Glückliche Arbeitslose
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Die glücklichen Arbeitslosen sind eine lose organisierte Bewegung von – nach eigenen Angaben – „ein paar Millionen“ Menschen in Europa, die das Konzept der so genannten glücklichen Arbeitslosigkeit fördern wollen.
Sie verstehen darunter einen Zustand, die Arbeitslosigkeit zu akzeptieren, im Rahmen des Möglichen zu genießen und durch ein Coming out offensiv damit umzugehen. Um dies zu erleichtern, soll ein „artgerechtes Biotop für Glückliche Arbeitslose“ geschaffen werden, beispielsweise mit der Variante des Grundeinkommens (Bürgergeld) und der begrifflichen Umdefinition von „arbeitslos“ in „geldlos“ bzw. von „Arbeitssuchenden“ in „Geldsuchende“ usw.
Neben rhetorischen Spielereien präsentieren sich die Glücklichen Arbeitslosen ideologisch weitestgehend unverbindlich; sie weisen jegliche Nähe zu klassenkämpferischem Gedankengut von sich, zelebrieren jedoch eine gewisse – immer unverbindlich oberflächlich-spaßig bleibende – Nähe zu anarchistischen und situationistischen Ideen.
Dem Vorwurf der Arbeitsscheue und Faulheit begegnen die Glücklichen Arbeitslosen in Berufung auf den Künstler Kasimir Malewitsch, der 1921 in seinem Buch Die Faulheit als tatsächliche Wahrheit der Menschen. Die Arbeit als Instrument zum Erreichen der Wahrheit. Philosophie der sozialistischen Idee schrieb:
- „Das Geld ist nichts als ein kleines Stück Faulheit. Je mehr man davon hat, desto ausgiebiger wird man die Glückseligkeit der Faulheit kennenlernen. [...] Im Kapitalismus ist die Arbeit auf eine Weise organisiert, die den Zugang zur Faulheit nicht allen Menschen gleichermaßen ermöglicht: Genießen kann die Faulheit nur, wer durch Kapital abgesichert ist. So hat sich die Klasse der Kapitalisten von dieser Arbeit befreit, von der sich die gesamte Menschheit befreien muß“ (Malewitsch, 15. Februar 1921, Witebsk).
Bereits 1973 veröffentlichte Peter-Paul Zahl in West-Berlin eine Zeitschrift mit dem Titel Der Glückliche Arbeitslose, in der er in klassischer Sponti-Tradition ein „Berufsverbot für alle“ forderte. Die Bewegung der Glücklichen Arbeitslosen beruft sich erstaunlicherweise nicht auf diese „Tradition“, gibt aber seit 1998 eine sporadisch erscheinende eigene Publikation, den Müßiggangster (Kontemplationsblatt der Glücklichen Arbeitslosen; Archiv) heraus.
In einem Bericht bezeichnete die Frankfurter Allgemeine Zeitung das beispielsweise in der taz am 30. März 1998 (TAZ Nr. 5495) auszugsweise abgedruckte Manifest der Glücklichen Arbeitslosen als „einen der bisher raren Versuche, für das Arbeitslosigkeitsdilemma einen kulturellen Ausdruck zu finden“; andere Medien sprechen schlicht von „Heuchelei“.
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[Bearbeiten] Kritik an den Glücklichen Arbeitslosen
Kritiker überrascht die Beliebtheit der Gruppierung beim bürgerlichen Feuilleton nicht. Die Arbeitslosen sollen 'glücklich' werden können, ohne Klassenkampf und die Lohnarbeit in Frage stellen zu müssen.
Tatsächlich aber seien, so die Kritiker, Arbeitslose und abhängig Beschäftigte gleichermaßen dem System der Lohnarbeit, dem Staat und dem Kapital unterworfen. Den Zusammenhang verdeutlicht auch die Hartz IV-Reform. Auch wer freie Zeit hat, kann sie nicht frei nutzen, da der Raum gemäß den Notwendigkeiten der Kapitalverwertung organisiert ist.
Aus Sicht der Kritiker handelt es sich um eine Variante des positive thinking. Durch eine bloße Änderung der Einstellung soll man, ohne gegen die bestehenden Verhältnisse kämpfen zu müssen, 'glücklich' werden. Die regressive Konsumentenphantasie habe schnell 'gesellschaftliche Akzeptanz ' gefunden. Zum Glück gehöre aber mehr als die Möglichkeit, ungestört auf Grundsicherungsniveau zu konsumieren.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Guillaume Paoli (Hrsg.): Mehr Zuckerbrot, weniger Peitsche. Aufrufe, Manifeste und Faulheitspapiere der Glücklichen Arbeitslosen. Edition Tiamat, Berlin 2002, ISBN 3-89320-062-2
[Bearbeiten] Weblinks
- Homepage der Glücklichen Arbeitslosen
- http://www.freitag.de/2001/21/01211201.php - „Das Wort Arbeit streiche ich aus meiner Sprache. Glückliche Arbeitslose über ein Lebenskonzept ohne Zwang zur Lohnarbeit. Mehr als eine praktische Verweigerung.“ (in: Freitag 18. Mai 2001 – „Im Gespräch“ mit Marina Achenbach)
- http://www.sopos.org/aufsaetze/3b0bf233eb8e3/1.phtm - „Recht auf Faulheit“ von Paul Lafargue
- http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/blackwork.html - Essay „Abolition of work“ (1985) von Bob Black
- grundlegender, skeptischer Essay Was ist Arbeit - was ist Faulheit? von Robert Hagen 27. Februar 2005
- Anti-Arbeits-Kreis Berlin
- Kritik- Informationsportal zu Hartz IV