Kindheit
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Die Kindheit ist der Zeitraum im Leben eines Menschen von der Geburt bis zur geschlechtlichen Entwicklung (Pubertät). Kindheit ist dabei mehr ein kultureller, sozialer Begriff denn ein biologischer.
In der Kindheit genießt ein Mensch eine besondere rechtliche Stellung, diese ist durch so genannte Kinderrechte geregelt. Die Rechtsfähigkeit des Kindes beginnt »mit der Vollendung der Geburt« (so § 1 Bürgerliches Gesetzbuch), seine Geschäftsfähigkeit und Strafmündigkeit stufenweise später.
Siehe auch: Kind, Kinderkleidung, Entwicklung, Soziologie der Kindheit, Jugendsoziologie.
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[Bearbeiten] Kindheit als soziale Konstruktion
Heute ist es selbstverständlich geworden, Kinder als sich entwickelnde Menschen zu betrachten. Kindheit ist mittlerweile durch Erwerbsfreiheit und Lernen gekennzeichnet, wobei die Rechte der Kinder auf Schutz, Erziehung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit immer weiter ausgebaut werden. Der Erwachsene ist zu einem „Anwalt des Kindes“ (Honig, Leu, Nissen 1996: 9) geworden.
In der neueren Kindheitsforschung bereitet sich jedoch die Tendenz aus, Kinder nicht mehr nur als „Menschen in Entwicklung“ (10) zu sehen, sondern auch als „Personen aus eigenem Recht (19). Entwicklung wird als Metapher der Bevormundung zurückgewiesen, da durch sie Kindheit zu einem Übergangstadium zum Erwachsensein reduziert wird. Es setzt sich die Vorstellung durch, dass es keinen konstanten Naturzustand des Kindes gibt sondern Problemkonstellationen des Aufwachsens, die je nach kulturellem Kontext verschieden sind (Lange 1995; Schäfer 1997). Die Natur des Kindes wird als zeitlich und räumlich variabel angesehen. „The immaturity of children is a biological fact of life but the ways in which this immaturity is understood and made meaningful is a fact of culture“ (Prout & James 1990: 7)
Die subjektiven Bedürfnisse, Wünschen und Interessen des Kindes werden hervorgehoben und das Einzelindividuum erfährt eine besondere Bedeutung. Wo Kindern früher kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde, werden sie heute ernstgenommen und ihre eigenen Standpunkte treten in den Vordergrund: Kinder werden zunehmend als junge Bürger betrachtet, die eigene Vorstellungen von ihrem Leben in der Gesellschaft haben und durchaus in der Lage sind, ihre Bedürfnisse selbständig zu formulieren (ZINNECKER 1996). Hinter dem Wandel der Einschätzungen stehen laut Zinnecker (1996: 3) zwei Leitideen: Partizipation und Glaubwürdigkeit. Da es einem progressiven (Selbst-) Verständnis einer demokratischen Gesellschaft widerspricht, wenn ganze Bevölkerungsgruppen von der politischen Gestaltung ausgenommen werden, ist es nur natürlich, dass die Bemühungen, die Gruppe der Kinder in diese einzubeziehen, stärker werden (4). Kinder werden außerdem zunehmend als „Autoritäten in eigener Sache“ (3) betrachtet. Es werden beispielsweise nicht mehr nur erwachsene Experten des Kinderlebens befragt, sondern Kinder werden selbst in Untersuchungen einbezogen. Die Grundlage für diese Leitideen bildet nach meiner Einschätzung vor allem die sich durchsetzende Vorstellung Kindheit als Konstruktion anzusehen. „Konstruktionen von Kindheit sind soziale Repräsentationen, die durch die Werte, die eine Gesellschaft Kindern zumisst, die Meinungen, die sie über Kinder hat usw. geschaffen werden“ (Bickler 2002: 24).
Glogger-Tippelt & Tippelt (1986) begründen die Betrachtung von Kindheit als soziale Konstruktion anhand von zwei Argumenten. Eine Erklärung sehen sie darin, dass unterschiedliche historische Epochen verschiedene Vorstellungen von Kindheit und kindlicher Entwicklung hervorgebracht haben. Ein zweites Argument sehen sie in den unterschiedlichen Vorstellungen von Kindheit und kindlicher Entwicklung in verschiedenen Kulturen. Dies bedeutet dass es keine festen Kriterien gibt, anhand derer „das Kind“ in jeder Gesellschaft und zu jedem Zeitpunkt beschrieben werden kann. Es existieren auch keine allgemeingültigen Definitionsmerkmale, vielmehr sind die historisch gewachsenen, individuellen und gesellschaftlichen Vorstellungen ausschlaggebend für die Erwartungen, die an Kinder gestellt werden.
[Bearbeiten] Lage der Kinder in den Industrieländern
2007 legte die UNICEF eine internationale Studie zur Lage der Kinder in 21 Industrieländern vor. Am günstigsten wurde die Lage in den Niederlanden beurteilt, auf den letzten Plätzen landeten die USA (Platz 20) und Großbritannien (Platz 21). Deutschland belegte Platz 11.
Neben der materiellen Situation wurden die Gesundheit, Bildung, Beziehungen zu Eltern und Gleichaltrigen, Lebensweise und Risiken sowie die eigene Einschätzung der Kinder und Jugendlichen berücksichtigt.
Zur Kinderarmut wurde der Prozensatz der Kinder ermittelt, die in Haushalten leben deren Einkommen unter 50% des Median-Einkommens liegt. Dieser Prozensatz liegt in Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland unter 5%, in Deutschland über 10%, in Großbritannien über 15% und in den USA über 20%.
"Mehr als die Hälfte der 15-jährigen Deutschen sagen, dass ihre Eltern kaum Zeit haben, sich mit ihnen zu unterhalten. In Ungarn und Italien machen nur etwa ein Viertel der Jugendlichen diese Erfahrung. Deutsche Eltern reden offenbar besonders selten mit ihren Kindern - Deutschland liegt in dieser Hinsicht auf dem letzten Platz." [1]
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Literatur (Geschichte, Soziologie und Politik)
- Dr. Herbert Schweizer, Soziologie der Kindheit (VS Verlag ISBN: 978-3-531-14222-7)
- Klaus Arnold: Kind und Gesellschaft in Mittelalter und Renaissance. Beiträge und Texte zur Geschichte der Kindheit, Paderborn 1980 (Sammlung Zebra, hrsg. von Winfried Böhm, Reihe B, Bd. 2), 201 S., 8 Abb.
- Philippe Ariès, Geschichte der Kindheit, München: dtv, 1978, Neuausgabe 2003
- Thomas Altgeld, Petra Hofrichter, Reiches Land, kranke Kinder? Gesundheitliche Folgen von Armut bei Kindern und Jugendlichen, Mabuse-Verlag 2000, ISBN 3933050219
- Heinz Hengst: Kindheit als Fiktion. Frankfurt am Main 1981, Suhrkamp-Verlag, ISBN 3518110810
- Bickler, Daniela (2002): Zielgruppe Kind. Handlungsspielräume eröffnen. Abhängigkeiten vermeiden. Marburg (Tectum).
- Gloger-Tippelt, Gabriele; Tippelt, Rudolf (1986): Kindheit und kindliche Entwicklung als soziale Konstruktionen. In: Bildung und Erziehung, 39. Jg., S. 149-164.
- Honig, Michael-Sebastian; Leu, Hans Rudolf; Nissen, Ursula (Hrsg.) (1996): Kinder und Kindheit. Soziokulturelle Muster - sozialisationstheoretische Perspektiven. Weinheim (Juventa).
- Joe L. Kincheloe, Kinderculture: The Corporate Construction of Childhood, Westview Press Inc.,U.S., 1997, ISBN 081332310X
- Shahar, Shulamith: Die Kindheit im Mittelalter, Düsseldorf 1990.
- Shorter, Edward: Die Geburt der modernen Familie, Reinbek 1990.
- Weber-Kellermann, Ingeborg: Die Kindheit - eine Kulturgeschichte, Frankfurt am Main: Insel 1997.
- Zinnecker, Jürgen (1996): Kinder im Übergang. Ein wissenschaftlicher Essay In: Aus Politik und Zeitgeschichte, H. B 11, S. 3-10.
[Bearbeiten] Literatur (Psychologie)
- R. Oerter und L. Montada (Hrsg.): Entwicklungspsychologie. Weinheim: Beltz 2002. 1200 Seiten - 5. Aufl. ISBN 3621274790
- Peter Rossmann "Einführung in die Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters" Huber, Bern. 1996 - 4. A. ISBN 3-456-82723-7
[Bearbeiten] Literatur (Kindheit im Film)
- Chuck Jackson, "Little, Violent, White: The Bad Seed and the Matter of Children - Critical Essay" in: Journal of Popular Film and Television, Summer, 2000
- Emma Wilson, Cinema's Missing Children, Wallflower Press 2003
- Kinderfilme - Versuche einer Grenzziehung : deutscher Dokumentarfilm für große und kleine Kinder aus neun Jahrzehnten ; Retrospektive des Bundesarchiv-Filmarchivs während des 42. Internationalen Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm ; [27.10. bis 31.10.1999] / [Hrsg.: Bundesarchiv-Filmarchiv Berlin. Red.: Karla Schröder]. - Berlin : Bundesarchiv-Filmarchiv, 1999
[Bearbeiten] Filme über Kinder (ohne Kinderfilme)
- 1932 Umareweta Mitakeredo – Ich wurde geboren, aber …, Regie: Yasujiro Ozu, Japan
- 1933 Betragen ungenügend, Regie: Jean Vigo, Frankreich - Lange Zeit in Frankreich von der Zensur verboten
- 1943 Hitler's Children, Regie: Edward Dmytryk, USA
- 1959 Sie küssten und sie schlugen ihn, Regie: François Truffaut, Frankreich
- 1960 Zazie, Spielfilm, Regie: Louis Malle, Frankreich
- 1962 Ivans Kindheit, Regie: Andrei Arsenjewitsch Tarkowski, UdSSR
- 1968 L’enfance nue, Regie: Maurice Pialat, Frankreich
- 1969 Kinder sind keine Rinder, Regie: Helke Sander, Deutschland - Dokumentarfilm über den ersten Kinderladen,
- 1974 Alice in den Städten, Regie: Wim Wenders, Deutschland
- 1975 Die Kinder der Unterentwicklung, Regie: Carlos Alvarez, Kolumbien - Dokumentarfilm über die Lebensbedingungen der kolumbianischen Kinder
- 1982 Fanny und Alexander, Regie: Ingmar Bergman, Schweden
- 1986 Two Friends, Regie: Jane Campion, Australien
- 1998 Die kleine Verkäuferin der Sonne, Spielfilm, Regie: Djibril Diop Mambéty, Senegal
- 1996 Hide and Seek, Regie: Sue Friedrich, USA
- 1999 Arbeitende Kinder in Matagalpa, Dokumentarfilm, Deutschland
[Bearbeiten] Quellen
[Bearbeiten] Weblinks
Unicef-Studie: Child poverty in perspective: An overview of child well-being in rich countries]