Europäischer Druckwasserreaktor
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der European Pressurized Water Reactor (EPR) ist ein neuer Kernreaktortyp basierend auf einem Druckwasserreaktor, der in der zweiten Hälfte der 90er Jahre von den Firmen Siemens (Deutschland) und Framatome (Frankreich) gemeinsam entwickelt wurde. Seit der Zusammenlegung der Nuklearaktivitäten beider Gesellschaften am 1. Januar 2001 werden die Arbeiten jetzt von Areva NP fortgeführt. Die Technologie basiert auf den Erfahrungen beim Bau und Betrieb der von den Muttergesellschaften entwickelten Druckwasserreaktoren vom Typ Konvoi (Siemens) und N4 (Framatome) und führt diese zusammen.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Sicherheitskonzept
Der EPR zeichnet sich gegenüber früheren Reaktortypen vor Allem durch ein verändertes Sicherheitskonzept aus. Nach Ansicht der Hersteller führt dieses Konzept zu einer etwa 100 Mal geringeren Eintrittswahrscheinlichkeit für Unfälle sowie einem besseren Störfallmanagement gegenüber heutigen Druckwasserreaktoren. Was den radioaktiven Abfall betrifft, gibt es keinen Unterschied zu den vorherigen Druckwasserreaktoren.
Das Sicherheitskonzept des EPR begründet sich im Wesentlichen auf folgende Elemente:
- Optimierte Betriebs- und Sicherheitssysteme: Ein keramisches Auffangbecken (als Core Catcher bezeichnet), für die Kernschmelze bei einem GAU. Der geschmolzene Kern rinnt über eine Rampe in ein Keramikbecken. Dort verteilt sich die Masse dünn und gleichmäßig, so dass sie leichter mit Wasser gekühlt werden kann. Damit es zu keiner Explosion durch schlagartig entstehenden Wasserdampf bzw. der Entwicklung von Wasserstoff und einer möglichst gleichmäßigen Schmelzeverteilung kommt, kann das Becken erst nach dem Ausbruch der Kernschmelze mit Wasser gekühlt werden.
- Diversitäre Ersatzfunktionen für Sicherheitssysteme: Durch verschiedene Sicherheitssysteme, die den selben Zweck erfüllen, aber eine unterschiedliche Arbeitsweise besitzen, können Konstruktionsmängel eines bestimmten Sicherheitssystems besser ausgeglichen werden.
- Verbessertes Gebäudekonzept zur räumlichen Trennung von Systemen: Die sicherheitsrelevanten Funktionen sind vierfach redundant in jeweils vier Gebäuden um das Reaktorgebäude angeordnet. Die Gebäude sind strikt voneinander getrennt. Außerdem sind zwei der vier Bauten gegen äußere Einflüsse wie beispielsweise Flugzeugabstürze besonders gesichert.
- Weiterentwicklung der Schnittstelle Mensch-Maschine durch neues Wartenkonzept: Neu ist hier vor allem die volldigitale Leit- und Regeltechnik, die auf den sich ergänzenden Systemen TELEPERM XS (AREVA NP) und TELEPERM XP (SIEMENS) aufbaut. Sie ersetzt die konventionelle, festverdrahtete Leittechnik. Wie ein Störfall im Kernkraftwerk Neckarwestheim zeigte, ist diese Technik jedoch nicht unproblematisch.
- Erhöhte thermische Trägheit und verlängerte Karenzzeit durch geringe Leistungsdichte und große Wasserinventare
- Doppelwandiges Containment aus Stahlbeton mit einer Gesamtdicke von 2,6 m
[Bearbeiten] Leistungsdaten
Die wichtigsten Merkmale des EPR sind:
- Thermische Leistung: 4.250/4.500 MW
- Elektrische Leistung: ca. 1.600 MW
- Wirkungsgrad: 36 %
- Zahl der Primärkühlkreisläufe: 4
- Zahl der Brennelemente im Kern: 241
- Abbrand: > 60 GWd/t („Giga Watt days“ pro Tonne Brennmaterial)
- Lebensdauer: 60 Jahre
- Investitionsausgaben: 3.838 Mio€ (inkl. Bauzinsen 318 Mio€ und Rücklagen für Stilllegung bei Inbetriebnahme 320 Mio€)
[Bearbeiten] Geplante Standorte
Der erste Auftrag zum Bau eines solchen Reaktortyps am Standort Olkiluoto wurde 2003 vom finnischen Stromkonzern TVO erteilt. Nach Verzögerungen soll der Reaktor nach Aussagen des errichtenden Unternehmens Areva-NP nicht vor dem Jahreswechsel 2010/2011 fertig sein. Die zweite Anlage soll im Kernkraftwerk Flamanville im Norden Frankreichs ab Ende 2007 gebaut werden. Weitere Auftragsverhandlungen wurden z. B. in China geführt, wo eine Zusage erteilt worden ist für zwei Reaktoren mit unbestimmtem Baubeginn.