überführt wurden. Meistens sprechen sie von vollkommen flächendeckendem und systematischem Doping, entweder im eigenen Team oder gar im gesamten Fahrerfeld.

[Bearbeiten] Literatur

  • Willy Voet: Gedopt. Der Ex-Festina-Masseur packt aus. Oder: Wie die Tour auf Touren kommt, Sportverlag Berlin, 1999, ISBN 3-328-00858-6
  • Philippe Gaumont: Prisonnier du dopage. Verlag: Bernard Grasset, Paris, 2005, ISBN 2-246-68431-5
  • Meutgens et al.: Doping im Radsport. Delius-Klasing Verlag, Bielefeld 2007 (Lieferbar ab 20. April). ISBN 978-3-7688-5245-6

[Bearbeiten] Filme

Uli Fritz, Hagen Boßdorf: Die rollende Apotheke - Der Radsport und sein Dopingproblem ARD, 2006, Dokumentation

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Quellen

  1. Hedwig Kröner, Jeff Jones: 38 pages of circumstantial evidence www.cyclingnews.com, 2. Juli 2006, [3. Juli 2006]
  2. Liste der verdächtigen Profis laut der spanischen Nachrichtenagentur EFE. [3. Juli 2006]
  3. Pevenage-SMS erhärten Verdacht gegen Ullrich. Der Spiegel, 1. Juli 2006
  4. Ullrich, Sevilla und Pevenage suspendiert T-Mobile, Pressemitteilung, 30. Juni 2006
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