Aristoteles
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Aristoteles (griechisch Ἀριστoτέλης, * 384 v. Chr. in Stageira/Makedonien; † 322 v. Chr. in Chalkis/Euböa) gilt neben Sokrates und seinem Lehrer Platon als der bedeutendste griechische Philosoph. Er war außerdem ein wichtiger Naturforscher und einer der einflussreichsten Denker der abendländischen Geistesgeschichte, der zahlreiche Disziplinen entweder selbst begründete oder entscheidend beeinflusste. Nach seiner Herkunft wurde Aristoteles auch Der Stagirit genannt.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Leben
384 v. Chr. wurde Aristoteles in Stageira als Sohn des Nikomachos geboren. Sein Vater war Leibarzt am Hof des Königs Amyntas II. von Makedonien. Im Jahr 367 v. Chr., mit 17 Jahren, trat Aristoteles in Platons Akademie in Athen ein, wo er zunächst studierte, später auch lehrte. Insgesamt verbrachte er 20 Jahre dort.
347 v. Chr. starb Platon. Die Leitung der Akademie übernahm Speusippos, ein Neffe Platons, und nicht der offenbar begabtere Aristoteles. Aristoteles ging nach Assos, einer Stadt in Kleinasien. Er folgte somit dem Ruf des Tyrannen Hermias von Atarneus, dieser war ebenfalls Platonschüler und zugleich ein Vasall des Perserkönigs. Auf Rat des Hermias heiratete Aristoteles die Nichte und Adoptivtochter Pytias und gründete in Atarneus eine Schule (Diogenes Laertios, 5,3 f.). Von 342 v. Chr. bis 336 v. Chr. unterrichtete Aristoteles im Auftrag des makedonischen Königs Philipp II. dessen Sohn Alexander den Großen.
335 v. Chr. kehrte Aristoteles nach Athen zurück und gründete dort seine eigene Schule, das Lykeion. Die Gespräche zwischen Schülern und Lehrern fanden häufig bei Spaziergängen auf dem Schulgelände des Lykeion statt, deshalb wurde sie später auch Perípatos (Wandelschule) genannt. Diese bestand bis etwa 40 v. Chr. und aus ihr ging die philosophische Richtung der Peripatetiker hervor. 323 v. Chr. verließ Aristoteles Athen, da nach Alexanders Tod die antimakedonische Partei die Oberhand gewann und Aristoteles der Gottlosigkeit angeklagt wurde. Er floh auf sein Landgut nach Chalkis, dem Geburtsort seiner Mutter, wo er im folgenden Jahr starb (Diog. Laert. 5,6 ff.).
[Bearbeiten] Lehre und Schriften
[Bearbeiten] Art der Schriften
Bei den überlieferten Schriften des Aristoteles - dem Corpus Aristotelicum - handelt es sich nicht um die von ihm selbst veröffentlichten exoterischen Schriften. Diese sind bis auf (z. T. umfangreiche) Zitate bei späteren Schriftstellern verloren. Vollständig erhalten sind hingegen die seit dem 19. Jh. so genannten esoterischen Schriften oder Pragmatien. Dabei handelt es sich um Notizen, Vorlesungsskripte oder Materialsammlungen, die zunächst nur zum internen Gebrauch bestimmt waren und erst im ersten Jahrhundert v. Chr. durch die Ausgabe des Andronikos von Rhodos (s. u.) einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wurden. Diese Schriften sind daher in Stil und Aufbau oft schwer zugänglich. Von den zu Aristoteles' Lebzeiten veröffentlichten exoterischen Schriften, die z. T. als Dialoge im Stil Platons verfasst waren, ist sehr wenig überliefert. Ein Bild dieser Schriften liefert am ehesten noch der Protreptikos, eine auf Öffentlichkeitswirkung angelegte Werbeschrift für die Philosophie.
[Bearbeiten] Aristoteles' Einteilung von Wissensgebieten
Aristoteles befasste sich mit zahlreichen Wissensgebieten, die allerdings in den meisten Fällen nicht deckungsgleich mit den heutigen Gebieten gleichen Namens sind. Beispielsweise ist Ethik für Aristoteles nicht in erster Linie eine Theorie der Moral und in vielen Punkten auch nicht getrennt von der Politik, die er beide auch unter dem Begriff der politischen Wissenschaften häufig gemeinsam nennt. Am wichtigsten ist die Unterscheidung in drei große Arten von Bereichen des Wissen: den theoretischen, praktischen und poietischen (hervorbringenden).
- (1) Die theoretische Wissenschaft betrachtet das, was unabhängig vom Menschen ist und keinen äußeren Zweck außer der Erkenntnis selbst besitzt. In sie fällt vor allem die Physik und die Metaphysik.
- (2) Die praktische Wissenschaft thematisiert das, was im Bereich der menschlichen Handlungen liegt, was aber nichts außer der Handlung selbst hervorbringt. Hierein fällt vor allem Aristoteles' Ethik und die Politik.
- (3) Die poietische Wissenschaft untersucht das, was im Bereich der menschlichen Tätigkeiten liegt und hierbei ein Objekt hervorbringt. Die Schrift Poetik des Corpus Aristotelicum thematisiert dabei (fast) ausschließlich die Dichtung.
- Ein weiterer wichtiger Teil der überlieferten aristotelischen Schriften sind gewissermaßen Metawissenschaften, die neben dieser Dreiereinteilung der Wissenschaften liegen und vor allem die Logik betreffen.
[Bearbeiten] Zentrale methodologische Elemente der Philosophie Aristoteles'
Im Gegensatz zu Platon, der Philosophie als eine alle Bereiche menschlichen Wissens umfassende Einheitswissenschaft auffasst, geht Aristoteles von einem Konzept von Einzelwissenschaften als eigenständigen Disziplinen aus. Hierbei stützt er sich auch auf empirische (erfahrungsbestimmte) Forschung und setzt sich in der Ausarbeitung seiner Theorien mit dem gesunden Menschenverstand (Rationalismus) sowie mit den Lehren seiner Vorgänger und der Meinung der Allgemeinheit (Doxographie) auseinander. Die "Erste Philosophie", das heißt die Metaphysik, als Grundlagenwissenschaft vom Seienden, sieht er aber den anderen Wissenschaften vorgeordnet.
[Bearbeiten] Die Substanzlehre als zentrales Element der Philosophie Aristoteles'
Grundlegend für Aristoteles' Philosophie insgesamt ist die Frage: Worin besteht die Grundlage allen Seins? Hierbei ist der Begriff der ousía (οὐσία) zentral, der in der späteren Tradition mit Substanz übersetzt wurde. Ousia bedeutet, was diese Sache ihrem Sein nach ist, unabhängig von kurzfristig zukommenden und zufälligen Eigenschaften. Die ousía ist dabei dasjenige, was selbst unabhängig von diesen Eigenschaften ist und wovon diese abhängig sind. Grammatisch oder kategorial ausgedrückt heißt dies, dass die Substanz dasjenige ist, dem die Eigenschaften zugeschrieben werden oder wovon überhaupt etwas ausgesagt wird; das, was von den Substanzen ausgesagt wird, sind deren Prädikate. Aristoteles' Antwort auf die Frage, was denn nun das bleibende Wesentliche sei, ist schließlich, dass die ousía eine bestimmende Form - das eidos εἶδος - ist, die Ursache allen Seins. So ist etwa das eidos von Sokrates das, was seine Menschengestalt, sein Menschsein bestimmt. Der Grundidee nach kann dieser Hylemorphismus - die Lehre, dass ein Gegenstand aus zu bestimmender Materie (hylē, ὕλη) und bestimmender Form (morphē, μορφή ist ein anderer Ausdruck für eidos) besteht und die Form das organisierende Prinzip der Materie ist - in gewissem Sinn als allgemeiner Vorläufer der Theorie des genetischen Codes verstanden werden.
Die Theorie der ousía arbeitet Aristoteles in der sog. ersten Philosophie aus, in einigen unter dem Titel Metaphysik überlieferten Abhandlungen. Sie spielt allerdings auch in vielen anderen Bereichen seines Denkens eine ausgezeichnete Rolle, unter anderem in De Anima, der Untersuchung dessen, was spezifisch und determinierend für alles Lebendige ist.
[Bearbeiten] Nachwirkung der Philosophie des Aristoteles
[Bearbeiten] Rezeption in der Antike
Die Lehre des Aristoteles hat auf seine Schule, den Peripatos, nach seinem Tode weit weniger Einfluss ausgeübt als Platons Lehre auf dessen Akademie. Aristoteles wurde keine Verehrung zuteil, die mit derjenigen Platons bei den Platonikern vergleichbar wäre. Dies bedeutete einerseits Offenheit und Flexibilität, andererseits Mangel an inhaltlich begründetem Zusammenhalt. Die Peripatetiker widmeten sich vor allem empirischer Naturforschung und befassten sich u.a. auch mit Ethik, Seelenlehre und Staatstheorie. Dabei kamen Aristoteles’ Schüler Theophrastos, sein Nachfolger als Leiter der Schule, und dessen Nachfolger Straton zu teilweise anderen Ergebnissen als der Schulgründer. Nach Stratons Tod (270/268 v. Chr.) begann eine Periode des Niedergangs.
Das Studium und die Kommentierung der Schriften des Aristoteles wurde im Peripatos anscheinend vernachlässigt, jedenfalls weit weniger eifrig betrieben als das Platonstudium in der konkurrierenden Akademie. Erst im ersten Jahrhundert v. Chr. sorgte Andronikos von Rhodos für eine Zusammenstellung der Lehrschriften (Vorlesungen) des Aristoteles. Die für die Öffentlichkeit bestimmten "exoterischen" Schriften, insbesondere die Dialoge, waren lange populär, gingen aber in der römischen Kaiserzeit verloren. Cicero hat sie noch gekannt. Die Peripatetiker betrachteten die Lehrschriften als speziell für ihren internen Unterrichtsgebrauch bestimmt. In der römischen Kaiserzeit war der einflussreichste Repräsentant des Aristotelismus Alexander von Aphrodisias, der gegen die Platoniker die Sterblichkeit der Seele vertrat.
Obwohl Aristoteles großen Wert auf die Widerlegung von Kernbestandteilen des Platonismus gelegt hatte, waren es gerade die Neuplatoniker, die in der Spätantike einen maßgeblichen Beitrag zur Erhaltung und Verbreitung seiner Hinterlassenschaft leisteten, indem sie seine Logik übernahmen, kommentierten und in ihr System integrierten. Eine besonders wichtige Rolle spielten dabei im 3. Jahrhundert n. Chr. Porphyrios, im 5. Jahrhundert Proklos und schließlich als letzter im 6. Jahrhundert Simplikios, der bedeutende Aristoteleskommentare verfasste. Im 4. Jahrhundert schrieb Themistios Paraphrasen zu Werken des Aristoteles, die eine starke Nachwirkung erzielten. Er war unter den spätantiken Kommentatoren der einzige Aristoteliker; die anderen strebten eine Synthese platonischer und aristotelischer Auffassungen an, wobei den platonischen das Übergewicht zukam.
Bei den prominenten antiken Kirchenvätern war Aristoteles wenig bekannt und unbeliebt, manche verachteten und verspotteten seine Dialektik. Sie verübelten ihm, dass er das Weltall für ungeschaffen und unvergänglich hielt und die Unsterblichkeit der Seele bezweifelte (bzw. nach ihrem Verständnis bestritt). Ein positiveres Verhältnis zu Aristoteles hatten hingegen manche christliche Gnostiker und andere häretische Christen: Arianer (Aetios, Eunomius), Monophysiten, Pelagianer und Nestorianer – ein Umstand, der den Philosophen für die kirchlichen Autoren erst recht suspekt machte. Syrer – monophysitische wie nestorianische – übersetzten das Organon in ihre Sprache und setzten sich intensiv damit auseinander. Im 6. Jahrhundert schrieb Johannes Philoponos Aristoteles-Kommentare, übte aber auch scharfe Kritik an der aristotelischen Kosmologie und Physik. Er war mit seiner Impetustheorie ein Vorläufer spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Kritik an der aristotelischen Bewegungslehre.
[Bearbeiten] Rezeption im Mittelalter
Im Byzantinischen Reich des Frühmittelalters wurde Aristoteles wenig beachtet. Sein Einfluss machte sich vorwiegend indirekt geltend, nämlich über die meist neuplatonisch gesinnten spätantiken Autoren, die Teile seiner Lehre übernommen hatten. Daher war Vermischung mit neuplatonischem Gedankengut von vornherein gegeben. Bei Johannes von Damaskus tritt die aristotelische Komponente deutlich hervor. Im 11. und 12. Jahrhundert kam es zu einer Wiederbelebung des Interesses an aristotelischer Philosophie: Michael Psellos, Johannes Italos und dessen Schüler Eustratios von Nikaia (beide wegen Häresie verurteilt) sowie der primär philologisch orientierte Michael von Ephesos schrieben Kommentare. Die Kaisertochter Anna Komnena förderte diese Bestrebungen.
Im islamischen Raum setzte die Wirkung der Werke des Aristoteles früh ein und war breiter und tiefer als in der Spätantike und im europäischen Früh- und Hochmittelalter. Der Aristotelismus dominierte qualitativ und quantitativ gegenüber der übrigen antiken Tradition. Schon im 9. Jahrhundert waren die meisten Werke des Aristoteles in arabischer Sprache verfügbar, ebenso antike Kommentare. Hinzu kam ein reichhaltiges unechtes (pseudo-aristotelisches) Schrifttum teilweise neuplatonischen Inhalts. Zu letzterem zählten Schriften wie die Theologie des Aristoteles und der Kalam fi mahd al-khair (Liber de causis). Die aristotelischen Ideen waren von Anfang an mit neuplatonischen vermischt, und man glaubte an eine Übereinstimmung der Lehren Platons und des Aristoteles. In diesem Sinne deuteten al-Kindi (9. Jahrhundert) und al-Farabi (10. Jahrhundert) und die ihnen folgende spätere Tradition den Aristotelismus; bei ibn Sina (Avicenna) trat das neuplatonische Element stärker in den Vordergrund. Einen relativ reinen Aristotelismus vertrat hingegen im 12. Jahrhundert ibn Rušd (Averroes), der zahlreiche Kommentare schrieb und die aristotelische Philosophie gegen al-Ghazali verteidigte.
Im lateinischen Mittelalter war zunächst bis ins 12. Jahrhundert nur ein kleiner Teil des Gesamtwerks des Aristoteles verbreitet, nämlich zwei der logischen Schriften (Kategorien und De interpretatione), die Boethius im frühen 6. Jahrhundert übersetzt und kommentiert hatte, zusammen mit der Einleitung des Porphyrios zur Kategorienlehre. Dieses Schrifttum, später als Logica vetus bezeichnet, bildete die Grundlage des Logikunterrichts. Diese enge Begrenzung änderte sich mit der großen Übersetzungsbewegung des 12. und 13. Jahrhunderts. Im 12. Jahrhundert wurden die bisher fehlenden logischen Schriften (Analytiken, Topik, Sophistici elenchi) in lateinischer Sprache verfügbar; sie machten die Logica nova aus. Dann kamen eines nach dem anderen fast alle restlichen Werke hinzu (teils erst im 13. Jahrhundert). Die meisten Schriften wurden mehrmals ins Lateinische übertragen (entweder aus dem Arabischen oder aus dem Griechischen). Michael Scotus übersetzte Aristoteleskommentare des Averroes aus dem Arabischen. Sie wurden eifrig benutzt, was in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zur Entstehung des lateinischen Averroismus führte, der ein für damalige Verhältnisse relativ konsequenter Aristotelismus war.
Im Lauf des 13. Jahrhunderts wurden die Schriften des Aristoteles als Standardlehrbücher zur Grundlage der an den Universitäten (in der Fakultät der Freien Künste) betriebenen scholastischen Wissenschaft; 1255 wurden seine Logik, Naturphilosophie und Ethik an dieser Fakultät der Pariser Universität als Lehrstoff vorgeschrieben. Die Führungsrolle kam der Pariser und der Oxforder Universität zu. Wegweisend waren die Aristoteleskommentare des Albertus Magnus. Das Verfassen von Aristoteleskommentaren wurde eine Hauptbeschäftigung der Magister, und viele von ihnen hielten die kommentierten Lehrbücher für praktisch irrtumsfrei. Besonders intensiv studierte man neben der aristotelischen Methodik die Wissenschaftstheorie, um sie als Basis für ein hierarchisch geordnetes System der Wissenschaften zu verwenden. Widerstand erhob sich allerdings von theologischer Seite gegen einzelne Lehren, vor allem gegen die Thesen von der Ewigkeit der Welt und der absoluten Gültigkeit der Naturgesetze (Ausschluss von Wundern), sowie gegen den Averroismus. Daher kam es 1210, 1215, 1231, 1245, 1270 und 1277 zu kirchlichen Aristotelesverboten. Sie richteten sich aber nur gegen die naturphilosophischen Schriften bzw. gegen einzelne Thesen und konnten den Siegeszug des Aristotelismus nur vorübergehend hemmen. Diese Verbote betrafen nur Frankreich (vor allem Paris), in Oxford galten sie nicht. Aristoteles wurde „der Philosoph“ schlechthin: mit Philosophus (ohne Zusatz) war immer nur er gemeint, mit Commentator Averroes. Gegenpositionen (vor allem in der Erkenntnistheorie und Anthropologie) vertraten Anhänger der platonisch beeinflussten Lehren des Augustinus, besonders Franziskaner ("Franziskanerschule"). Schließlich setzte sich das von dem Dominikaner Thomas von Aquin abgewandelte und weiterentwickelte aristotelische Lehrsystem (Thomismus) durch, zunächst in seinem Orden und später in der gesamten Kirche. Allerdings schrieb man weiterhin neuplatonische Schriften zu Unrecht dem Aristoteles zu, wodurch das Gesamtbild seiner Philosophie verfälscht wurde.
[Bearbeiten] Rezeption in der Neuzeit
In der Renaissance fertigten Humanisten neue, viel leichter lesbare Aristotelesübersetzungen ins Lateinische an, und man begann auch die griechischen Originaltexte zu lesen. Es kam zu heftigem Streit zwischen Platonikern und Aristotelikern, wobei die beteiligten Humanisten mehrheitlich zu Platon neigten. Es gab in der Renaissance aber auch bedeutende Aristoteliker wie Pietro Pomponazzi (1462–1525) und Jacopo Zabarella (1533–1589), und es entstanden damals im Abendland mehr Aristoteleskommentare als während des gesamten Mittelalters. Wie im Mittelalter herrschte auch noch bei vielen Renaissance-Gelehrten das Bestreben vor, platonische und aristotelische Standpunkte untereinander und mit der katholischen Theologie und Anthropologie zu versöhnen. Seit dem 15. Jahrhundert war es aber möglich, dank des besseren Zugangs zu den Quellen das Ausmaß der fundamentalen Gegensätze zwischen Platonismus, Aristotelismus und Katholizismus besser zu verstehen. Bei der Vermittlung dieser Erkenntnisse spielte der byzantinische Philosoph Georgios Gemistos Plethon eine wichtige Rolle. Unabhängig davon herrschte der (neu)scholastische Aristotelismus, der die mittelalterliche Tradition fortsetzte, mit seiner Methode und Terminologie an Schulen und Universitäten noch bis tief in die Neuzeit, auch in den lutherischen Gebieten, obwohl Luther den Aristotelismus ablehnte.
Im sechzehnten Jahrhundert unternahmen Bernardino Telesio und Giordano Bruno Frontalangriffe auf den Aristotelismus, und Petrus Ramus trat für eine nichtaristotelische Logik ein (Ramismus). Bereits Giovanni Battista Benedetti (1530-1590) widerlegte 1554 in seinem Werk Demonstratio proportionum motuum localium contra Aristotilem et omnes philosophos in einem simplen Gedankenexperiment die aristotelische Annahme, dass Körper im freien Fall umso schneller fallen, je schwerer sie sind: Zwei gleiche Kugeln die durch eine (masselose) Stange fest verbunden werden, fallen mit derselben Geschwindigkeit wie jede der beiden Kugeln allein.
Aber erst seit dem 17. Jahrhundert verdrängte ein neues Wissenschaftsverständnis die aristotelisch-scholastische Tradition. Den Umschwung in der Physik leitete Galileo Galilei ein. 1647 konnte die von Aristoteles aufgestellte Hypothese des Horror vacui von Blaise Pascal widerlegt werden. Erst in der 1687 veröffentlichten Schrift Philosophiae Naturalis Principia Mathematica von Isaac Newton wurde mit dem Trägheitsprinzip ein neues Fundament der klassischen Mechanik errichtet, das die aristotelischen Annahmen ad absurdum führte. In der Biologie konnten sich aristotelische Auffassungen bis ins 18. Jahrhundert halten.
Sehr stark und anhaltend war die Nachwirkung der Poetik des Aristoteles, insbesondere seiner Tragödientheorie. Sie prägte Theorie und Praxis des Theaters während der gesamten Frühen Neuzeit, abgesehen von manchen gewichtigen Ausnahmen besonders in Spanien und England (Shakespeare). Die Poetik lag seit 1278 in lateinischer Übersetzung vor, 1498 und 1536 erschienen humanistische Übersetzungen. Auf ihr fußte die Poetik des Julius Caesar Scaliger (1561), die Dichtungslehre von Martin Opitz (1624), die französische Theaterlehre des 17. Jahrhunderts (doctrine classique) und schließlich die von Johann Christoph Gottsched geforderte Regelkunst (Critische Dichtkunst, 1730).
Im 19. Jahrhundert begann die moderne Aristotelesforschung mit der Aristoteles-Gesamtausgabe der Berliner Akademie, die Immanuel Bekker ab 1831 besorgte. Nach ihren Seiten- und Zeilenzahlen wird Aristoteles noch heute zitiert.
Auf die Philosophie des 20. Jahrhunderts hat Aristoteles nicht mit seinem Wissenschaftssystem eingewirkt, sondern sie hat seinem Werk nur einzelne Anregungen entnommen, besonders auf ontologischem Gebiet und hinsichtlich der Unterscheidung von praktischer und theoretischer Vernunft und Wissenschaft.
[Bearbeiten] Werke (Auswahl)
Überblick, siehe auch Corpus Aristotelicum
- Organon (nacharistotelische Zusammenstellung), bestehend aus:
- Physik
- De Caelo
- De Anima
- Metaphysik
- Nikomachische Ethik
- Eudemische Ethik
- Politik
- Der Staat der Athener
- Rhetorik
- Poetik – Als Webausgabe frei zugänglich bei DigBib.Org
- Protreptikos
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Primärtexte
- Übersetzungen:
- Philosophische Schriften. Übers. von Hermann Bonitz, Eugen Rolfes, Horst Seidl und Hans Günther Zekl. 6 Bde. Meiner, Hamburg 1995, ISBN 978-3-7873-1243-6
- Nikomachische Ethik. Hrsg. von Günther Bien. 4., durchgesehene Aufl. Philosophische Bibliothek, Band 5. Meiner, Hamburg 1985, ISBN 978-3-7873-0655-8
- Politik. Übersetzung und Anmerkung von Eugen Rolfes., 3. Aufl. Philosophische Bibliothek, Band 7. Meiner, Hamburg 1990, ISBN 978-3-7873-0514-8
- Metaphysik. Griechisch-deutsch. Hrsg. von Horst Seidl. 3., verbesserte Aufl. 2 Bde. Meiner, Hamburg 1989 und 1991, ISBN 978-3-7873-0932-0 und 978-3-7873-1021-0
- Physik. Vorlesung über Natur. Griechisch-deutsch. Übers. und hrsg. von Hans Günther Zekl. 2 Bde. Meiner, Hamburg 1987 und 1988, ISBN 978-3-7873-0649-7 und ISBN 978-3-7873-0712-8
- Über die Seele. De anima. Griechisch-deutsch. Hrsg. von Horst Seidl. Philosophische Bibliothek, Band 476. Meiner, Hamburg 1998, ISBN 978-3-7873-1381-5
- Organon. Griechisch-deutsch. Hrsg. von Hans Günther Zekl. 3 Bde. Philosophische Bibliothek 492–495. Meiner, Hamburg 1998 und 2001, ISBN 978-3-7873-1593-2
- Grumach, Ernst (Begr.), Flashar, Hellmut (Hrsg.): Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung. 19 Bde., Akademie Verlag, Berlin 1965 ff. (mit in der Regel sehr guten Kommentarteilen)
- Jonathan Barnes (Hrsg.): The Complete Works of Aristotle, 2 Bde., Princeton 1995 (Sammlung der maßgeblichen englischen Übersetzungen)
- Christof Rapp, Tim Wagner: Aristoteles, Topik. Übersetzung, Einleitung und Kommentar. Reclam, Stuttgart 2004
- Griechische Textausgaben:
- Diverse Hrsg. in der Reihe: Oxford Classical Texts (OCT) bei Oxford University Press ediert.
- Diverse Hrsg. und Übersetzer in der Reihe: Loeb Classical Texts (LCT) bei Harvard University Press ediert (Griechischer Text mit englischer Übersetzung)
[Bearbeiten] Sekundärliteratur
- Einführungen:
- Thomas Buchheim: Aristoteles. Freiburg i. Br. 1996
- Thomas Buchheim Hellmut Flashar Richard A. H. King (HG.): Kann man heute noch etwas anfangen mit Aristoteles?, Felix Meiner Verlag Hamburg 2003
- Alan D. Code: Aristotle. OUP 2005 (Einführung des vermutlich besten Kenners der aristotelischen Metaphysik)
- Wolfgang Detel: Aristoteles. Leipzig 2005 (Problemorientierte Einführung)
- Otfried Höffe: Aristoteles. Beck'sche Reihe Denker, 2. überarbeitete Aufl., München 1999. (Hervorragende Einführung, welche die praktische Philosophie des Aristoteles und die Rezeptionsgeschichte näher beleuchtet)
- Alberto Jori: Aristotele (mit einem Vorwort von H. Flashar), Mailand 2003 ISBN 8842497371 (sehr wichtig; Preis 2003 der "International Academy of the History of Science")
- Christof Rapp: Aristoteles zur Einführung. Hamburg 2004, ISBN 3885063980 (Eine der besten deutschsprachigen Einführungen zu Aristoteles mit sehr guter thematisch gegliederter Bibliografie für Einsteiger)
- W. D. Ross: Aristotle. Routledge 2004 (Einführung/Darstellung aus der Feder des wichtigsten Aristoteles-Forscher des 20. Jahrhunderts)
- thematische Kompendien:
- Jonathan Barnes (Hrsg.): The Cambridge Companion to Aristotle. Cambridge 1995 (sehr gute Einführung zu Aristoteles mit thematisch geordneten Beiträgen einiger der namhaftesten Aristotelesforscher und einer aktuellen, thematisch gegliederten 80-Seiten-Bibliografie)
- Thomas Buchheim, Hellmut Flashar (Hrsg.): Kann man heute noch etwas anfangen mit Aristoteles. Hamburg 2003 (Beiträge namhafter Aristotelesforscher in Hinblick auf Aristoteles und moderne Philosophie)
- Philosophiegeschichte und Doxographie:
- Ingemar Düring: Aristoteles. Heidelberg 1966 (maßgebliche Gesamtdarstellung; schwach zur Ethik).
- Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike Band 3: Ältere Akademie. Aristoteles. Peripatos. 2. durchgesehene und erweiterte Auflage, von Hellmut Flashar, Hans Krämer †, Fritz Wehrli, Georg Wöhrle, Basel 2004 (ausführlichste philosophiegeschichtliche Darstellung zu Aristoteles und seiner Wirkungsgeschichte)
- W. K. C. Guthrie: Aristotle - An Encounter. Cambridge 1981 (= A History of Greek Philosophy; 6.) (sehr gut lesbare Gesamtdarstellung, nicht so systematisch wie Düring, nichts zur Logik)
- Lexika:
- Otfried Höffe (Hrsg.): Aristoteles-Lexikon. Stuttgart 2005, ISBN 3520459019
- Christoph Horn, Christof Rapp (Hrsg.): Wörterbuch der antiken Philosophie. München 2002, ISBN 3406476236 (mit zahlreichen Einträgen zu für Aristoteles zentralen Termini)
- Weitere Monographien:
- Günther Bien: Die Grundlegung der politischen Philosophie bei Aristoteles. Freiburg i.Br./München 1973 (wer sich für Aristoteles als Klassiker bzw. Begründer des politischen Denkens interessiert, kommt an diesem Buch nicht vorbei)
- Werner Jaeger: Aristoteles. Berlin 1923 (wichtig innerhalb der Forschungsgeschichte, aber als Einführung ungeeignet)
- Günther Patzig: Die aristotelische Syllogistik. Logisch-philologische Untersuchung über das Buch A der „Ersten Analytik“. 3. Aufl., Göttingen 1969
- Richard Sorabji (Hrsg.): Aristotle Transformed. The Ancient Commentators and Their Influence. Ithaca/New York 1990 (bezüglich der Rezeption und Kommentierung in der Spätantike wichtiges Werk)
- Leo Strauss: The City and the Man. Chicago 1964 (englisch)
[Bearbeiten] Kunst
Aristoteles in der Kunst
Aristoteles, gemalt von Francesco Hayez |
[Bearbeiten] Siehe auch
- Aristoteles-Universität Thessaloniki
- Philosophie der Antike
- Contra principia negantem disputari non potest – Sprichwort, das auf Aristoteles zurückgehen soll
- Alexander von Aphrodisias
[Bearbeiten] Weblinks
Wikisource: Aristoteles – Quellentexte (lat.) |
Commons: Aristoteles – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Literatur von und über Aristoteles im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag (englisch) in der Stanford Encyclopedia of Philosophy (inkl. Literaturangaben) – Verzeichnis der Einträge
- Werke von Aristoteles als Online-Texte im Projekt Gutenberg-DE (mit Einführung)
- Aristoteles als Philosoph
- Texte (griechisch/englisch) im Perseus Project
- Texte von Aristoteles (englisch)
- Aristoteles im Philosophen-Lexikon von Rudolf Eisler, 1912
Personendaten | |
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NAME | Aristoteles |
ALTERNATIVNAMEN | Der Stagirit, Der Philosoph |
KURZBESCHREIBUNG | griechischer Philosoph und Naturforscher |
GEBURTSDATUM | 384 v. Chr. |
GEBURTSORT | Stageira/Makedonien |
STERBEDATUM | 322 v. Chr. |
STERBEORT | Chalkis/Euböa |
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