Kreisgrabenanlage
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Kreisgrabenanlagen oder Ringgrabenanlagen werden auch als Erdwerke bezeichnet. Sie sind Bauwerke neolithischer Kulturen Mitteleuropas kommen unter anderen Bezeichnungen aber auch auf den Britischen Inseln vor. Bei den ältesten handelt es sich um kreisförmige oder elliptische Gruben-Wallkombinationen aus dem Mittelneolithikum, der Zeit zwischen 5.500 Bandkeramik und 3.500 Trichterbecherkultur (TBK) v. Chr.
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[Bearbeiten] Verbreitung
Die mittelneolithischen Grabenanlagen in Mitteleuropa sind primär mit der Linienbandkeramik, bzw. Stichbandkeramik, Lengyel-Kultur Michelsberger Kultur und TBK verbunden. Die "Kreisgraben-Idee" hatte sich nach Auffassung der Archäologen seit der Mitte des 6. Jahrtausend v. Chr. über mehrere Kulturen ausgebreitet. Die Verbreitung umfasst Deutschland Tschechien, die Slowakei Dänemark und Österreich,
Mit Hilfe der Luftbildarchäologie konnten seit 1989 rund 120 zusätzliche Rondelle ermittelt werden. So wurden allein in Niederösterreich seit Beginn einer systematischen Luftbildarchäologie ca. 50 neue Kreisgrabenanlagen gefunden. Aber auch spektakuläre Funde in der Slowakei, in Böhmen und Mähren, in Niederbayern an der Isar, entlang der Elbe im Elbe-Saale-Kreis, in Sachsen, Thüringen und Sachsenanhalt wurden gerade in jüngster Zeit gemacht, z.B. Immendorf.
Neue Untersuchungen zeigen, dass Kreisgrabenanlagen nicht nur während der Epoche der Jungsteinzeit erbaut wurden. So konnten u.a. in Sachsen-Anhalt durch Forschungsgrabungen auch Rondelle des Endneolithikums und der Frühbronzezeit sowie der Spätbronzezeit ergraben werden.
[Bearbeiten] Aufbau
Die Anlagen sind unterschiedlich gestaltet. Sie verbinden jedoch einige Gemeinsamkeiten. Sie bestehen aus ein bis drei (vereinz. bis fünf(?), nicht immer ganz konzentrischen, kreisförmigen oder elliptischen Grubenketten mit einem Durchmesser von 40 bis 300 m. Bei zweikreisigen Anlagen folgen die Durchmesser dem Verhältnis 2:3 oder 3:4, in seltenen Fällen auch 1:2. Die Gruben haben einen spitzen, steilen v- oder sogar y-Querschnitt, sind 4 bis 8 Meter, z.T. auch 10 m breit und erreichen Tiefen zwischen 3 und 6 m. Die verschiedenen Grabenringe sind gleich breit oder nehmen von innen nach außen in der Breite ab. Meist weisen sie 2 bis 4 und mehr regelmäßige Unterbrechungen auf, die in Großbritannien viel zahlreicher sind. Eine Erdbrücke bildet stets den Zugang zum inneren Bereich. Manche sind mit regelrechten Toranlagen ausgestattet. Im Inneren folgen mitunter ein oder mehrere (bei Anlagen wie Quenstedt ) konzentrische Palisadenringe aus Holzstämmen, die das Zentrum umschließen. Das Zentrum ist ein ebener freier Bereich der manchmal Reste von Holzbauten enthält. Die Kreisanlagen liegen immer von der Siedlung isoliert, und sind oft hochgelenen. In Niederbayern fanden sich in größeren Grabenringen Rondelle von dem Ausmaß einer mittelalterlichen Stadt, etwa 300-800 m. Die einzige exakt kreisförmigen Anlage Niederbayerns von Schmiedorf-Osterhofen mit drei Gräben, einem äußeren Durchmesser von 74 m und einer inneren Palisade von 22 m befindet sich zusammen mit einer zweiten Anlage von nur 52 m Ausmaß und nur einem Graben in einem größeren Oval von 320 x 260 m, einem Doppelgrabensystem vom Beginn des 5. Jahrtausends v. Chr. in dem zentral die beiden Rondelle lagen.
[Bearbeiten] Funktion
Bisher wurden in der Forschung 3 Möglichkeiten diskutiert:
- Zentralplatz für gesellschaftliche, religiöse und politische Zusammenkünfte, Handelsplatz
- Verteidigungsanlage oder Fluchtburg
- Viehkral.
In der mittlerweile zwanzigjährigen Forschung besonders in Süddeutschland und Niederösterreich, neuerdings auch in Mitteldeutschland, hat sich allgemein die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Hauptachsen einer astronomischen Ausrichtung folgen, in einigen Fällen handelt es sich um regelrechte Kalenderbauten, astronomische Beobachtungszentren und möglicherweise Sonnentempel.
[Bearbeiten] Kalenderbauten
Exakt konzentrisch waren nur wenige Anlagen konstruiert, z.B. die Kreise von Schmiedorf-Osterhofen und Viecht. Die meisten Anlagen sind dagegen ziemlich unregelmäßig: gestauchte Kreise, Ellipsen. Die Ellipse von Meisternthal ist sogar exakt über zwei Brennpunkte konstruiert. Eine erstaunliche Leistung, immerhin 2000 Jahre vor Stonehenge das auch eine genau elliptische Form aufweist.
Untersuchungen an den Anlagen in Bayern vor ca. 20 Jahren, - die ersten magnetischen Prospektionen erfolgten dort bereits in den Jahren 1984-88 -, hatten schon ergeben, dass diese mit hoher Wahrscheinlichkeit astronomisch ausgerichtet waren.
Der Vergleich der Torachsen ergab, dass immer astronomische Orientierung auf die Sonne vorlag. Dabei am häufigsten zum Sonnenaufgang der Wintersonnenwende (Azimut von 127 Grad). Der Bochumer Astronom Wolfhard Schlosser (s.a. Himmelsscheibe von Nebra) bestätigte die Ausrichtung bei einer Untersuchung bayrischer Anlagen mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,7 %. Die große und alle typischen Merkmale besitzende Anlage von Kothingeichendorf besitzt genau wie die kleine von Meisternthal eine exakte Ausrichtung nach den Himmelsrichtungen, Ost- und Westtor weisen zum Sonnenauf- und Sonnenuntergang an den Frühlings- und Herbstäquinoktien, dem 21. März und 23. September. Das gleiche gilt auch für Ippesheim in Mittelfranken, hier bestätigte der Astronom Th. Schmidt-Kahler die absolut regelmäßige Ausrichtung der Brücken und Lücken in den Palisaden auf den Sonnenaufgang der Sommer- und Wintersonnenwende, sowie den Sonnenuntergang zur Tag-und-Nacht-Gleiche.
Es gibt aber auch Unterschiede in den Details der einzelnen Anlagen. Die Anlage von Ramsdorf-Wallerfing besteht aus drei Gräben, drei Toren und einer Innenpalisade. Sie ist mit 90/79 m Durchmesser die zweitgrößte Anlage Niederbayerns und hat eine elliptische Form.
Die Orientierung einer der beiden Torachsen bei der Ramsdorf-Wallerfing-Anlage fällt anders aus und genügt mit einem Azimut von 116 Grad genau der Kalendertheorie von Alexander Thom. Der bekannte Hobbyarchäologe, der umfangreiche Untersuchungen und Hypothesen zu Stonehenge entwickelt hatte, postulierte einen allgemeinen Megalithischen Kalender. Dieser war nach dem Sonnenlauf und den vier wichtigen Kalenderdaten, der Tag-und-Nacht-Gleiche und der Sonnenwenden ausgerichtet. Er sollte 16 Monate umfassen. Der daraus abgeleitete 8-monatige Sonnenkalender stützt sich auf die entsprechenden Festtagsdaten, welche bei den Kelten Samai (Allerseelen am 1. Nov.), Imbolic (Mariä Lichtmess 2. Februar) hießen. Die Orientierung der Achsen folgte also weder den Äquinoktien noch den Solstitien, sondern den alten Anfangs- und Endterminen der Jahreszeiten: 1. November, 2. Februar, 1. Mai. Das Nordwesttor mit Azimut 217 bis 228 Grad fällt dabei genau auf den Sonnenuntergang der Wintersonnenwende am 21. Dezember. Sollte dieser frühe steinzeitliche Kalender Allgemeingültigkeit besessen haben, so wäre er hiermit bereits für das 5. Jahrtausend v. Chr. nachgewiesen.
Nach diesem alten grundlegenden astronomischen Kalender richten sich noch heute die Berechnung der Jahreszeiten in Großbritannien und Irland, während sie in Mitteleuropa und den USA nach dem modernen Kalender verschoben sind. So beginnt der Sommer in Deutschland erst zum Tag der Sommersonnenwende, während er dort bereits am 1. Mai beginnt und somit die Sonnenwende tatsächlich auf die Mitte des Sommers fällt. Ein Relikt dieser älteren Vorstellung ist uns noch in der Bezeichnung des Mittsommernacht-Tages am 21. Juni erhalten geblieben, der von der modernen kalendarischen Vorstellung abweicht, wonach das Jahr genau am 31. Juli geteilt ist und dieses Datum heute eher als die Mitte des Hochsommers angesehen wird.
Unterschiede bestehen auch in der Genauigkeit und der Art der Visierlinien, so fallen manche Toröffnungen zentral auf die Sonnenauf- und Untergangspunkte, bei anderen wird die rechte Torkante anvisiert, und bei Anlagen wie Ippesheim und Steinabrunn, konnte man Peillinien über die Torkante zu markanten Punkten am Horizont feststellen. Im Falle von Ippesheim auf den Kappel- und Bullenheimer Berg. Wie bei einer Sonnenuhr konnten auch die Schatten der Durchlässe oder einzelner Holzpfähle auf Steine innerhalb der Anlagen weisen und somit eine taggenaue Bestimmung der astronomischen Punkte ermöglichen.
[Bearbeiten] Archäologie
Durch die intensive Landwirtschaft in Mitteleuropa sind die monumentalen Anlagen heute fast vollkommen verschwunden, und können in den seltensten Fällen noch durch Erdwälle festgestellt werden, anders als die mittelalterlichen, oft slawischen Burgwälle. Gefunden werden sie hauptsächlich durch die Luftbildarchäologie und durch anschließende Magnetometerprospektion. Selbst die inneren Palisadenringe konnten im Fall der bayrischen Anlagen auf den Bildern der magnetischen Prospektionen ausfindig gemacht werden, was die Wissenschaftler so lange vor ein Rätsel stellte, bis sich herausstellte, dass die Magnetbilder durch magnetisierte Bakterien hervorgerufen wurden (nach J. Fassbinder).
Die Fundgeschichte begann allerdings bereits im 19. Jahrhundert. Die erste Erwähnung einer solchen Anlage stammt von 1885 mit der Beschreibung der böhmischen Kreisgräben von Kfipy. 1919-1924 wurde die Anlage von Zeholfing-Kothingeichendorf in Niederbayern wissenschaftlich untersucht. 1937 grub man bei Mühlbach am Manhartsberg (Niederösterreich) einen Kreis von 42 Metern aus. Ab 1967 wurde dann systematisch geforscht durch die Siedlungsgrabungen in Südmähren (Tesetice-Kyjovice). Mit den Kreisanlagen sind auch immer Siedlungen verbunden, die meist nahe oder in einigen Kilometern Entfernung zur Anlage gefunden werden.
Die Funde aus den teilweise ausgegrabenen Kreisgrabenanlagen sind hauptsächlich Keramikscherben, ganze Gefäße treten selten auf. Es fallen vor allem Schüsseln, große Töpfe, Fußgefäße und Tüllenlöffel auf. Daneben finden sich immer wieder Fragmente von meist weiblichen Idolfiguren, kleinen Frauenfiguren aus Ton. Neben Tierknochen sind in den Gräben auch vereinzelt menschliche Skelett-Teile zu finden. In Niederösterreich fanden sich Beispiele für vermutete rituelle Leichenzerstückelung.
Es gibt Hinweise darauf, dass die Kreisgrabenanlagen als besonders magische Orte angesehen wurden. Im Fall von Ippesheim lässt sich ein rascher Funktionswandel der Anlage ausmachen, nach wenigen Generationen wurde ihr kalendarischer Zweck aufgegeben. Etwa 150 Jahre nach ihrer Errichtung im 49. oder 48. Jahrhundert v. Chr. fand in ihrem Zentrum eine rituelle Bestattung einer etwa 30-35 jährigen Frau kopfüber in einem engen schulterbreiten Schacht statt. Ein Opfer? Warum die Anlagen so bald wieder aufgegeben wurden und einen Wandel in ihrer rituellen Funktion durchmachten, bleibt ungeklärt.
Eine vollständige Ausgrabung der Kreisgrabenanlagen ist nur in seltenen Fällen erfolgt und ist auf Grund der enormen Größe der Objekte auch kaum finanzierbar.
[Bearbeiten] Mittelneolithische Kulturen
Die ca. 120 Fundstellen Mitteleuropas gehören folgenden archäologischen Kulturen an:
- Großgartacher Kultur
- Lengyel-Kultur
- Oberlauterbacher Gruppe, auch Südostbayerisches Mittelneolithikum (SOB)
- Stichbandkeramik
- Theiß-Herály-Csöszhalom-Kultur
- Rössener Kultur
[Bearbeiten] Kreisgrabenanlagen in Mitteleuropa
(mit Fundsituation)
- Bad Dürrenberg
- Belleben
- Egeln
- Friebritz Niederösterreich
- Füllersdorf Niederösterreich
- Glaubendorf
- Gneiding-Oberpöring an der Isar
- Goseck (Sachsen-Anhalt) - Luftprospektion 1991,1999, vollst. Ausgrabung 2002-2004, 2005 Rekonstruktion als Freilichtmuseum
- Immendorf 3-fach Kreis - Luftbildprospektion 1981, 113 m Durchmesser
- Ippesheim (Mittelfranken) - Luftbildprospektion 1980 + 1989, Magnetprospektion 1997, Ausgrabung 1998 - 2004
- Kamegg Niederösterreich - die erste Luftbildprospektion 1961, Grabung Ende der 1980er Jahre
- Kfipy (Böhmen) - 1885 in d. Lit. beschrieben
- Kothing-Eichendorf 2-fach Kreis - Magnetprospektion 1984 und 1996
- Meisternthal bei Landau an der Isar - exakte Ellipse über 2 Brennpunkte, Durchmess. 36/44 m
- Mühlbach am Manhartsberg (Niederösterreich) 42 m Kreis, - Ausgrabung 1937
- Pömmelte - Kreisgrabenanlage vom Ende des 3. Jahrtausends v. Chr., Nachweis von Schnurkeramik, Glockenbecher und Aunjetitz
- Pranhartsberg Niederösterreich - 2 Kreisgräben, ca. 4.700 - 4.500 v. Chr., 54 u. 80 m, 82 u. 105 m Durchmesser, Luftbildprospektion [1]
- Puch 2-fache Kreisgrabenanlage, - Luftbild u. Magnetprospektion
- Quenstedt
- Ramsdorf Niederbayern
- Riekofen Landkreis Regensburg
- Schmiedorf-Osterhofen in Bayern - exakt kreisförmig, Magnetopr. 1984, Untersg. u. Verm. 1995
- Sitzendorf an der Schmida in Niederösterreich
- Steinabrunn in Niederösterreich
- Tesetice-Kyjovice (Südmähren) - Siedlungsgrabung 1967
- Unternberg-Künzingen in Bayern - Ellipse von 100 m Durchm.
- Viecht in Bayern - exakt Kreisförmig
- Wilhelmsdorf bei Poysdorf - Grabung 1991-1995 (m.165 m Durchm. die größte Anlage Niederösterreichs)
- Zeholfing-Kothingeichendorf (Niederbayern) wiss. Bodenuntersuchung 1919-24
[Bearbeiten] Siehe auch
- Die niederösterreichische Landesausstellung 2005 widmete sich u.a. auch dem Thema der Kreisgrabenanlagen.
- Archäoastronomie
- Kreisgrabenanlage von Goseck
- Henge
- Sonnentempel
- Himmelsscheibe von Nebra
- Burg
[Bearbeiten] Literatur
- A- Bick: Die Herren der Ringe. in: Bild der Wissenschaft. Konradin, Leinfelden-Echterdingen 2004,2, S. 56 - 61. ISSN 0006-2375
- E. Lück, F. Lochter, M. Eisenreich: Geophysikalische Untersuchungen einer Doppelkreisgrabenanlage des Neolithikums am oberen Nuthelauf (Brandenburg). in: Ausgrabungen und Funde. Akademie-Verl., Berlin 39.1994, S. 287-296. ISSN 0004-8127
- G. Wetzel: Die erste neolithische Kreisgrabenanlage östlich der Elbe bei Bochow, Kr. Jüterbog. in: Ausgrabungen und Funde. Akademie-Verl., Berlin 39.1994, S. 61-65. ISSN 0004-8127
- Schmidt K. Bandkeramische Erdwerke - Verteidigungsanlagen? In: In: Varia neolithica IV, 2006. ISBN 3-937517-43-X
- Kreisgrabenanlagen - Monumente zwischen Himmel und Erde in: Archaeologie in Deutschland (AID) 2005/6, ISSN 0176-8522
- H. Becker & J. Fassbinder: Der Sonne entgegen
- H. Becker u.a.: Zwischen Himmel und Erde
- W. Schier & G. Trnka: Die ersten Kultbauten Mitteleuropas?
- W. Schier: Kalenderbau und Ritualkomplex
[Bearbeiten] Weblinks
- Die doppelte Kreisgrabenanlage von Friebritz
- Kreisgräben – Die ältesten Monumentalbauten Mitteleuropas (PDF)
- Kreisgrabenanlage Ippesheim
- Niederösterreichische Landesausstellung 2005
- Kreisgrabenanlage Goseck - Projektseite der Universität Halle (online-Beobachtung mit Webcam möglich)
- [http://www.for550.uni-halle.de Kreisgrabenanlagen der 4.-1. Jahrtausends v. Chr. - Forschung der Universität Halle und des LDA Sachsen-Anhalt