Hildesheimer Stiftsfehde
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Die Hildesheimer Stiftsfehde bezeichnet einen 1519 ausgebrochenen Konflikt zwischen dem Hildesheimer Fürstbischof Johann IV. von Sachsen-Lauenburg (Hochstift Hildesheim) und dem Hildesheimer Stiftsadel. Ursprünglich ein rein lokaler Konflikt, entwickelte er sich zu einer Auseinandersetzung niedersächsischer Territorialfürsten. Hintergrund war die vom Hildesheimer Fürstbischof angestrebte Einlösung verpfändeter Ländereien und seine Steuerforderungen an den Stiftsadel. Geendet hat die Stiftsfehde mit dem Quedlinburger Rezess aus dem Jahre 1523.
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[Bearbeiten] Hintergrund
Im Zuge der territorialen Konsolidierung des Hochstifts strebte der Hildesheimer Fürstbischof die Einlösung der an den Stiftsadel verpfändeten Güter, welche für den Adel eine wichtige Einnahmequelle darstellten, an. Ein kleiner Teil von Adel und Ritterschaft weigerten sich aber, ihren Pfandbesitz dem Fürstbischof zurückzugeben. Parallel dazu gab es Bestrebungen des welfischen Hauses, die an das Hochstift verpfändeten Gebiete um Everstein einzulösen, wobei sich hier Differenzen zwischen der lüneburgischen Linie des Welfenhauses unter Heinrich dem Mittleren, den welfischen Linien in Braunschweig-Wolfenbüttel, Calenberg und dem Hochstift Minden abzeichneten. So erhielt Heinrich der Mittlere 1513 von Fürstbischof Johann IV. eine hohe Pfandsumme für Everstein und stellte sich somit gegen Interessen der anderen welfischen Linien.
[Bearbeiten] Bündnis zwischen dem Hildesheimer Adel und Heinrich dem Jüngeren
Als Reaktion hierauf kam es 1516 zu einem Bündnis zwischen einer kleinen Gruppe von Hildesheimischen Stiftsadeligen und Heinrich dem Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel. 1519 entwickelte sich der schwelende Konflikt zum offenen Krieg, der oft als "letzte mittelalterliche Fehde"[1] bezeichnet wird.
Bündnispartner waren auf der einen Seite der Hildesheimer Fürstbischof, die Stadt Hildesheim, Heinrich der Mittlere von Lüneburg und die Grafen von Schaumburg, Diepholz und Hoya.
Auf der anderen Seite standen der Wolfenbüttler Heinrich der Jüngere, sein Bruder Bischof Franz von Minden, Erich von Calenberg sowie eine kleine Gruppe Hildesheimische Stiftsadliger um die Ritter von Saldern.
[Bearbeiten] Schlacht bei Soltau und Verlagerung auf die reichspolitische Ebene
Nach vergeblichen Belagerungen der Festungen in Calenberg und in Hildesheim durch hildesheimische beziehungsweise braunschweigische Truppen sowie zahlreiche Verwüstungen und Plünderungszüge beider Seiten gegen die Zivilbevölkerung kam es am 28. Juni 1519 zur Schlacht bei Soltau (beim Dorf Langeloh). Die Hildesheimer besiegten die Braunschweig-Welfischen Truppen vernichtend, töteten 3.500 Männer und nahmen Ihren Gegenspieler Erich von Calenberg sowie viele Adlige gefangen, was das vorläufige Ende des Konfliktes bedeutete.
Mit der Anrufung des neugewählten Kaisers Karl V., der mit den Wolfenbüttlern gute Beziehungen hatte, fand jedoch auf politischer Ebene eine Wendung der Ereignisse statt. Der von Karl V. verhängte Schiedspruch sah die Herausgabe aller eroberten Gebiete und der Gefangenen vor und richtete sich damit in erster Linie gegen die hildesheimische Seite. Dem Schiedspruch folgte, da von Seiten des Bischofs und seiner Verbündeten nicht beachtet, 1522 die Verhängung der Acht, mit deren Vollzug die Wolfenbüttler und Calenberger Fürsten beauftragt wurden. Während Heinrich von Lüneburg bereits 1520 ins Exil nach Frankreich gegangen war, die Regierung seinen Söhnen übergeben hatte und damit das Fürstentum Lüneburg aus den weiteren Verwicklungen heraushielt, kam es zwischen dem Hildesheimer Fürstbischof und seinen Gegnern zu erneuten militärischen Auseinandersetzungen, die erst mit dem so genannten Feldfrieden vom 15. Oktober 1521 endgültig zugunsten der Wolfenbüttler Seite endeten. Hildesheim hatte zwar militärisch gewonnen, aber politisch verloren.
[Bearbeiten] Quedlinburger Rezess
Im Quedlinburger Rezess vom 13. Mai 1523 wurden nach langen Verhandlungen die territorialen Veränderungen festgeschrieben, die sich im Zuge des Konfliktes ergeben hatten. Dies bedeutete insbesondere für die Fürsten von Braunschweig-Wolfenbüttel einen großen Zugewinn, während dem Hochstift Hildesheim von ursprünglich 22 Ämtern lediglich vier Ämter sowie die Städte Hildesheim und Peine verblieben, das so genannte Kleine Stift also in etwa 90 Dörfer.
Das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel bekam die Ämter Winzenburg, Wohldenberg, Steinbrück, Lutter, Wohlenstein, Schladen, Liebenburg, Wiedelah, Vienenburg und Westerhof mit den Klöstern Lamspringe, Heiningen, Dorstadt, Wöltingerode, Ringelheim und Riechenberg, sowie die Städte Alfeld, Bockenem, Lamspringe und Salzgitter.
Das Fürstentum Calenberg erhielt die Häuser und Ämter Hundsrück mit Markoldendorf, Aerzen, Lauenstein, Grohnde, Hallerburg, Poppenburg, Ruthe und Coldingen, die Städte Dassel, Bodenwerder, Gronau, Elze, Sarstedt, sowie halb Hameln und die Klöster Marienau, Escherde, Wittenburg, Wülfinghausen und Derneburg.
Die Hildesheimer begannen sofort einen Rechtsstreit um die Rückgabe des Großen Stifts. Dieser endete erst 1643 im Hildesheimer Hauptrezess mit einer Revision des Quedlinburger Rezess und Rückgabe der Gebiete. Ausnahmen waren die Ämter Aerzen, Grohnde, Coldingen-Lauenberg, Lutter am Barenberge, Westerhof und Lindau, die bei den Fürstentümern Calenberg und Braunschweig-Wolfenbüttel verblieben.
Fürstbischof Johann IV. verzichtete 1527 auf das Bistum, wurde später Domherr im Ratzeburg und starb 1547 in Lübeck.
[Bearbeiten] Literatur
- Christine van den Heuvel, Manfred von Boetticher (Hrsg.): Politik, Wirtschaft und Gesellschaft von der Reformation bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Hahn, Hannover 1998, ISBN 3-7752-5901-5.
- Christian Heinrich Delius: Die Hildesheimische Stiftsfehde. Leipzig 1803.
- Stefan Brüdermann: Norddeutscher Hegemoniekampf (1491-1523), in: Die Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region. Appelhans, Braunschweig 2000, ISBN 3-930292-28-9.
- Helmut von Jan: Bischof, Stadt und Bürger. Aufsätze zur Geschichte Hildesheims. Bernward, Hildesheim 1985, ISBN 3-87065-375-2.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Georg Schnath Vom Sachsenstamm zum Lande Niedersachsen, in Land Niedersachsen Hannover 1976, S. 55