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Kollektive Intelligenz

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Kollektive Intelligenz ist ein emergentes Phänomen: Kommunikation innerhalb einer sozialen Gemeinschaft schafft intelligente Verhaltensweisen des „Superorganismus”, d.h. aller Individuen. Neben systemtheoretischen Ansätzen gibt es auch soziologische und pseudowissenschaftliche Erklärungsversuche dafür. So versteht eine soziologische Interpretation unter kollektiver Intelligenz gemeinsame, konsensbasierte Entscheidungsfindung; nach Ansicht des britischen Biologen Rupert Sheldrake liegt ein nicht näher definiertes biologisches (und potentiell gesellschaftliches) morphisches Feld zugrunde, das eine „formbildende Verursachung“ für die Entwicklung von Strukturen sein soll. Kollektive Intelligenz ist ein altes Phänomen, auf das Fortschritte in Informations- und Kommunikationstechnologien neu und verstärkt hinweisen. Das Internet vereinfacht wie nie, dezentral verstreutes Wissen der Menschen zu koordinieren und so deren kollektive Intelligenz nutzbar zu machen.


Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Beispiele

Klassisches Beispiel ist der Ameisenstaat. Intelligenz ist bei keinem der beteiligten Individuen festzustellen. Im Gegenteil haben Einzelameisen sehr begrenzte Verhaltens- und Reaktionsrepertoires. Erst im selbstorganisierenden Zusammenspiel ergeben sich neue, intelligent erscheinende Verhaltensmuster.

In gewisser Weise ist auch ein Gehirn ein solcher Superorganismus aus für sich „dummen” Individuen, nämlich den Neuronen. Ein Neuron ist annähernd nichts weiter als ein Integrator mit Reaktionsschwelle, genauer, einer sigmoiden Reaktionskurve. Erst die komplexe Zusammenwirkung von Milliarden von Neuronen ergibt, was wir unter Intelligenz verstehen.

Auch der Cyberspace wurde schon als Paradigma für kollektive Intelligenz bezeichnet. In dem heutigen Zustand des Internet mit seinen Milliarden von größtenteils unzusammenhängenden, statischen Dokumenten sollte man vielleicht vorsichtiger von kollektivem (Un-)Wissen sprechen (ein Stichwort Informationsmüll). Allerdings werden Internetinhalte zunehmend dynamischer (Beispiele: Newsfeed, Blogs, Wikis).

[Bearbeiten] Schwarmintelligenz

Schwarmintelligenz (engl. swarm intelligence), das Forschungsfeld der Künstlichen Intelligenz (KI), das auf Agententechnologie basiert, heisst auch Verteilte Künstliche Intelligenz (VKI). Das Arbeitsgebiet versucht, komplexe vernetzte Softwareagentensysteme nach dem Vorbild staatenbildender Insekten wie Ameisen, Bienen und Termiten, sowie teilweise auch Vogelschwärmen zu modellieren. G. Beni und J. Wang hatten den Begriff swarm intelligence 1989 im Kontext der Robotikforschung geprägt.

Die Individuen staatenbildender Insekten agieren mit eingeschränkter Unabhängigkeit, sind in der Erfüllung ihrer Aufgaben jedoch sehr zielgerichtet. Die Gesamtheit solcher Insektengesellschaften ist überaus leistungsfähig, was Forscher auf eine hochgradig entwickelte Form der Selbstorganisation zurückführen. Zur Kommunikation untereinander nutzen Ameisen beispielsweise Pheromone; Bienen den Schwänzeltanz. Ohne zentralisierte Form der Oberaufsicht ist das Ganze also mehr als die Summe der Teile.

Die VKI-Forschung geht davon aus, dass die Kooperation künstlicher Agenten höhere kognitive Leistungen simulieren kann; Marvin Minsky bezeichnet dies als Society of Mind. Ein Einsatzbeispiel für diese so genannten Ameisenalgorithmen stellten Sunil Nakrani von der Universität Oxford und Craig Tovey vom Georgia Institute of Technology 2004 auf einer Konferenz über mathematische Modelle sozialer Insekten vor; sie modellierten die Berechnung der optimalen Lastverteilung bei einem Cluster von Internet-Servern nach dem Verhalten der Bienen beim Nektarsammeln (vgl. [1]).

Für die Kommunikation zwischen den Agenten wird häufig die Knowledge Query and Manipulation Language (KQML) eingesetzt.

[Bearbeiten] Vom Netzwerk zum Schwarm

Neben dem Forschungsfeld der VKI ist Schwarmintelligenz auch ein unscharfes Mode-Schlagwort, wie bereits ab etwa 2000 das Peer-to-Peer. Während letzteres antrat, das Paradigma der Client-Server-Architektur durch dezentralisierte P2P-Architekturen abzulösen, soll Schwarmintelligenz nun hardwarebasierte Netzwerke ersetzen. So formuliert Howard Rheingold in Smart Mobs: „The ‚Killer-Apps’ of tomorrow's mobile infocom industry won't be hardware devices or software programs but social practices.”. Dem Leitbild der Schwarmintelligenz wird das Potential unterstellt, Gesellschaft und Märkte zu transformieren. Als Beispiel hierfür werden Smart Mobs wie die Critical Mass-Bewegung angeführt.

Francis Heylighen, Kybernetiker an der Freien Universität Brüssel, betrachtet das Internet und seine Nutzer als Superorganismus: „Eine Gesellschaft kann als vielzelliger Organismus angesehen werden, mit den Individuen in der Rolle der Zellen. Das Netzwerk der Kommunikationskanäle, die die Individuen verbinden, spielt die Rolle des Nervensystems für diesen Superorganismus”. Der Schwarm ersetzt das Netzwerk dabei also nicht, sondern bildet nur die Basis. Diese Sicht geht konform mit der Betrachtung des Internet als Informationsinfrastruktur. Die Bedeutung des Begriffes verschiebt sich dabei jedoch weg von künstlicher Intelligenz hin zu einer Art Aggregierung menschlicher Intelligenz.
Auch die Didaktik greift das Konzept auf. So lässt sich eine Lernergruppe als Ansammlung von Menschen betrachten, die - wie Neurone im Gehirn - durch intensive Interaktion neues Wissen konstruieren. Das Prinzip liegt der Unterrichtsmethode Lernen durch Lehren (LdL) zugrunde. Sie gestaltet die Lernergruppe zum neuronalen Netz mit der Aufgabe, kollektiv Wissen zu produzieren.

[Bearbeiten] Globales Bewusstsein

Unter dem Begriff Morphische Felder versucht Rupert Sheldrake, verschiedene Phänomene bei der Staatenbildung von Insekten und genetischen Anordnung von DNA-Bausteinen, der kollektiven Intelligenz von menschlichen Gruppen und paranomale Geistesleistungen zu subsumieren. Einen Rückkoppelungsmechanismus (morphische Resonanz), der sowohl zu Veränderungen an dem beteiligten System führt, als auch von dem Systembeteiligten selbst wahrgenommen wird, belegt er bisher allerdings nicht. Die Kultur- und Religionswissenschaften rezipieren das Konzept.

Forscher an der Princeton University befassen sich unter der Leitung von Roger Nelson seit 1988 mit dem Phänomen der kollektiven Wahrnehmung von Menschen und haben dazu Messtationen auf der ganzen Welt stationiert. Das "Global Consciousness Project" sammelt die empirischen Daten und vergleicht sie mit der Nachrichtenlage, um zu erkennen, ob ein Ereignis bereits, bevor die Nachricht verbreitet wurde, neuronale Reaktionen hervorruft. Hierzu wurden signifikante, wenn auch minimale empirische Belege geliefert [1]

[Bearbeiten] Anwendungsfelder des Prinzips der kollektiven Intelligenz

[Bearbeiten] Kollektive Intelligenz im Unterricht

Es ist naheliegend, dass an Orten, an denen gemeinsam nachgedacht und kollektiv Wissen konstruiert wird, das Prinzip der kollektiven Intelligenz besondere Beachtung findet. So wird versucht, Lernergruppen so umzugestalten, dass die Ressourcen der einzelnen Lerner stärker ausgeschöpft werden als es bei dem tradierten Frontalunterricht der Fall ist. Das Gehirn wird als Modell herangezogen und die Lerner werden metaphorisch als Neurone definiert. Auf der Basis intensiver Interaktionen zwischen den Lernern "emergieren" kollektive Gedanken. Dieses Prinzip wird in der Unterrichtsmethode Lernen durch Lehren systematisch eingesetzt.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Quellen

  1. siehe Current Results, Empirical Normalization unter http://noosphere.princeton.edu

[Bearbeiten] Literatur


[Bearbeiten] Fiktion

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Kollektive Intelligenz in der Informatik

[Bearbeiten] Kollektive Intelligenz in Gesellschaft, Ökonomie und Management

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