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Jugendbewegung - Wikipedia

Jugendbewegung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Jugendbewegung ist eine ab etwa 1896 in Deutschland einsetzende Jugendkultur. In der Entstehung gab es wechselseitige Einflüsse mit der Reformpädagogik, wobei die Jugendbewegung von der Jugend selbst ausgegangen ist, während die Reformpädagogik, wie alle Pädagogik, von betreuenden Erwachsenen. Der Beginn der deutschen Jugendbewegung war der Wandervogel.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] 1. Phase: Wandervogel (1896-1914/18)

Die Jugendbewegung entwickelte sich zunächst aus einem antibürgerlichen Affekt, der jungen Menschen im bewussten Gegensatz zum Stadtleben durch Ausflüge - so genannten Fahrten, heute meist Wanderfahrten - die Natur nahe zubringen versuchte. Das Motiv "Zurück zur Natur" korrespondierte mit einem bewussten, mit Anklängen an die Romantik verbrämten Rückgriff auf Traditionen, was in (einfacher) Kleidung, Heimat- und Liederabenden, Lagerfeuer-Feiern und Tanz seinen Ausdruck fand. Die Jugendmusikbewegung war ein Teil der Jugendbewegung, der die Förderung des Musizierens und die Pflege traditioneller Volkslieder betrieb. Diese sozialromantische Haltung war auch eine als unpolitisch bezeichnete Antwort auf die zunehmenden sozialen Probleme, die die fortschreitende Industrialisierung und damit einhergehenden Verstädterung mit sich brachte.

Beginnend um 1910 war die Jugendbewegung, als deren wichtigster Träger der Wandervogel gilt, so kraftvoll, dass Institutionen wie Kirchen, Parteien, Gewerkschaften und landsmannschaftliche Vereine ihre eigene Jugend neu zu formieren versuchten, indem man sich einerseits am äußeren Stil des Wandervogels auszurichten versuchte, andererseits aber am traditionellen Autoritätsprinzip festhielt. Doch selbst noch diese Anpassung und Annäherung wurde von einem Teil der jeweils Verantwortlichen innerhalb dieser Institutionen und Erwachsenenverbände sehr kritisch gesehen. Insofern viele dieser neu formierten oder neu gegründeten Jugendverbände in unmittelbarer Abhängigkeit von Erwachsenenvereinigungen blieben, kann man sie nicht als jugendbewegte Gruppen bezeichnen. Andererseits wurde aber auch die Eigendynamik von den jeweiligen Autoritäten unterschätzt, so dass mitunter auch sehr eigenständige Gruppen entstanden.

Dabei half zum Beispiel der kirchlichen Jugendbewegung, dass sich aus unterschiedlichen Motiven (z. B. Abstinenz, Verhältnis zur Natur und Kultur) bereits zahlreiche Jugendliche in neuen Gruppen um geistliche Mentoren gesammelt hatten (z. B. Quickborn).

siehe: Katholische Jugendbewegung und Jugendbewegung (evangelisch)

Am 11. Oktober 1913 fand auf dem Hohen Meißner bei Kassel der Erste Freideutsche Jugendtag statt. Dieser war als Protestveranstaltung gegen die patriotischen Veranstaltungen des Kaiserreiches zur Hundertjahrfeier der Völkerschlacht bei Leipzig gedacht. Hier gab es enge Verbindungen der Jugendbewegung zur Freistudentenbewegung.

[Bearbeiten] 2. Phase: Bündische Jugend (1914/18-1933)

Dagegen versteht man die Bündische Jugend als die zweite Phase der Jugendbewegung (Zwischenkriegszeit), in der sich nach dem Ersten Weltkrieg der Stil und die Traditionen des Wandervogels mit denen der Pfadfinderbewegung zu etwas Neuem verbanden.

Ein prägender und zahlenmäßig großer Bund war auch die Deutsche Freischar, der aus dem Zusammenschluss mehrer Pfadfinder- und Wandervögelbünde entstand.Durch die Erfahrungen die tusk in diesem Verband machte entstand die Idee und das Gedankengut der d.j.1.11

Einen neuen Inhalt brachte Eberhard Koebel, auch bekannt unter seinem Fahrtennamen tusk, der aus Ablehnung des in der bündischen Jugend verbreiteten Lebensbund-Prinzips heraus einen reinen Jungenbund gründete, die Deutsche Jungenschaft vom 1. 11. 1929 (auch: Deutsche Autonome Jungenschaft vom 1. 11. 1929), bekannter unter der Abkürzung dj.1.11

[Bearbeiten] 3. Phase: Jugendbewegung in Hitlerjugend und Untergrund (1933-1945)

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 schlossen sich die Bünde entweder der Hitler-Jugend an oder wurden aufgelöst und verboten, wobei dieser Prozess − insbesondere bei den konfessionellen Bünden − erst 1937/38 abgeschlossen wurde. Obwohl sich der Eingliederungsvorgang in die Hitlerjugend in der Mehrzahl mit Euphorie und großer Zustimmung vollzog, tauchen immer wieder Legenden von verbreiteten Widerständen gegen diese Entwicklung auf. Lediglich einige wenige Gruppen insbesondere der Jungenschaftsbewegung und des Nerother Wandervogels bestanden sogar in der Illegalität fort, von denen wiederum einige sich zu Widerstandsgruppen entwickelten, wie beispielsweise die Gruppe um Michael Jovy.

Parallel zu den Verboten der bündische Jugend und dem immer stärkeren Zwang zum Eintritt in die Hitler-Jugend entstanden immer wieder so genannte „wilde“ Jugendgruppen, deren Traditionslinie zum Teil bis in die 1920er Jahre zurückreichte und die Stilelemente der bündischen Jugend in ihr Gruppenleben integrierten. Bekannteste Vertreter dieser Gruppen sind die Edelweißpiraten aus dem Rheinland, vergleichbare Gruppen existierten aber unter unterschiedlichen Namen in nahezu allen Großstädten des Deutschen Reichs. Auch diese Gruppen wurden unter dem Vorwurf der „bündischen Umtriebe“ von der Gestapo verfolgt.

[Bearbeiten] 4. Phase: (1945 bis heute)

Umstritten ist, ob und inwiefern die Jugendbewegung und die bündische Jugend heute noch fortleben. Während Historiker in der Regel einen Schlusspunkt der bündischen Phase in der Eingliederung der freien Bünde in die Hitler-Jugend in den Jahren 1933/1934 sehen – oder spätestens mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs –, betrachten sich die meisten Angehörigen der heutigen Gruppen als zeitgemäße Fortsetzung der historischen Jugendbewegung und bezeichnen sich als bündisch und/oder jugendbewegt.

[Bearbeiten] Westdeutschland

Tatsächlich kam es nach 1945 in Westdeutschland zu zahlreichen Neugründungen, die durch die Jugendbewegung beeinflusst waren. Darunter waren Jugendgruppen (in Klammern die zugehörigen Erwachsenenverbände) wie

Einen Sonderfall bilden politische Jugendorganisationen, wie der SJD - Die Falken (der SPD nahe stehend).

[Bearbeiten] Ostdeutschland

In der DDR wurde die FDJ (Freie Deutsche Jugend) unter dem Einfluss der Staatspartei SED die einzige legitime Jugendorganisation. Jugendbewegung konnte sich hier erneut nur in Ansätzen innerhalb der FDJ oder im gesellschaftlichen Grenzbereich bzw. im antikommunistischen Untergrund bilden.

[Bearbeiten] Entwicklungen nach 1989

Die Stiftung Jugendburg Ludwigstein, die als dauerhaftes Gemeinschaftswerk der deutschen Jugendbewegung gilt, und zu deren Einrichtungen das Archiv der Jugendbewegung gehört, sieht sich in ihren Leitsätzen aus dem Jahr 2006 in einer Mittlerrolle zwischen der historischen und der gegenwärtigen Jungendbewegung und bestätigt damit die Existenz einer gegenwärtigen Jugendbewegung.

Auch heute noch gibt es zahlreiche, zumeist kleine Wandervögel- und Jungenschaftsbünde.

Die deutsche Pfadfinderbewegung (und teilweise die österreichische) wird durch die Einflüsse der bündischen Jugend geprägt, was sie von den Pfadfinderverbänden anderer Länder deutlich unterscheidet. Allerdings gibt es große Unterschiede zwischen den verschiedenen heutigen Pfadfinderbünden und -gruppen.

[Bearbeiten] Literatur

  • Florian Malzacher, Matthias Daenschel: Jugendbewegung für Anfänger. Zweite Auflage. Verlag der Jugendbewegung, Stuttgart 2004. ISBN 3-88258-131-X
  • Werner Helwig: Die Blaue Blume des Wandervogels. Überarbeitete Neuausgabe. Deutscher Spurbuchverlag, Baunach 1998. ISBN 3-88778-208-9
  • Joachim H. Knoll: Typisch deutsch: die Jugendbewegung: Beiträge zu einer Phänomengeschichte. Leske und Budrich, Opladen 1988. ISBN 3-8100-0674-2
  • Walter Laqueur: Die deutsche Jugendbewegung. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1978. ISBN 380468548X
  • Werner Kindt: Dokumentation der Jugendbewegung. 3 Bände:
  • Band I: Grundschriften der deutschen Jugendbewegung. Diederichs, Düsseldorf 1963
  • Band II: Die Wandervogelzeit. Quellenschriften zur deutschen Jugendbewegung 1896 bis 1919. Diederichs, Düsseldorf 1968
  • Band III: Die deutsche Jugendbewegung 1920 bis 1933. Die Bündische Zeit. Diederichs, Düsseldorf 1974. ISBN 3-424-00527-4
  • Gerhard Ziemer, Hans Wolf: Wandervogel und freideutsche Jugend. Voggenreiter Verlag, Bad Godesberg 1961
  • Hermann Giesecke: "Vom Wandervogel bis zur Hitlerjugend", Juventa-Verlag 1981, als pdf unter http://5tc1.de/giesecke/index.htm
  • Ulfried Greiner: Homsexualität in der deutschen Jugendbewegung. Jungenfreundschaft und Sexualität im Diskurs von Jugendbewegung, Psychoanalyse und Jugendpsychologie am Beginn des 20. Jahrhunderts. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1994. ISBN 3-518-28713-3
  • Elisabeth Korn, Otto Suppert und Karl Vogt (Hrsg.). Die Jugendbewegung: Welt und Wirkung. Zur 50. Wiederkehr des freideutschen Jugendtages auf dem Hohen Meißner. Düsseldorf/Köln: 1963
  • Christiane Kliemannel: Mädchen und Frauen in der deutschen Jugendbewegung im Spiegel der historischen Forschung. Verlag Daniel Junker. Hamburg 2006. ISBN 3-938432-05-5

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

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