Israelitische Religionsgemeinschaft Adass Jeschurun
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Die Israelitische Religionsgemeinschaft Adass Jeschurun in Heilbronn wurde als zweite jüdische Gemeinde 1910 als Gegenbewegung zu der reformorientierten zentralen Synagogengemeinde zu Heilbronn gegründet.
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[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Anlass
Am 26. Juni 1905 wurde das von Emil Beutinger geplante und entworfene Krematorium in Heilbronn eröffnet, eine der ersten Anlagen dieser Art in Süddeutschland. Die Einäscherung eines Mitglieds der jüd. Glaubensgemeinschaft und die Beisetzung seiner Aschenurne auf einem jüdischen Friedhof führte zur Gründung der neuen israelitischen Religionsgemeinschaft Adass Jeschurun, die sich von der zentralen Synagogengemeinde trennte.[1]. Die Kremation galt als unvereinbar, sowohl mit der Tradition der jüdischen Totenbestattung, als auch mit Maimonides (und seinem 13. Glaubensbekenntnis) und Jecheskiel (Weissagung Kap. 37 von der Auferstehung der Gebeine am Jüngsten Tage). Grund war, dass das Judentum die strenge Trennung von Leib und Seele nicht kennt. Daher umfasst auch die Vorstellung von der Auferweckung zu neuem Leben die ganze Person. Wenn nun aber die ganze Person eingeäschert würde, bestünde demnach auch keine Auferstehung.
[Bearbeiten] Personen und Leitsätze
Unter der Leitung der Heilbronner Bürger jüd. Glaubens, David Reis und Emanuel Kaufmanns entwickelt sich eine Abspaltung der zentralen Synagogengemeinde Heilbronn, die als assimiliert galt. Diese neue Gemeinschaft nannte sich die Heilbronner Israelitische Religionsgemeinschaft Adass Jeschurun. Folgende Worte des Tenach waren für die zweite Heilbronner jüdische Gemeinde maßgebend: Ihr sollt mir sein ein Volk von Priestern!
Mit diesen Worten waren insbesondere die Beachtung und Wahrung der Thoragesetze, ihrer schriftlichen und mündlichen Lehre, der 613 Gebote nach dem Schulchan Aruch gemeint. Die neue zweite jüdische Gemeinde Heilbronns verstand sich als orthodox und gesetzestreu gemäß den Ansichten des Frankfurter Rabbiners Samson Raphael Hirsch .
[Bearbeiten] "Ostjuden"
Die Ostjuden, die auch "Ostbrüder" der orthodoxen Israelitischen Religionsgemeinschaft Adass Jeschurun genannt wurden, bestanden aus sieben Familien, die von Polen hier zugezogen waren. Die Ostbrüder wurden von der Heilbronner Orthodoxie wegen ihrer Überlegenheit jüdischen Wissens und ihrem uneingeschränkten Glaubensbekenntnis bewundert und hochgeschätzt. Die "Ostjuden" wurden, weil sie als polnische Staatsbürger registriert waren auch 1938 zuerst deportiert und ermordet. Das waren Nachmann und Marie Gesinsky, Bernhard und Dina Mangel, Simon und Adele Mandellaub mit Tochter Sylvia und das Ehepaar Chaim und Pauline Schiffer.
[Bearbeiten] Vorstände
Die Vorstände der Israelitischen Religionsgemeinschaft Adass Jeschurun waren zuerst David Reis, der Onkel des Autors Der eiserne Steg, nämlich Arthur Reis, ab 1929 Heinrich Scheuer und ab 1939 Dr. Moses Strauss.
[Bearbeiten] Rabbiner
Der erste orthodoxe Rabbiner der neuen Israelitischen Religionsgemeinschaft Adass Jeschurun war Dr. Jonas Ansbacher aus Würzburg. Dem Rabbiner Ansbacher folgte kurzzeitig der Lehrer Isaak Majer, woraufhin der Gemeinde ein zweiter Rabbiner, nämlich Dr. Benno Cohen zur Verfügung stand. Der dritte Rabbiner war Dr. Gerson Feinberg und der vierte Kurt Flamm. Die Familie Feinberg mit Ausnahme des Sohnes Esra wurde deportiert und ermordet.
[Bearbeiten] Betsaal
Der Betsaal der Israelitische Religionsgemeinschaft Adass Jeschurun (eingeweiht im Jahr 1911 ) befand sich im hinteren Teil des Gebäudes Uhlandstraße 7, das der jüd. Familie Rosenstein gehörte. Dort war ein 80 qm großer Raum, der früher gewerbl. Zwecken gedient hatte und nun zum Betsaal umgewidmet worden war. Rabbinerwohnung war zuerst das Gebäude Uhlandstraße 7, wo auch der erste Rabbiner gewohnt hatte. Die zweiter Rabbinerwohnung war die Bismarckstraße 3a , das genauso der Israelitschen Religionsgemeinschaft Adass Jeschurun gehört hatte. Dort wurde 1920 auch eine Mikwe für die Gemeindemitglieder eingerichtet. Die Israelitische Gemeindepflege und das Israelitische Kirchenvorsteheramt befanden sich in der Roßkampfstraße 21.
Der Betsaal war in einen kleinen Vorraum und einem Hauptraum untergliedert:
Im Vorraum befand sich die Garderobe für die Kohen und ein Waschbecken für die Händewaschung des Leviten vor der bracha.
Durch den Vorraum gelangte man in den Betsaal, in dem fünfzig Bänke für die männlichen Gemeindemitglieder vorhanden waren. Hinter einem durchsichtigen Vorhang waren zusätzlich Frauensitzplätze mit zwanzig Bänken angebracht worden. Der Aron ha'kodesch (hebr.: ארון הקודש, dt.: „Heilige Lade” ), war ein Schrein, wo mehrere Thorarollen mit ihrem Schmuck für die Verlesung der jeweiligen Parascha (hebr.: פרשה, dt.:„Wochenabschnitte“) aufbewahrt wurden. Eine der Thorarollen der Religionsgemeinschaft Adass Jeschurun war am 11. Januar 1933 von dem damaligen Vorsteher Heinrich Scheuer und Moses Reis gespendet worden.Die heilige Tora (hebr.: תורה) wurde aus dem Schrein ausgehoben und auf den Almemortisch zum Vorlesen der Thora gelegt.
Hier lag die Schönheit in der Handarbeit: ob nun in der Stickerei der Vorhänge des Aron ha'kodesch der Decken für den Almemortisch und die Mäntelchen der Tora (hebr.: תורה) mit Goldfäden als auch in den bunten Wimpfeln die handbemalt waren.
[Bearbeiten] Zerstörung und Shoa
1933 zählte die Gemeinschaft Adass Jeschurun etwa 60 Mitglieder. 1935 ging die Mitgliederzahl auf 40 bis 45 zurück. Am Morgen des 10. November 1938, dem Tag nach der Reichspogromnacht, wurde der Betsaal verwüstet. Der Luftangriff auf Heilbronn zerstörte das Gebäude.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literaturverzeichnis
- Franke, Hans: Geschichte und Schicksal der Juden in Heilbronn . Heilbronn 1963
- Reis, Arthur: Der eiserne Steg. Heilbronn, 1987.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Reis: "Der eiserne Steg". Seite 18