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Harmonischer Oszillator (Quantenmechanik) - Wikipedia

Harmonischer Oszillator (Quantenmechanik)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der harmonische Oszillator in der Quantenmechanik, auch quantenharmonischer Oszillator, beschreibt - analog zum harmonischen Oszillator in der klassischen Physik - das Verhalten eines Teilchens (hier beschrieben durch eine Wellenfunktion) in einem harmonischen Potential.


  • Ein klassisches Beispiel ist ein Massenpunkt, an einer Feder. Dieser Massenpunkt, welches sich in einem harmonischen Potential V(x) befindet, erfährt eine der Auslenkung aus der Ruhelage proportionale Rückstellkraft: F(x) = - k\ x\qquad , wobei k die Federkonstante ist. Mit F(x)=-\frac{\partial V(x)}{\partial x} ergibt sich das Potential: V(x) = \frac{1}{2} k x^2


Der quantenharmonische Oszillator ist ein wichtiges Modellsystem der Physik, da es eines der wenigen geschlossen (also ohne Näherungen und numerische Methoden) lösbaren Systeme der Quantenmechanik ist. Mit ihm können einen Reihe von physikalischer Sachverhalten näherungsweise zu beschreiben werden:

  • In der Molekülphysik erlaubt er eine Näherung der Bindungsverhältnisse zwischen Atomen und ermöglicht so z.B. eine Vorhersage über Schwingungsspektren. Dies lässt sich verdeutlichen, indem eine Bindung durch zwei über eine Feder (harmonisches Potential) miteinander verbundende Massepunkte (die Atome), die gegeneinander schwingen, dargestellt wird:
Die lineare Rückstellkraft F(x) einer solchen Feder führt auf ein harmonisches Potential V(x) (propotional x2) und somit auf den harmonischen Oszillator. In realen Molekülen sieht das Potential etwas anders aus, aber der harmonische Oszillator ist zumindest für niedrige Schwingungsenergien eine gute Näherung.
  • Ein weiteres Beispiel ist die Torsionsschwingung des Ethylenmoleküls, die in der folgenden zeichnung dargestellt ist:
Dabei verdrillt sich sozusagen die Doppelbindung und jeweils zwei Wasserstoff-Atome schwingen drehend gegeneinander.
  • In der modernen Atomphysik werden zu untersuchende Atome und Ionen in optischen Fallen bzw. Ionenfallen gefangen und gekühlt, um z.B. bei Messungen eine höhere Auflösung zu erhalten. Außerdem kann man in solchen Fallen neue Zustände der Materie untersuchen (z.B. Bose-Einstein-Kondensate, Fermi-Kondensate). Solche Fallen weisen ein in erster Näherung parabolisches Potential auf. Somit können Teilchen in diesen Fallen auch mit dem Modell des quantenmechanischen harmonischen Oszillators beschrieben werden.
  • In der Festkörperphysik beschreibt das Einstein-Modell (nach Albert Einstein) eine Methode, um den Beitrag der Gitterschwingungen (Phononen) zur Wärmekapazität eines kristallinen Festkörpers zu berechnen. Grundlage ist die Beschreibung des Festkörpers als aus N quantenharmonische Oszillatoren bestehend, die jeweils in drei Richtungen unabhängig schwingen können.



Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte

Im Jahr 1900 entwickelte Max Planck eine Formel zur Beschreibung der gemessenen Frequenzverteilung der von einem Schwarzkörper emittierten Strahlung, wobei er von der Annahme ausging, dass der schwarze Körper aus Oszillatoren mit diskreten Energieniveaus besteht[1].

Über die geschichtliche Entwicklung der Quantenmechanik, siehe Hauptartikel Quantenmechanik - Geschichte

[Bearbeiten] Einführung

Die klassische Hamilton-Funktion für ein Teilchen mit der Masse m in einem harmonischen Potential V(\vec x) = \frac{k \vec x^2}{2} mit k = mω2, wobei ω die Eigenfrequenz des harmonischen Oszillators ist, lautet:


H = \frac{\vec p^2}{2 m} + \frac{m \omega^2 \vec x^2}{2}


Die Hamilton-Funktion beschreibt hier die Gesamtenergie des Systems, also die Summe aus kinetischer Energie (erster Term) und potentieller Energie (zweiter Term).


Nun wird der Ort \vec x und der Impuls \vec p durch die entsprechenden quantenmechanischen Operatoren ersetzt (Korrespondenzprinzip):

Ortsoperator: \vec x\rightarrow\hat \vec x=\vec x und
Impulsoperator:\vec p\rightarrow\hat{\vec p}=-i\hbar\vec\nabla

\vec\nabla bezeichnet den Nabla-Operator. Der letzte Teil der Ausdrücke ist jeweils die Ortsdarstellung der Operatoren. Damit geht die klassische Hamilton-Funktion in den Hamilton-Operator in der Ortsdarstellung über:


\hat H = \frac{\hat \vec p^2}{2 m} + \frac{m \omega^2 \hat \vec x^2}{2}=- \frac{\hbar^2}{2 m}\vec\nabla^2 + \frac{m \omega^2 \vec x^2}{2}


Im eindimensionalen Fall reduziert sich der Nabla-Operators \vec\nabla auf die partielle Ableitung nach x: \frac{\partial}{\partial x}. Im Folgenden wird zunächst nur der eindimensionale Fall betrachtet.

[Bearbeiten] Die Schrödinger-Gleichung des Systems

Über den obigen Hamilton-Operator erhält man die (stationäre) Schrödinger-Gleichung des Problems.

\hat H |\psi_n\rangle=E_n|\psi_n\rangle

oder in der Ortsdarstellung:

- \frac{\hbar^2}{2 m}\vec\nabla^2\psi_n(\vec{x}) + \frac{m \omega^2 \vec x^{\,2}}{2}\psi_n(\vec{x})=E_n\cdot\psi_n(\vec{x})

Löst man diese Gleichung, so ergeben sich die sog. Energieeigenfunktionen \psi_n(\vec{x}) zu den Energieeigenwerten En des harmonischen Oszillators. Bei der Lösung stellt sich heraus, dass nur diskrete Energien En zu Lösungen dieser Differentialgleichung führen.

[Bearbeiten] Eigenschaften der Lösungen der Schrödinger-Gleichung

Orts-Wellenfunktion eines Teilchens im harmonischen Potential. Links ist deren Betragsquadrat (=Aufenthaltswahrscheinlichkeit) dargestellt und rechts einige Wellenfunktionen zu verschiedenen n
Orts-Wellenfunktion eines Teilchens im harmonischen Potential. Links ist deren Betragsquadrat (=Aufenthaltswahrscheinlichkeit) dargestellt und rechts einige Wellenfunktionen zu verschiedenen n

[Bearbeiten] Eigenfunktionen

Die Eigenfunktionen \psi_n(\vec{x}) des harmonischen Oszillators ergeben sich durch Lösen der obigen Differentialgleichung. Sie sind die hermiteschen Funktionen:

\psi_n(x)=\left(\frac{m\omega}{\pi\hbar}\right)^\frac{1}{4}\frac{1}{\sqrt{2^nn!}}\cdot H_n\left(\sqrt{\frac{m\omega}{\hbar}}\cdot x\right)\cdot e^{-\frac{1}{2}\frac{m\omega}{\hbar}x^2}

Dabei sind Hn(x) die Hermiteschen Polynome. Der Term e^{-\frac{1}{2}\frac{m\omega}{\hbar}x^2} sorgt für ein exponentielles Abfallen der Lösung außerhalb des Oszillatorpotentials. Der Grundzustand n=0 hat die Form einer Gauß-Kurve:

\psi_0(x)=\left(\frac{m\omega}{\pi\hbar}\right)^\frac{1}{4}\cdot e^{-\frac{1}{2}\frac{m\omega}{\hbar}x^2}

Die Darstellung rechts zeigt einige der Lösungen \psi_n(\vec{x}) des harmonischen Oszillators. Neben den Wellenfunktionen ist auch deren Betragsquadrat aufgeführt. Dieses entspricht der Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens im gegebenen harmonischen Potential (rote Parabel in der linken Zeichnung).


[Bearbeiten] Erlaubte Energieniveaus

Wie bereits erwähnt sind nur diskrete Werte für die Energie En erlaubt, die sich bei der Lösung der Differentialgleichung ergeben. Eigentlich gibt es Lösungen zu beliebigen Energien E, aber nur einige dieser Lösungen führen auf normierbare Eigenfunktionen, was eine notwendige BEdingung für physikalisch sinnvolle Ergebnisse ist:

\int\limits_{-\infty}^\infty\psi_n(\vec{x})\;\mathrm{d}^3x=1.

Diese diskreten Energieeigenwerte des harmonischen Oszillators ergeben sich zu:

E_n = \hbar\omega\cdot\left( n+\frac{1}{2} \right).

Dabei sind \hbar das plancksche Wirkungsquantum, ω wieder die Eigenfrequenz des Oszillators und n die Schwingungsquantenzahl, eine natürliche Zahl, also n = 0,1,2,....

[Bearbeiten] Nullpunktsenergie

siehe Hauptartikel: Nullpunktsenergie

Dieses Ergebnis hat fundamentale Folgen: Der harmonische Oszillator kann nicht mehr beliebige Energiemengen aufnehmen, sondern nur ganzzahlige Vielfache von \hbar\omega. Der tiefste Energiezustand ist E_0=\frac{1}{2}\hbar\omega. Dies bedeutet, dass auch ein Teilchen, dass sich am absoluten Temperaturnullpunkt T = 0K in einem solchen Oszillator befindet noch eine gewisse Mindestenergie E0 aufweist. Dieser Tatsache trägt auch Rechnung, dass die zu n=0 gehörende Eigenfunktion eine nicht-verschwindende Breite hat. Dies bedeutet, dass das Teilchen nicht exakt bei x=0 lokalisiert ist, wie man das von einem klassischen Oszillator erwarten würde, sondern sozusagen um x=0 verschmiert ist. Diesen Sachverhalt nennt man auch Nullpunktsschwingung, bzw. Nullpunktsenergie. Er ist in der folgenden Skizze als Gegenüberstellung von klassischem und quantenmechanischem System dargestellt:



Man kann diesen Sachverhalt auch über die Heisenbergsche Unschärferelation verstehen. Im klassischen Fall hat das oszillierende Teilchen die exakte Position x=0 und exakt den Impuls p=0. In der Quantenmechanik ist eine solche gleichzeitige genaue Bestimmung von Ort und Impuls nicht möglich. Die Standardabweichung beider Observablen ist über die Unschärferelation verknüpft. Somit impliziert diese, dass sowohl Ort, als auch Impuls des Teilchens nur bis zu einer unteren Grenze genau bekannt sein können. Dies bedeutet aber eine räumliche "Verschmierung" und eine gewisse kinetische Mindestenergie des Teilchens.

[Bearbeiten] Alternativer Lösungsweg: Operatormethode

Das Problem des harmonischen Oszillators in der Quantenmechanik lässt sich mithilfe der Methode der Erschaffungs -und Vernichtungsoperatoren behandeln. Sie wurde von Paul Dirac basierend auf Arbeiten von Niels Bohr und Otto Wiener entwickelt. Dieser Lösungsweg wird auch algebraische Methode genannt.

Für diesen Lösungsweg definiert man zwei Operatoren \hat a und \hat a^\dagger, die einem Oszillator jeweils ein Energiequant \hbar\omega entziehen oder hinzufügen. Man nennt sie deswegen Vernichtungs- und Erzeugungsoperator. Andere gebräuchliche Bezeichnungen sind Leiteroperatoren und Aufsteige-/Absteigeoperator. Die Notation |\psi_n\rangle (siehe auch Bra-Ket-Notation) wird hierfür in die einfachere Schreibweise |n\rangle überführt. Ein solcher Zustand heißt Fock-Zustand oder Besetzungszahlzustand, weil er die Anzahl n der Energiequanten im Oszillator angibt. Man definiert diese Operatoren so, dass sie folgende Beziehungen erfüllen:

\hat a|n\rangle=\sqrt{n}\,|n-1\rangle und \hat a^\dagger|n\rangle=\sqrt{n+1}\,|n+1\rangle

Diese Formel macht die Namensgebung sofort plausibel, weil die Anwendung von \hat a von einem höheren Energieniveau |n\rangle in ein niedrigeres Niveau |n-1\rangle führt und für \hat a^\dagger umgekehrt. Aus diesen Operatoren lässt sich noch der sog. Besetzungszahloperator \hat n=\hat a^\dagger\hat a zusammensetzen, der die Anzahl der Energiequanten in einem Zustand (also die Zahl n) liefert:

\hat n|n\rangle=n\cdot|n\rangle

Nun lässt sich der Hamilton-Operator mit diesen neuen Operatoren umschreiben, zu:

\hat H=\hbar\omega\cdot\left(\hat a^\dagger\hat a+\frac{1}{2}\right) =\hbar\omega\cdot\left(\hat n+\frac{1}{2}\right)

Die Operatoren \hat a und \hat a^\dagger lassen sich durch die kanonischen Operatore \hat x und \hat p darstellen::

  • Vernichtungsoperator: \hat a = \sqrt{\frac{m {\omega}}{2 \hbar}}  (\hat x+\frac{i \hat p}{m{\omega}})
  • Erzeugungsoperator: \hat a^{\dagger}= \sqrt{\frac{m {\omega}}{2 \hbar}}  (\hat x-\frac{i\hat p}{m{\omega}})

Zur Bestimmung der Eigenfunktionen kann man nun die Schrödingergleichung für den niedrigsten Zustand |0\rangle explizit lösen (dies ist eine sehr einfache Differentialgleichung) und erhält so dessen Ortsdarstellung. Alle weiteren Zustände erhält man dann über rekursive die Anwendung des Erzeugungsoperators auf diesen Grundzustand:

|n\rangle=\frac{1}{\sqrt{n!}}\left(\hat a^\dagger\right)^n|0\rangle


Diese Methode ist ein sehr eleganter Weg den harmonischen Oszillator zu behandeln. Sie hat aber noch wesentlich weitreichendere Anwendungen. Stellt man sich etwa elektromagnetische Strahlung, aus Photonen zusammengesetzt vor, so kommt man leicht dazu für Photonen ebenfalls Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren aufzustellen. Tatsächlich lässt sich sogar zeigen, dass man das elektromagnetische Feld als Ansammlung von harmonischen Oszillatoren beschreiben kann. Dabei steht jeder Oszillator für eine Lichtwelle bestimmter Frequenz ω. Dabei gibt dann n die Anzahl der Photonen in dieser "Mode" des Lichtfeldes an. Allgemein nennt man ein solches Vorgehen zweite Quantisierung.

[Bearbeiten] klassischer Grenzfall

Im Grenzfall großer Quantenzahlen n geht die Aufenthaltswahrscheinlichkeit in die klassische Aufenthaltswahrscheinlichkeitüber. Diese klassische Wahrscheinlichkeitsdichte ist proportional zur inversen Geschwindigkeit 1/v. Je kleiner diese Geschwindigkeit v des klassischen Teilchens im Potential ist, desto länger verweilt es an einem entsprechenden Ort. Die Geschwindigkeit kann man direkt aus dem Energiesatz ableiten. Die folgende Abbildung zeigt die klassische und die quantenmechanische Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte. Je größer n wird, desto ähnlicher werden sich die Kurven:


[Bearbeiten] Quasiklassische Zustände

Zeitentwicklung eines quasiklassischen Zustandes im harmonischen Potential
Zeitentwicklung eines quasiklassischen Zustandes im harmonischen Potential

Bringt man ein lokalisiertes Wellenpaket in ein harmonisches Potential (siehe Abbildung rechts), so verhält es sich, wie ein klassisches Teilchen in diesem Potential (daher quasiklassischer Zustand). Trifft es auf die Potentialränder, so wird es umdrehen und zurücklaufen. Effektiv führt es dann eine Schwingung im Potential aus.

Ein ganz ähnlicher Zustand wird erzeugt, wenn man ein zweiatomiges Molekül (z.B. Wasserstoff H2) mit Hilfe von intensiven Femtosekundenlasern anregt[2]. Oben wurde bereits erläutert, dass man für die Schwingung zweiatomiger Moleküle den harmonischen Oszillator als Näherung verwenden kann. In der folgenden Abbildung ist das Geschehen gezeigt:

Zunächst wird mit einem Laserpuls eine tiefliegende, schmale Wellenfunktion in einen höheren Energiezustand angehoben. Dort bleibt sie weiter lokalisiert und beginnt sich als "quasiklassischer Zustand" im Potential zu bewegen. Zur Messung wird dann ein zweiter Puls eingestrahlt, der das Molekül ionisiert. Die Position der Wellenfunktion gibt den Abstand der Atome im Molekül an. Aus der kinetischen Energie der Bruchstücke kann auf diesen Abstand und die Form des Wellenpakets geschlossen werden.


[Bearbeiten] Quellen

  • Cohen-Tannoudji, Claude / Diu, Bernard / Laloë, Franck: Quantenmechanik 1/2, 2. Auflage, Berlin - New York: Walter de Gruyter, 1999
  • J.J. Sakurai: Modern Quantum Mechanics, Addison Wesley

[Bearbeiten] Links

  • [1]: vollständige Lösung des harmonischen Oszillators mit Hilfe der algebraischen Methode
  • [2]: Darstellung der direkten Lösung des harmonischen Oszillators in der Ortsdarstellung

[Bearbeiten] Einzelquellen

  1. M. Planck: "Zur Theorie des Gesetzes der Energieverteilung im Normalspektrum", Verhandlungen der Deutschen physikalischen Gesellschaft 2(1900) Nr. 17, S. 237 - 245, Berlin (vorgetragen am 14.12.1900)
  2. Th. Ergler, A. Rudenko, B. Feuerstein, et.al.: Time-Resolved Imaging and Manipulation of H2 Fragmentation in Intense Laser Fields In: Phys. Rev. Lett. 95, 093001, 2005

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