Historischer Tanz
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Der Begriff Historischer Tanz ist parallel zu dem der Alten Musik entstanden. Wie man am Beginn des 20. Jahrhunderts begonnen hat, Alte Musik auf nachgebauten Instrumenten wieder aufzuführen, so hat man fast zeitgleich auch begonnen, alte Tänze nach den schriftlich überlieferten Zeugnissen nachzutanzen. Ein Großteil der überlieferten Tänze sind die Tänze der höheren Gesellschaftsschichten. Aus diesem Grund wird 'Historischer Tanz' oft mit 'Höfischem Tanz' gleichgesetzt. Es existieren jedoch auch zahlreiche Quellen, in denen die Tänze des Bürgertums aufgezeichnet sind (Branles, Country Dances, Kontratänze, Ecossaise, Quadrille etc.). Der Begriff Historischer Tanz hat sich in Abgrenzung zum Volkstanz, dem Zeitgenössischen Tanz und dem klassischen Ballett als Oberbegriff für die europäische Tanzkunst des 15. bis 19. Jahrhunderts inzwischen fest etabliert.
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[Bearbeiten] Quellen und Notation
Während des Mittelalters wurden Tänze allein durch praktische Weitergabe von Tänzer zu Tänzer überliefert. Die frühesten Tanznotationen stammen aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Viele der älteren Tänze sind oft nur dem Namen nach bekannt. Vor der schriftlicher Aufzeichnung sind die Tanzformen oft nur aus ikonographischen Quellen, wie etwa Fresken, Gemälden, Zeichnungen, Buchillustrationen, Reliefs, evtl. auch Statuen und Figurinen bekannt. Im ausgehenden Mittelalter und der Frührenaissance wurden Tänze dann zunehmend von Tanzmeistern, teilweise in eigens dafür entworfenen Notationen festgehalten. Von Beginn der ersten schriftlichen Aufzeichnungen bis heute hat sich keine allgemein verständliche und von Theoretikern (Tanzwissenschaftler, Choreografen) wie Praktikern (Tänzern) gleichermaßen angewandte Tanznotation durchsetzen können. Aus diesem Grund muss man sich für jede Epoche, manchmal auch für jeden Tanzmeister bzw. Choreografen mit der entsprechenden Notation vertraut machen. Das Einarbeiten in die jeweilige Tanznotation erschwert nicht unerheblich die Rekonstruktion der Tänze.
[Bearbeiten] Renaissance
Obwohl es sich allgemein eingebürgert hat, von 'Renaissancetanz' zu sprechen, ist der Begriff ungenau. Zu unterschieden sind sicherlich die Quellen von etwa 1450-1530, sowie eine zweite Gruppen von Quellen, deren früheste 1559 (La caccia) datiert ist und etwa bis 1630 (Nachdruck von F. Carosos Nobiltà di Dame) andauert. Für die letztere Epoche hat man begonnen, den Begriff Caroso/Negri-Stil einzuführen. Bei der ersten Epoche sind wiederum die italienischen Quellen von den französisch/burgudischen Quellen zu unterscheiden.
1588 erschien in der französischen Stadt Langres ein Buch mit dem Titel Orchésographie („Die Lehre der Tanzbeschreibung“. Das Druckprivileg ist mit 22. November 1588 datiert). Darin beschrieb der Domherr von Langres Jehan Tabourot (unter dem Pseudonym Thoinot Arbeau) 35 französische Paartänze seiner Zeit. Er gab zu jeder Beschreibung ein Musikbeispiel an, meist einstimmig und dazu nicht immer vollständig. Er begann mit dem ältesten ihm bekannten Tanz, der „Basse danse“, ließ darauf die Beschreibung weiterer Gesellschaftstänze wie der „Gaillarde“ und der „Branle“ folgen, um dann gegen Ende noch einige Schautänze im Angriff nehmen, wie den Schwerttanz „Les buffons“, den Kostümtanz „La danse des Canaries“ und den lebhaften Solotanz „Morisque“.
Fast gleichzeitig erschienen auch in Italien umfangreiche Tanztraktate, so etwa von Fabritio Caroso (1525/35-1605/20) und Cesare Negri.
[Bearbeiten] Caroso/Negri-Stil
- 1559 La Caccia (Tanzbeschreibung in einem Brief an Francesco I. Medici)
- 1560 Lutio Compasso: Ballo della Gagliarda, 1560
- 1581 Fabritio Caroso: Il Ballarino, Venedig 1581.
- 1588 Thoinot Arbeau: Orchésographie, Lengres 1588.
- 1600 Fabritio Caroso: Nobiltà di Dame, Venedig 1600, (21605); (= Raccolta di varij Balli, Rom 1630).
- 1602 Cesare Negri: Le Gratie d'Amore, Mailand: G. Bordone, 1602 (Neuausgabe unter verändertem Titel: Nuove Inventioni di Balli, Mailand 1604).
- ca. 1614 Ercole Santucci: Maestro da Ballo (Name des Schreibers und Autors?); Stockholm, Carina Ari Library
[Bearbeiten] Barock und Rokoko
Eine allgemeingültigere Notation wurde erst zur Zeit Ludwigs des XIV. an der Academie Royale du Danse entwickelt. Grundzüge der dort festgelegten Schritte finden sich heute noch im Repertoire des klassischen Balletts.
Zahlreiche Country Dances finden sich z. B. in der Sammlung von John Playford The English Dancing Master, die zwischen 1651 und 1728 vielfach aufgelegt und erweitert wurde.
Online kann man die Sammlung hier einsehen:
- http://www.contrib.andrew.cmu.edu/~flip/contrib/dance/playford.html Erstausgabe
- http://www.shipbrook.com/jeff/playford/ 2. Ausgabe
- http://www.izaak.unh.edu/nhltmd/indexes/dancingmaster/ Zusammenfassung aller Ausgaben
Der französische Tanzmeister Raoul-Auger Feuillet besuchte Ende des 17. Jahrhunderts den Englischen Hof und gab daraufhin 1705 seine Orchesograpie mit Anleitungen zu English Country Dances heraus. Dabei benutzte er ein neues Notationssystem und fügte von ihm selbst entwickelte Tänze hinzu. Die Orchesographie wurde später wiederum ins Englische übersetzt.
Online befindet sich die Orchesographie hier:
- http://www.pbm.com/~lindahl/weaver/ Englische Übersetzung
In Deutschland erfuhren die Kontratänze nach John Playford besondere Aufmerksamkeit durch die Arbeit von Georg Götsch im Musikheim in Frankfurt an der Oder (1927 - 1942) und auf Burg Fürsteneck (1952 - 1956). Georg Götsch hat 64 Tänze von Playford mit einer leicht verständlichen Tanzschrift versehen und sie mit deutschem Namen in dem Heft "Alte Kontra-Tänze" herausgegeben (Möseler-Verlag, 1950 mit Rolf Gardiner). Ein zweiter Band "Neue Kontratänze" enthielt Tänze aus verschiedenen englischen Quellen (Möseler-Verlag, 1956 mit Rudolf Christl).
[Bearbeiten] Höfischer Tanz und Volkstanz
Notiert wurden jedoch in erster Linie nur höfische Tänze. Da diese aber auf das Repertoire der Volkstänze zurückgriffen und diese verfeinerten, kann man im Rückschluss auch die Tänze der einfachen Leute rekonstruieren. Volkstänze wurden erst auf Veranlassung von Johann Gottfried Herder (1744-1803) systematisch gesammelt und aufgezeichnet, der auch die Bezeichnung "Volkstanz" prägte.
[Bearbeiten] Bühnentanz
Auf den opulenten barocken Bühnen spielte der Tanz zunächst nur eine dekorative Rolle, während der inhaltliche Reichtum und die Vielfältigkeit des Ausdrucks eher durch Bühnenmaschinerie, Musik und Gesang in Szene gesetz wurden. Tanzeinlagen bildeten eine Girlande um die verschiedenen Akte, zu Beginn und am Ende eines Stückes, ohne sich direkt auf dessen Inhalt zu beziehen.
Da sich jedoch Theater und Musik gerade im Tanz zu einer Einheit zusammenfügen lassen, entwickelte sich am Hof des Sonnenkönigs Ludwigs des XIV. der Bühnentanz (Ballett), der zunehmend das sonstige Geschehen auf der Bühne auch inhaltlich einrahmte. Die Tänzer verkörperten dabei kollektive Typen, wie Hirten, Götter, Nymphen etc.
Der Bühnentanz beruhte zwar auf den für den Ballsaal konzipierten Tanzformen und Schrittfolgen, wurde aber durch virtuose Ornamente bereichert und konnte so einen gestischen und mimischen Ausdruck erreichen, der dem eher funktionalen Gesellschaftstanz im Ballsaal kaum mehr ähnelte.
Die Tanzausbildung stand neben anderen Künsten und kriegerischen Fertigkeiten von jeher auf dem aristokratischen Bildungsplan. Daher standen anfangs neben professionellen Tänzern meist auch talentierte Adlige auf der Bühne.
Ballettmeister wie Pierre Beauchamp, Jean Favier d. Ä. und Jean-Baptiste Lully, 1653 zum compositeur de la musique instrumentale de Roi ernannt, erlangten mit ihren Choreographien, die von zunehmend professionellen Tänzern ausgeführt wurden, grossen Ruhm.
[Bearbeiten] Herkunftsländer
Wie auch die Musik unterschieden sich die Tänze der verschiedenen Höfe stilistisch erheblich. Jedoch wurden die Tänze auch international verbreitet und dabei variiert und dem lokalen Stil angepasst. So finden sich die englischen Country Dances als Contredance oder Kontratanz (Kontertanz) auch in Frankreich und Deutschland.
[Bearbeiten] Tanzformen
Historische Tänze basieren oft auf Kreisformen (Reigen), der Gasse (Longway) oder folgen ganz eigenen Choreographien. Viele Tänze sind Gruppentänze, sei es als Paar in der Gruppe oder mit ständigem Partnerwechsel, es gibt solistische Tänze, Paartänze und Mischformen.
[Bearbeiten] Bälle
Bälle fanden regelmäßig an den Höfen statt und dienten der Repräsentation, der Unterhaltung und auch der Kommunikation zwischen den Tänzern und Tänzerinnen.
[Bearbeiten] Rekonstruktion
Die meisten historischen Tänze waren in Vergessenheit geraten und sind durch Tanzforscher im 20. Jahrhundert rekonstruiert und "wiederbelebt" worden.
[Bearbeiten] Tänze der verschiedenen Epochen
[Bearbeiten] Tänze der Renaissance
Pavane, Gaillarde (folgen in der Regel aufeinander)
Canario
Passamezzo, Saltarello, Moresca, Volta (Tanz)
Basse dance, Schreittanz, Deutscher Tanz
[Bearbeiten] Tänze des Barock und des Rokoko
Chaconne, Passacaglia (Tänze des Frühbarock)
Marche, Branle (Tänze in den Orchestersuiten von Lully und Rameau)
Allemande, Courante, Sarabande, Gigue (die Reihenfolge der Tänze in der deutschen Klaviersuite z.B. bei Froberger und Bach)
Menuett, Gavotte, Bourrée, Passepied, Loure, Forlane, Rigaudon (Tänze in den Orchestersuiten von Bach und Händel, werden oft auch zwischen Sarabande und Gigue in die Klaviersuite eingeschoben)
Ecossaise (Rokoko und Klassik)
[Bearbeiten] English Country Dances (Kontertanz, Kontratanz, Contredanse) (17./18. Jh.)
Jenny Pluck Pears, The Indian Queen, Jamaica, Hunt the Squirrel, The Morning Route, Nonesuch
[Bearbeiten] Tänze des 19. Jahrhunderts
Walzer, Anglaise, Française, Landler oder Ländler, Mazurka, Polonaise, Schottisch, Quadrille, Rheinländer, Galopp, Polka
[Bearbeiten] Literatur
- Renaissancetänze der Orchésographie nach Thoinot Arbeau - bearbeitet und für den tänzerischen Gebrauch neu herausgegeben von Hinrich Langeloh, Verlag der Spielleute, ISBN 3-927240-20-6 (mit CD des ‘Katharco Early Music Consort’)
[Bearbeiten] Siehe auch
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