Hans Freyer
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Hans Freyer (* 31. Juli 1887 in Leipzig; † 18. Januar 1969 in Ebersteinburg, Baden-Württemberg) war ein deutscher Soziologe, Historiker und Philosoph. Freyer hat die Lebensphilosophie beeinflusst und orientierte sich am Neuhegelianismus. Er war der Begründer der so genannten ("neueren") Leipziger Schule.
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[Bearbeiten] Leben
Freyer studierte seit 1907 an der Universität Greifswald Theologie (nur ein Jahr), Nationalökonomie, Geschichte und Philosophie. Ein Jahr später wechselte er an die Universität Leipzig, wo er 1911 promovierte und sich 1920 habilitierte. Seit 1922 hatte er eine Professur an der Universität Kiel inne. Ab 1925 war er an der Universität Leipzig als überhaupt erster Wissenschaftler auf einem Lehrstuhl für Soziologie tätig. Seine frühen Werke zur Lebensphilosophie beeinflussten die deutsche Jugendbewegung.
1933 wurde ihm das Amt des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Soziologie angetragen. Er löste den bisherigen Präsidenten Ferdinand Tönnies ab und legte sehr bald die DGS still, was ihm von Kritikern als Akt der Gleichschaltung ausgelegt wird. Gegenstimmen sehen darin gerade eine Rettung der DGS vor der Kompromitierung. Später wurde auch sein Lehrstuhl aufgelöst, da die noch kleine Soziologie wegen der Emigration der meisten ihrer Vertreter im Nationalsozialismus nur marginal weitergeführt wurde. Freyer erhielt eine Professur für Politische Wissenschaften am Institut für Kultur- und Universalgeschichte. Er selbst trat der NSDAP nicht bei, jedoch waren einige seiner Schüler, wie beispielsweise Arnold Gehlen, Karl Heinz Pfeffer und Helmut Schelsky Parteimitglieder. 1935-1944 war Freyer gleichzeitig Leiter des Deutschen Kulturinstituts in Budapest. Noch im Krieg folgte er darüber hinaus einem Ruf an die Universität Budapest.
Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte er weiterhin an der Universität Leipzig lehren und zwar wie zu Anfang seiner Karriere als Soziologe. Jedoch wurde seine Position im Dritten Reich mehr und mehr kritisiert, so dass er 1948 nach Westdeutschland übersiedelte. Er erhielt eine Stelle bei Brockhaus in Wiesbaden. An einer deutschen Universität konnte er sich als ordentlicher Professor nicht mehr etablieren, lehrte als Emeritus jedoch von 1953 bis 1955 an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. 1954 half er für kurze Zeit beim Aufbau eines soziologischen Instituts an der Universität Ankara.
Freyer war evangelisch, verheiratet mit Käthe Lübeck und hatte vier Kinder.
[Bearbeiten] Werk
Freyers philosophisches Werk wurde von Hegel und Wilhelm Dilthey beeinflusst. In den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts hat er sich den so genannten Jungkonservativen zugewandt. Er entwickelte ein hierarchisch strukturiertes Gesellschaftsmodell. Individuelle Freiheit sollte dabei zugunsten von kollektiven Konzepten, wie Führerstaat und Volksgemeinschaft zurückgestellt werden. Kulturkritisch befasste er sich in seinen Werken u.a. mit der fortschreitenden Technisierung und entwickelte die Theorie der sekundären Systeme.
In Der Staat beschrieb Freyer 1926 die aufeinander bezogenen Dimensionen der Geschichte, die sich seiner Ansicht nach jeweils kreisförmig wiederholen: Glaube, Stil und Staat. Seine Theorie stützte sich dabei teilweise, jedoch nicht explizit, auf Ferdinand Tönnies' Gemeinschaft und Gesellschaft. Das letzte und höchste Stadium mit einem Führer an der Spitze stellte die ideale Gemeinschaft, den idealen hierarchisch gegliederten Staat dar. Dabei bestand die wichtigste Qualität des Staates darin, alle Kräfte der Gemeinschaft zu einer Einheit zusammenschließen zu können. Diese Ideologie entsprach der Bewegung der Konservativen Revolution.
1930 verfasste Freyer Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft, ein Begriff, den er bei Max Weber entlehnt hat. Er beschäftigte sich mit den Wurzeln der Soziologie, die in der Geschichtsphilosophie lägen. Soziologie sollte demnach die Gründe für gesellschaftlichen Wandel mit historischen Kategorien analysieren und auf dieser Grundlage die Gesellschaft verbessern, d.h. eine ethische philosophische Wissenschaft darstellen.
In seinem 1931 erschienenen Artikel:Revolution von Rechts untersuchte Freyer den Topos der Freiheit. Diese existiere nur in einer Gemeinschaft, die für das Wohl aller eintrete. Individuelle Freiheit hingegen müsse zugunsten der Volksgemeinschaft eingeschränkt werden.
In seinen Schriften nach dem Zweiten Weltkrieg ist kein grundlegender Bruch zu seinen frühen Werken festzustellen. Er gehörte weiterhin zu den Vertretern einer äußerst konservativen Strömung und hatte einigen Einfluss auf das Denken in der neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland.
[Bearbeiten] Schriften
- Hans Freyer:Antäus. Grundlegung einer Ethik des bewussten Lebens. Diederichs, Jena 1918
- Hans Freyer:Prometheus. Ideen zur Philosophie der Kultur. Diederichs, Jena 1923
- Hans Freyer: Theorie des objektiven Geistes. Eine Einleitung in die Kulturphilosophie. B. G. Teubner, Leipzig, Berlin 1923
- Hans Freyer: Der Staat. Staat und Geist. Arbeiten im Dienste der Besinnung und des Aufbaus. Bd. I. 2. unveränderte Aufl. Leipzig, Ernst Wiegandt Verlagsbuchhandlung 1926.
- Hans Freyer:Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft. Logische Grundlegung des Systems der Soziologie. B.G.Teubner, 1930
- Hans Freyer:Einleitung in die Soziologie. Quelle&Meyer, Leipzig 1931
- Hans Freyer, Friedrich Hertz, Walther Vogel, Franz Weidenreich, Friedrich Behn, F. E. A. Krause, Georg Steindorff, Rudolf Kittel:Das Erwachen der Menschheit. Die Kulturen der Urzeit, Ostasiens und des vorderen Orients. Propyläen-Weltgeschichte, Erser Band, Berlin 1931
- Hans Freyer: Berlin, Propyläen-Verlag 1931., HalbLd, 626 S. m. zahlr. Abb. + Verlagsanz.
- Hans Freyer: Revolution von rechts. Diederichs, Jena 1931
- Hans Freyer:Herrschaft und Planung. Zwei Grundbegriffe der politischen Ethik. Hanseatische Verlagsgesellschaft, Hamburg 1933
- Hans Freyer:Pallas Athene. Ethik des politischen Volkes. Diederichs, Jena 1935
- Hans Freyer:Die politische Insel. Eine Geschichte der Utopien von Platon bis zur Gegenwart. Bibliograph. Inst. Leipzig 1936
- Hans Freyer:Das geschichtliche Selbstbewußtsein des 20. Jahrhunderts. (Vortrag). Verlag H. Keller, Leipzig 1937
- Hans Freyer:Machiavelli. Bibliographisches Institut, Leipzig 1938
- Hans Freyer:Die Bewertung der Wirtschaft im philosophischen Denken des 19. Jahrhunderts. Zweite, durchgesehene Auflage. Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig, 1939.
- Hans Freyer:Weltgeschichte Europas 1. und 2. Band. Dieterichsche Verlagsbuchhandlung, Wiesbaden 1948
- Hans Freyer:Die weltgeschichtliche Bedeutung des 19. Jahrhunderts. Lipsius & Tischer, Kiel 1951
- Hans Freyer:Theorie des gegenwärtigen Zeitalters. DVA, Stuttgart 1955
- Carl Bennholdt-Thomsen,Hans Freyer:Der Mensch unserer Zeit. Thieme, 1956
- Hans Freyer:Das soziale Ganze und die Freiheit der Einzelnen unter den Bedingungen des industriellen Zeitalters.Musterschmidt,Göttingen, 1957
- Hans Freyer, Herbert Grundmann, Kurt v. Raumer u. Hans Schaefer:Das Problem der Freiheit im europäischen Denken von der Antike bis zur Gegenwart. Verlag R.Oldenbourg, München 1958
- Hans Freyer: Bildung durch die Geisteswissenschaften : Über Sinn und Recht der humanistischen Bildungsidee im industriellen Zeitalter. SV-Schriftenreihe zur Förderung der Wissenschaft 1960/III - Forschung und Wirtschaft, Partner im Fortschritt. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Essen 1960
- Hans Freyer:Über das Dominantwerden technischer Kategorien in der Lebenswelt der industriellen Gesellschaft. Verl. d. Akademie d. Wissenschaften u.d. Literatur, 1960
- Hans Freyer:Theorie des gegenwärtigen Zeitalters. DVA, Stuttgart 1961
- Hans Freyer:Schwelle der Zeiten. Beiträge zur Soziologie der Kultur. DVA, Stuttgart 1965
- Technik im technischen Zeitalter. Stellungsnahmen zur geschichtlichen Situation. Hans Freyer, Johannes Chr. Papalekas, Georg Weippert (Hrsg), Schilling 1965
- Hans Freyer u.s.:Industriegesellschaft in Ost und West.1966, ISBN: 3775807810
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Hans Freyer [1] im Katalog der Deutschen Bibliothek
[Bearbeiten] Siehe auch
Personendaten | |
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NAME | Freyer, Hans |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Soziologe und Philosoph |
GEBURTSDATUM | 31. Juli 1887 |
GEBURTSORT | Leipzig |
STERBEDATUM | 18. Januar 1969 |
STERBEORT | Ebersteinburg bei Wiesbaden |