Luise-Henrietten-Stift
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Das Luise-Henrietten-Stift ist eine diakonische Einrichtung der Evangelischen Kirche in Brandenburg in den Gebäuden und auf dem Gelände des ehemaligen Zisterzienser Klosters Lehnin rund 25 Kilometer südwestlich von Potsdam. Romanisch-gotische Backsteinbauten und moderne Architektur bilden in wald- und wasserreicher Umgebung der Zauche ein Ensemble verschiedenster helfender und heilender Einrichtungen, mit denen sich das Stift in der Tradition des Klosters sieht.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte
Im Prospekt "Gästehaus Kloster Lehnin" formuliert das Stift, das 2004 über rund 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügt, diese Tradition wie folgt: Mitten in einer seit der Klostergründung von Menschenhand geprägten Kulturlandschaft sehen wir uns bei der Bewahrung der Schöpfung und im pfleglichen Umgang mit der Natur in der Tradition der Zisterziensermönche.
[Bearbeiten] Gründung, Anfangszeit
Im Jahr 1911 kaufte die Evangelische Landeskirche die Gebäude und gründete das Diakonissenmutterhaus Luise-Henrietten-Stift, mit dem nach langer Unterbrechung wieder eine geistliche Gemeinschaft in die Klosteranlage einzog. Seinen Namen wählte das Stift in Erinnerung an die Frau des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, die Kurfürstin Luise Henriette von Oranien, die Lehnin in der Mitte des 17. Jahrhunderts zu ihrer bevorzugten Sommerresidenz gemacht hatte. Lehniner Diakonissen leisteten in 1920er und 1930er Jahren Dienst in vielen Brandenburger Krankenhäusern, denn das Mutterhaus sah seine Aufgabe in der Ausbildung und Entsendung von Gemeindeschwestern. Nach verschiedenen Umbauten und Erweiterungen der Gebäude waren auf dem zahlenmäßigen Höhepunkt 1936 128 Diakonissen und Probeschwestern in der Einrichtung tätig.
[Bearbeiten] Zentrale des Holocaust?
In der Zeit des Nationalsozialismus kam es zur Gleichschaltung der Stiftsleitung und im Zweiten Weltkrieg zur Schließung mehrerer Einrichtungen. Nach sehr aktuellen Forschungen deutet sich an, dass die Nationalsozialisten das Klostergelände als Ausgangspunkt für die Organisierung des Holocaust nutzten. Bislang ging die Geschichtsschreibung davon aus, dass die auf dem Gelände errichteten sieben SS-Baracken Sitz des Generalbevollmächtigten Chemie (Gebechem) waren, der die Koordinierung des Zwangsarbeitereinsatzes betrieb. Nach den Ergebnissen von Jürgen Back und Hans-Martin Schneider, die an einer Ortschronik zum 925. Geburtstag Lehnins im Jahr 2005 arbeiten, verlagerte die Gruppe Eichmann 1942 Teile ihrer Büros nach Lehnin. Laut Schneider wurde von hier aus der weltweite Judenmord organisiert.
1945 richteten Ärzte und Diakonissen in den inzwischen leerstehenden Baracken ein Lazarett ein. 1949 begann der Umbau des ehemaligen Klosterwirtschaftshofes zu einem Krankenhaus, der nach knapp 20 Jahren zum Abschluss kam.
[Bearbeiten] Einrichtungen
[Bearbeiten] Klosterbereich
In der sehenswerten Klosterkirche St. Marien bietet das Stift neben Gottesdiensten gemeinsam mit dem Kloster Zinna als musikalische Besonderheit die Mittelalterreihe Musica Mediaevalis an. Der ehemalige klösterliche Konversenflügel der zentralen Klosteranlage ist heute als Luise-Henrietten-Haus das Hospiz und das Wohnhaus der Diakonissen und Schwestern. Seit der Einrichtung einer geriatrischen Rehabilitationsklinik mit Alten- und Pflegeheim 1993 im neuen Südflügel der zentralen Klosteranlage ist das Luise-Henrietten-Stift geriatrisches Zentrum in der Stiftung Evangelisches Diakonissenhaus Berlin Teltow Lehnin. Das Hospiz soll ein Altern bis zuletzt in Würde ermöglichen und bindet eine bedürfnisorientierte Palliativpflege und die Angehörigenbetreuung mit ein. Im Ostflügel mit dem Kreuzgang und Kapitelsaal, dem heutigen Cecilienhaus, befinden sich 2004 unter anderem die Stiftsverwaltung und die Küche. Heute verfügt das Stift ferner über eine Klinik für Innere Medizin und Palliativmedizin, Krankenpflegeschule, Diakoniestation und Kindergarten.
Das wahrscheinlich ehemalige klösterliche Hospital, das heute sogenannte Königshaus beheimatet eine Lernwerkstatt, ferner finden hier Lesungen und kleinere Kammerkonzerte statt. Das vor 1270 errichtete alte Abtshaus mit dem späteren Anbau Leibnizhaus dient heute als Gästehaus Kloster Lehnin, das für Jedermann zugänglich ist. Im angrenzenden seit 1911 so genannten Elisabethhaus, dem ehemaligen klösterlichen Brauhaus, sind der Besucherempfang, der Fest- und Speisesaal des Stifts sowie im ersten Stock Unterkünfte für die Schülerinnen der Krankenpflegeschule untergebracht. Daneben gibt es hier die Dauerausstellung Zisterzienser in Brandenburg. In der ehemaligen Torkapelle hat das Stift eine Patientenbibliothek eingerichtet.
Das im neugotischen Stil gehaltene Pfarrhaus aus dem Jahr 1845 ist heute Sitz der Superintendentur des Kirchenkreises Belzig-Lehnin. Das Amtshaus aus dem Jahr 1696 wird zur Zeit restauriert und wird nach seiner Fertigstellung ein neues Heimatmuseum beherbergen. Das ehemalige Kornhaus aus der Mitte des 14. Jahrhunderts als letztes großes noch nicht saniertes Gebäude wird nach der Planung des Stifts zu einem Restaurant mit Gartenterrasse ausgebaut; für den Dachstuhl sind Ausstellungen und Konzerte vorgesehen.
Das Sonnenschlösschen beherbergt ein Jugendhilfeprojekt des Stiftes mit einer Wohngruppe, in der unter einem therapeutischem Ansatz soziale und emotionale Störungen und Entwicklungen der Kinder und Jugendlichen gebremst werden sollen. Ziel dieser Arbeit ist, eine Rückkehr der jungen Patienten in die Familien zu ermöglichen. Verschiedene weitere Gebäude, die im 20. Jahrhundert hinzu kamen, sind Bestandteil der Kliniken. Das neue Altenhilfezentrum Lothar Kreyssig Haus nördlich der Kliniken fügt sich im Gegensatz zu dem riesigen Klinikbau harmonisch in die Landschaft ein.
[Bearbeiten] Außenbereich
Im Rahmen der geriatrischen Rehabilitationsklinik betreibt das Stift mit den sogenannten Altenhöfen eine Neuentwicklung. Hier wird alten Menschen ein Leben und Wohnen in der Gemeinschaft in teils historischen Gebäuden der umliegenden Dörfer und in angenehmer Umgebung angeboten. Dazu zählen beispielsweise ein ehemaliges Schulhaus, eine stillgelegte Wassermühle und mit der Alten Posthalterei aus dem 16. Jahrhundert das älteste Haus im Ort Kloster Lehnin (Bild der Posthalterei siehe dort). Die ambulanten Pflege- und Versorgungsdienste des Altenhilfezentrums Lothar Kreyssig Haus stehen den Altenhöfen auch über eine Notrufanlage zur Verfügung
Stephan Warnatsch stellt zu den Einrichtungen des Stifts resümierend fest: Mit seiner modellhaften Vernetzung von Hilfeangeboten und der unauflösbaren Verbindung von «Beten und Tun des Gerechten», von Verkündigung und Diakonie ist das ehemalige Kloster und heutige Stift Lehnin ein «Schaufenster» der Kirche.
- Siehe ausführlich zur Baugeschichte der heute noch genutzten historischen Gebäude den Beitrag über das Kloster Lehnin, der auch einen Lageplan der Gebäude enthält.
[Bearbeiten] Lage
- Anschrift: Klosterkirchplatz 20, 14797 Lehnin
- ÖPNV: Lehnin, Haltestelle Busbahnhof
- Anfahrt: Autobahn A 2 Berlin-Hannover, Abfahrt Lehnin oder Abfahrt Netzen
- WGS84: 52.320392132, 12.7436417341
[Bearbeiten] Quellen
[Bearbeiten] Literatur
- Zisterzienser-Abtei Lehnin, Die Blauen Bücher, Text von Stephan Warnatsch, Karl Robert Langewiesche Nachfolger Hans Köster Verlagsuchhandlung KG, Königstein im Taunus 1998. Zitat Seite 58. ISBN 3-7845-0815-4
- Stephan Warnatsch, Geschichte des Klosters Lehnin 1180-1542, Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser, Band 12.1, Lukas Verlag Berlin 2000 (Zugleich: Berlin, Freie Universität, Dissertation, 1999). Zitate Seite 152. ISBN 3-931836-45-2
- Kloster Lehnin, Bürger und Besucherinformation, Verlag Augusta Presse GmbH Berlin, 7. Ausgabe, 2004. (Kostenlos vor Ort verteilte Broschüre.) Information zum Holocaust und Zitat Dr. Schneider S. 4.
- Verschiedene kostenlose Faltblätter des Stifts, die vor Ort ausliegen.