Klaviersonate Nr. 32 c-Moll op. 111 (Beethoven)
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Beethovens letzte Klaviersonate hat die Fantasie unzähliger anderer Künstler beschäftigt - Thomas Manns Auseinandersetzung mit diesem Werk in "Dr. Faustus" ist dabei nur die Spitze des Eisberges. Adorno sprach im Zusammenhang mit diesem Satz in der Ästhetischen Theorie von "Eros und Erkenntnis".
Die 32. Klaviersonate c-Moll ist, das ist bereits ungewöhnlich, in zwei Sätzen geschrieben, die sich in einer Art dialektischer Auseinandersetzung gegenüber stehen. Ihre Aufführungsdauer beträgt durchschnittlich etwas weniger als 10 Minuten für den ersten und fast 20 Minuten für den zweiten Satz.
Es wird überliefert, Beethoven habe auf die Frage, warum er nicht noch einen dritten Satz geschrieben hätte, geantwortet, er hätte keine Zeit gehabt. Diese Erklärung erscheint aber unwahrscheinlich, da keinerlei Skizzen für einen dritten Satz vorhanden sind, es ist eher anzunehmen, dass die letzte Sonate von Anfang an aus zwei Sätzen bestehen sollte.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Entstehungsgeschichte
Die letzten drei Klaviersonaten Beethovens, op. 109, op. 110 und op. 111 waren als ein großer Komplex geplant, und so auch alle drei zusammen an den Berliner Verleger Adolph Martin Schlesinger im Jahre 1820 verkauft. Jedoch kam es zu Verzögerungen zwischen der E-Dur-Sonate und den letzten beiden – Beethoven war von Krankheit gebeutelt, außerdem beschäftigte die Arbeit an der Missa Solemnis und dem Bagatellenzyklus op.119.
Am Ende 1821 begannen dann die Arbeiten an der Sonate c-Moll. Die Themen der Sonate haben Beethoven wie so oft jahrzehntelang beschäftigt, einige hätten bereits 1801 Eingang in andere Werke finden sollen. Recht schnell entstand dann das erste Manuskript am 13. Januar 1822 – keine drei Wochen nach Fertigstellung der As-Dur-Sonate! Im Frühling desselben Jahres schickte Beethoven die erste Version nach Berlin, bald darauf wollte er jedoch Änderungen vornehmen, es kam zu Verzögerungen. Erst im April 1823 verlegte der Sohn Schlesingers Maurice in Paris die Sonate, jedoch mit so vielen Fehlern, dass Beethoven Anton Diabelli bat, eine korrigierte Ausgabe herauszubringen.
[Bearbeiten] Widmung
Auch die Widmungsgeschichte ist etwas konfus – zunächst stellte es Beethoven seinem Verleger frei, wem die Sonate zugeeignet sein sollte (wem sie wollen). Alsbald (Juni 1823), möglicherweise als Entschuldigung für die Verschleppung der Missa Solemnis, widmete Beethoven sie dem Erzherzog Rudolph von Österreich, nur um später Antonie Brentano als Widmungsträgerin zu favorisieren. Letztere konnte dann aber nur noch in einer Londoner Edition auf dem Titelblatt erscheinen, heute gilt der Erzherzog als offizieller Widmungsträger.
[Bearbeiten] Aufbau
[Bearbeiten] Erster Satz
Maestoso - Allegro con brio ed appassionato (c-Moll, 4/4-Takt)
Der erste Satz beginnt mit einer Maestoso-Einleitung, die harmonisch mehrdeutig eine dramatische Hinführung zum Hauptsatz darstellt. In übermäßig punktierten, verminderten Septakkord-sprüngen wird die Tonika c-Moll bis auf kurz in T.2 eigentlich nicht erreicht. Nach dem Forte-Beginn spalten sich die punktierten Rhythmen in eine chromatisch geprägte Pianissimo-Passage ab, ehe sie sich über einem crescendo in Achteln auflösen. Schon fast dissonant führen diese Achteln nun zu einem Triller auf dem tiefsten G im Pianissimo, auf dem der erste Satz ins Allegro überwechselt, und in das Hauptthema mündet.
Dieses Thema bestimmt nun den Sonatensatz, der von Wechseln in der Dynamik, aber auch in der Bewegung selber geprägt ist. Auf still verklingende Adagio-Passagen folgen plötzlich ausbrechende Fortissimi, die ihrerseits alsbald wieder ersterben. Beethoven verwendet hierbei die verschiedensten, aber wie so oft in seinem Spätwerk hauptsächlich polyphone Satztechniken, in denen das Thema immer wieder verarbeitet wird.
Die absteigenden Achteln des ersten Themas verwandeln sich so zum Beispiel in ein elftaktiges Unisono aus Sechzehntelnoten, ehe wieder der Beginn nun von Achteln begleitet ertönt. Beethoven verlangsamt dabei immer wieder das Tempo in "ritenente"- und Adagio-Passagen. Die Überleitung zum zweiten Thema ist durchweg kontrapunktisch angelegt und moduliert nach As-Dur, das erste Thema wird hier immer noch mehrfach aufgenommen. So ist auch das zweite Thema, das aus über große Räume verteilte Halben im Fortissimo erklingt, als Variante des ersten zu erkennen, insbesondere die absteigende, nun jedoch punktierte Melodie, die vor dem erneuten ritardando erklingt. Auch der Schlussteil der Exposition ist vom ersten Thema, nun leicht verändert, geprägt.
In der Durchführung (nun g-Moll) wird die polyphone Auseinandersetzung wieder aufgenommen, das Thema erklingt erst in Oktaven (in der Form des Schlussteiles der Exposition), unter anderem mit Trillerbegleitung, schließlich gar in Akkordform.
Die Reprise setzt wieder auf der Tonika an und intensiviert und verlängert insbesondere die Passagen zwischen den Themen. Dabei sind die Unterschiede zwischen Exposition und Reprise teilweise recht bedeutend.
Nach dem die Reprise auf Unisono-Läufen endet, beginnt die recht kurze Coda mit einem Diminuendo aus Halbeschlägen. Im Anschluss ein ganz neuer Gedanke in der rechten Hand, begleitet von Sechzehnteln, der endlich auf C-Dur im Pianissimo ermattet.
[Bearbeiten] Zweiter Satz
Adagio molto semplice e cantabile (C-Dur, (zunächst) 9/16-Takt)
Doch es ist das Adagio, dieser riesige (20 Minuten lange) Variationssatz auf die mystische Arietta zu Beginn, der das eigentliche Geheimnis dieser Sonate ausmacht. Dieser Satz wird von vielen Pianisten als einer der sublimsten Momente im ganzen Repertoire angesehen.
Das Thema besteht aus zweimal 8 Takten, beide Teile werden wiederholt, der erste steht in C-Dur, und wird gemeinhin als der friedliche, kontemplative angesehen, während der zweite teilweise in a-Moll steht, und zwar nicht die Spannung des ersten Satzes aufbaut, jedoch einen Kontrastpunkt darstellt.
Die ersten drei Variationen orientieren sich an diesem Aufbau und behalten auch den 2-zu-1-Rhythmus der Arietta bei. Wie so oft bei Beethoven zeichnen sich diese Variationen durch den sich jeweils ständig verkürzenden Rhythmus aus, wobei der Komponist dabei äußerst ungewöhnliche Takteinteilungen vornimmt (schließlich vom 9/16-Takt in der Arietta zum 12/32-Takt in der dritten Variation, in der Igor Strawinsky einen Boogie-Woogie erkannt haben will – auf den ersten Blick sind die Rhythmen zwar vergleichbar, jedoch wird zumeist mit der bei Beethoven vorgenommenen Intensivierung etwas anderes als ausgelassener Tanz verbunden).
Hiernach beginnt in der 4. Variation die Auflösung des ursprünglichen Rhythmus zugunsten frei fließender 32stel-Triolen-Tremoli, über denen das variierte Thema in Akkorden erscheint, zunächst im Bass, dann im Diskant. Das Thema erscheint hier rhythmisch verschoben, doch über den Triolen verschwindet der Synkopencharakter sehr schnell und das Thema "schwebt". Beethoven verändert nun auch die Form und variiert die beiden Teile, anstatt sie zu wiederholen.
Diese Auflösung der klaren Melodieverläufe zu Gunsten des reinen Klangs findet ihren vorläufigen, auch dramatischen Höhepunkt auf einem scheinbar unendlichen Triller (kurz sogar dreistimmig!) im Zwischenteil zwischen 4. und 5. Variation, in dem nach Es-Dur moduliert wird.
Hiernach noch einmal die Oberstimme des Themas in der Originalgestalt, wiederum mit Triolen in der Begleitung und einer zusätzlichen Stimme unter der Melodie.
Schließlich führt Beethoven das Thema noch einmal in einer Art Coda an, diesmal jedoch über einen beständigen, 11 Takte langen Triller in der rechten Hand gespielt, ehe der ganze Satz nach einer schnellen, aber friedlichen Passage auf einfachen C-Dur-Akkorden Pianissimo ausläuft.
[Bearbeiten] Aufnahme
Klaviersonate Nr.32 op.111 in c-Moll, Erster Satz (Datei, ?) Klaviersonate Nr.32 op.111 in c-Moll, Zweiter Satz (Datei, ?)
[Bearbeiten] Weblinks
- Das Beethoven-Haus in Bonn mit der Originalpartitur, Briefen und Skizzen
- Raptus Association for Music Appreciation Hintergrundinformationen und Analysen zu allen Werken des Meisters
- Alfred Brendels Gedanken über die 32 Klaviersonaten in Essayform (englisch)
[Bearbeiten] Literatur
- Joachim Kaiser Beethovens zweiunddreißig Klaviersonaten und ihre Interpreten Fischer Tb, (1999) ISBN 3596236010
- Siegfried Mauser Beethovens Klaviersonaten C.H. Beck (2001) ISBN 3406418732
- Jürgen Uhde Beethovens Klaviermusik Reclam (2000) ISBN 3150101514
Siehe auch: