Giovanni Pico della Mirandola
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Giovanni Pico (Conte) della Mirandola (* 24. Februar 1463 in Mirandola; † 17. November 1494 in Florenz) war ein italienischer Humanist und Philosoph der Renaissance.
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[Bearbeiten] Biographie
Pico della Mirandola entstammte dem fürstlichen Adel Norditaliens. Der Stammsitz der Familie war Mirandola in der Emilia Romagna. Mit ungewöhnlicher Lernfähigkeit begabt, begann Pico della Mirandola bereits im Alter von 14 Jahren mit dem Studium des kanonischen Rechtes in Bologna. Hiervon unbefriedigt, wandte er sich nach dem Tode der Mutter 1478, der ihn ökonomisch völlig unabhängig machte, der Philosophie zu, die er in ihrer aristotelisch-scholastischen Form in Ferrara und Padua studierte. Hier machte er sich ebenfalls mit jüdischer und arabischer Tradition vertraut, was durch die bereits damals bezeugte Gegenwart jüdischer Lehrer an den norditalienischen Universitäten erleichtert wurde.
1484 ging Pico della Mirandola nach Florenz, dem Zentrum des humanistischen Geisteslebens, wo unter Förderung der Medici-Familie Marsilio Ficino eine erneuerte »Platonische Akademie« leitete, deren Tätigkeit sich in Übersetzungen platonischer Dialoge und hermetischer Schriften der Spätantike, philosophischen Gesprächen und schließlich philosophisch-theologischen Werken manifestierte, in denen die tiefe Einheit christlicher und platonischer Lehre vertreten wurde (Marsilio Ficino, Theologia Platonica). Pico, der über das Lateinische und Griechische hinaus noch Hebräisch, Aramäisch und Arabisch beherrschte, wurde zu einem der führenden Teilnehmer der philosophischen Gespräche der »platonischen Akademie«. Er suchte nicht nur Plato und das Christentum, sondern darüber hinaus Plato und Aristoteles (das frühe 15. Jahrhundert kannte bittere Polemiken zwischen Platonikern und Aristotelikern) sowie die christliche, die altorientalische, die jüdische und die islamische Tradition zu harmonisieren. Pico della Mirandola war in besonderer Weise davon überzeugt, dass die innersten Geheimnisse der jüdischen esoterischen Lehre der Kabbala auf das Christentum hinwiesen, allerdings auf ein geläutertes, vertieftes und erweitertes Christentum, zu dessen Vorkämpfer er sich machen wollte. 1486 veröffentlichte er 900 Thesen zu theologischen und philosophischen Fragen, zu deren Diskussion er alle Gelehrten Europas nach Rom zusammenrufen wollte. Die Einleitung zu diesem gewaltigen Thesenkatalog, die Oratio, die posthum unter dem Titel De dignitate hominis (Über die Würde des Menschen) veröffentlicht wurde, wurde zu einem der besonders in späterer Zeit berühmtesten Texte der philosophischen Kultur des italienischen Humanismus; in ihr betonte Pico della Mirandola die Freiheit des Menschen und seine von Gott verliehene Fähigkeit, zur Schau der tiefsten Geheimnisse des Universums aufzusteigen. - Papst Innozenz VIII. ließ jedoch 13 (von 900!) der Thesen Picos als häretisch erklären, worauf Pico nach Frankreich fliehen musste, dort aber auf Betreiben päpstlicher Agenten verhaftet wurde. Durch die Fürsprache Lorenzo de Medicis freigelassen, kehrte er nach Florenz zurück; 1493 sprach ein neuer Papst (Alexander VI.) Pico frei. Pico verfasste in Florenz eine Apologia und eine Neudeutung der biblischen Schöpfungsberichte (Heptaplus), lebte aber sehr zurückgezogen und resignierte teilweise hinsichtlich früherer Bestrebungen, das Christentum für andere Religionen und Philosophien zu öffnen, da er den großen Einfluss dogmatischer Kräfte innerhalb der Kirche erkannte. Eine Biographie Picos, die von seinem Neffen Gian Francesco stammt, stellt Pico in seinen späten Jahren als Parteigänger des Predigers Savonarola dar, der in Florenz das Volk gegen die milde, aber weltlich orientierte und prachtliebende Herrschaft der Medici aufwiegelte und einen fundamentalistischen Gottesstaat errichten wollte, was ihm zeitweilig dann auch gelang. Der Neffe selbst war ein fanatischer Anhänger Savonarolas, und seine Darstellung Picos ist offenbar tendenziös. Tatsächlich widersprachen Savonarolas Ansichten über das Christentum und dessen Verhältnis zur Philosophie fundamental den Positionen Picos, der nie auch nur ein Wort seiner früheren Werke zurücknahm. 1494 starb Pico della Mirandola im Alter von 31 Jahren in Florenz, sein Grab befindet sich in der dortigen Kirche S. Marco.
[Bearbeiten] Philosophie
Pico della Mirandolas philosophisch-theologisches Werk stellt eine einzigartige Synthese traditioneller scholastik-aristotelischer Tradition mit zentralen Anliegen des Humanismus dar. Es übernimmt aus ersterem die hierarchische, geordnete Sicht allen Daseins, das Pico aber zentral um den Menschen, gerade wegen seiner Freiheit und unendlichen Entfaltungsmöglichkeit im Guten wie im Bösen Kern- und Angelpunkt des Universums und Spiegelbild Gottes, anordnet. Aus dieser Sicht heraus bekämpfte Pico in einer für seine Zeit ungewöhnlichen Schärfe die Astrologie, da er die Determiniertheit des Menschen durch die Gestirne ablehnte. Vom Humanismus übernimmt Pico besonders die Aufwertung sprachlicher und literarischer Quellenstudien, die ihn zur Rezeption einer bislang kaum je gesehenen Breite an Kulturen führte. Er glaubte an die tiefe Einheit aller Offenbarungen, an eine überzeitliche, den Weisen aller Zeiten und Kulturkreisen zugängliche philosophia perennis, und an ihr baldiges Manifestwerden, das zu einem großen Umbruch der religiösen Landschaft nicht nur Europas, sondern der ganzen Welt führen würde. Er gehört damit, auch in seinem späteren Schwanken zwischen philosophischer Neugierde, inbrünstiger religiöser Mystik und gelegentlichem Fanatismus zu den Zeugen der tiefen geistigen Unruhe seiner Zeit, der er Antworten entgegensetzte, die zum Teil die Verständnismöglichkeiten seiner Zeitgenossen übertrafen.
[Bearbeiten] Literatur
- Über die Würde des Menschen. Lat.-dt., übers. v. Norbert Baumgarten, hrsg. v. August Buck. Meiner, Hamburg 1990. ISBN 978-3-7873-0959-7
- Giovanni Pico della Mirandola: Über die Würde des Menschen. 4. Aufl. Zürich 1996 ISBN 3-717-58124-4
- G. Busi, S. M. Bondoni und S. Campanini (Hsg.), The Great Parchment: Flavius Mithridates’ Latin Translation, the Hebrew Text, and an English Version, Biblioteca cabbalistica di G. P. della Mirandola - 1, Nino Aragno Editore, Torino 2004.
- S. Campanini (Hsg.), The Book of Bahir. Flavius Mithridates' Latin Translation, the Hebrew Text, and an English Version, with a Foreword by G. Busi, Biblioteca cabbalistica di G. P. della Mirandola - 2, Nino Aragno Editore, Torino 2005.
- R. Achenbach; H. Kriege, Von Savonarola bis Robespierre' Patmos Verlag/Artemis&Winkler Verlag Düsseldorf 2006.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Giovanni Pico della Mirandola im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- "The Latin Library" - Picos Werke
- http://www.mithridates.org
- Eintrag (mit Literaturangaben) im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon (BBKL)
Personendaten | |
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NAME | Pico della Mirandola, Giovanni |
ALTERNATIVNAMEN | Picus; Picus Mirandolensis, Iohannes |
KURZBESCHREIBUNG | Italienischer Humanist |
GEBURTSDATUM | 24. Februar 1463 |
GEBURTSORT | Mirandola |
STERBEDATUM | 7. Januar 1494 |
STERBEORT | Florenz |