Mätresse
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Als Mätresse (v. franz.: maîtresse = Herrin, Meisterin) bezeichnete man eine öffentlich als solche bekannte Geliebte eines Fürsten, hochrangigen Adligen oder bedeutenden Amtsträgers. In gesellschaftlichen Verhältnissen, wo Ehen vorrangig unter politischen und materiellen Aspekten geschlossen wurden, hatten Männer häufig eine Konkubine („Beischläferin“), die sie, weil das ohnehin unmöglich gewesen wäre, nicht geheim zu halten versuchten, sondern quasi legitimierten. Meistens hatten sie zu ihnen eine engere affektive und geistige Beziehung als zu ihrer Gemahlin. Einige fürstliche Mätressen hatten nicht unbedeutenden politischen Einfluss.
Der Begriff wurde umgangssprachlich auch als Synonym für „Geliebte“ benutzt, ist in dieser Bedeutung heute aber veraltet. Ein inzwischen ebenfalls historisch gewordenes Synonym ist Favoritin, doch bezeichnet dieser Begriff wohl einen weniger offiziellen Status als den der Mätresse.
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[Bearbeiten] Geschichte
Ursprünglich waren die Mätressen europäischer Fürsten Geliebte ohne den späteren, quasi offiziellen Status. Sie traten selten oder gar nicht öffentlich auf und mussten sich auf eine rein private Rolle beschränken.
Als im Hochmittelalter in Frankreich und später auch im übrigen Europa die Höfe in Residenzstädten sesshaft wurden, änderte sich das Hofleben, und die Bedeutung der Frauen darin nahm zu. In diesem Kontext änderte sich auch die Rolle der bloßen Geliebten des Fürsten zu der der Mätresse, die in aller Regel aus dem Kreis der adeligen Hofdamen und Ehrenjungfern kam.
Unter Franz I. etablierte sich die Mätresse als Quasi-Institution. Zwar war es für die Kirche offiziell ein Stein des Anstoßes, dass derart öffentlich gegen das Verbot des Ehebruchs verstoßen wurde, doch der hohe Klerus, der ja meist dem Adel entstammte, am Hof verkehrte (und sich teilweise selbst Mätressen hielt), tolerierte die Situation.
In der Tat gab es so etwas wie mildernde Umstände für Fürst und Mätresse. Landesherren (und auch hohe Adlige) mussten Frauen heiraten, die sie nicht freiwillig gewählt hatten. Da diese Zwangsehen gegen die zentrale kirchliche Forderung nach Freiwilligkeit einer Eheschließung verstießen, neigten Theologen dazu, bei Fürsten und anderen hochstehenden Männern eine Ausnahme vom Gebot der Monogamie zu machen und ihnen Mätressen zuzugestehen.
Die Mätresse wurde im Laufe des 16., 17. und 18. Jahrhunderts immer mehr zu einer Normalität am Hof. Sie erhielt einen Status mit ungeschriebenen Rechten und Pflichten. Die Problematik ihrer häufig mit dem Fürsten gezeugten Kinder wurde pragmatisch geregelt: War die Mätresse verheiratet, galten sie als Kinder des Ehemannes (der mit allerlei Vorteilen entschädigt wurde); war sie ledig oder verwitwet, wurden sie legitimiert. In beiden Fällen wurden die Töchter in der Regel später mit Hochadeligen verheiratet und die Söhne, die für die Thronfolge allerdings auch als Legitimierte ausschieden, mit hohen Posten in der Armee oder der Kirche versorgt.
Man kann davon ausgehen, dass viele Fürstinnen die Mätressen tolerierten, solange sie von ihnen mit dem gebotenen Respekt behandelt wurden. Schließlich waren auch sie zwangsweise verheiratet worden und hatten meist keine tiefere Beziehung zu ihrem Gemahl. Allerdings war es ihnen selbst wegen der zu befürchtenden Schwangerschaften und Geburten so gut wie unmöglich, auch ihrerseits Geliebte zu haben.
Der Fall von Katharina der Großen ist eher untypisch, denn ihre ersten Geliebten hatte sie heimlich, wenn auch offenbar mit einer gewissen Duldung ihrer Schwiegermutter, der Zarin, und ihres wohl nicht ganz zurechnungsfähigen Gatten; die späteren hatte sie erst, nachdem sie selber Zarin geworden war.
Seinen Höhepunkt erreichte das Mätressenwesen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert. So wurde die langjährige Mätresse Ludwigs XIV., Madame de Maintenon, nach seiner Verwitwung sogar „linker Hand“ von ihm geheiratet, und die geradezu berühmt gewordene Mätresse Ludwigs XV., Madame de Pompadour, blieb maîtresse en titre (wie man damals sagte), auch nachdem das sexuelle Verhältnis zum König beendet war. Beide hatten Einfluss auf die Politik Frankreichs und förderten in eigener Initiative Künstler und Intellektuelle.
Auch an anderen Höfen im Europa jener Zeit blühte das Mätressenwesen. In Sachsen z.B. war Gräfin Cosel die offizielle Geliebte des Kurfürsten.
Nach dem Ende des Zeitalters der absoluten Herrscher war die klassische Epoche der Mätressen vorüber. Immerhin beeinflusste Lola Montez den Bayernkönig Ludwig I. oder Camilla Parker Bowles Prince Charles.
[Bearbeiten] Bekannte Mätressen
Siehe auch: Kategorie:Mätresse
[Bearbeiten] 14. Jahrhundert
[Bearbeiten] 15. Jahrhundert
- Agnès Sorel (Karl VII.)
- Giulia Farnese (Papst Alexander VI.)
- Agnes Bernauer (Albrecht III. (Bayern))
[Bearbeiten] 16. Jahrhundert
- Mary Berkeley (Heinrich VIII. von England)
- Barbara Blomberg (Kaiser Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches)
- Dyveke Sigbritsdatter (Christian II. von Dänemark)
- Elisabeth Blount (Heinrich VIII. von England)
- Mary Boleyn (Franz I.)
- Diana von Poitiers (Heinrich II. von Frankreich)
- Gabrielle d'Estrées (Heinrich IV. von Frankreich)
- Catherine Henriette de Balzac d'Entragues, Marquise de Verneuil, (Heinrich IV. von Frankreich)
- Marie Touchet (Karl IX.)
[Bearbeiten] 17. Jahrhundert
- Lucy Walter (Karl II. von England)
- Nell Gwyn (Karl II. von England)
- Barbara Villiers (Karl II. von England)
- Louise de Kérouaille (Karl II. von England)
- Catherine Henriette de Balzac d'Entragues (Heinrich IV.)
- Ninon de Lenclos (Ludwig XIV. von Frankreich)
- Louise de La Vallière (Ludwig XIV. von Frankreich)
- Madame de Montespan (Ludwig XIV. von Frankreich)
- Françoise d'Aubigné, Madame de Maintenon (Ludwig XIV.)
- Salome Alt, später von Altenau (Wolf Dietrich von Raitenau, Fürstbischof von Salzburg)
- Catharina von Wartenberg, Ehefrau des preuß. Ministerpräsidenten Reichsgraf Johann Kasimir Kolbe von Wartenberg und Mätresse des Königs Friedrich I. (Preußen)
[Bearbeiten] 18. Jahrhundert
- Madame de Pompadour (Ludwig XV. von Frankreich)
- Marie-Louise O'Murphy (Ludwig XV. von Frankreich)
- Madame Dubarry (Ludwig XV. von Frankreich)
- Aurora von Königsmarck (August II., genannt der Starke, Kurfürst von Sachsen und König von Polen)
- Constantia von Cosel (August II.)
- Katharina von Teschen (August II.)
- Franziska von Hohenheim (Carl Eugen von Württemberg)
- Wilhelmine von Grävenitz (Eberhard Ludwig von Württemberg)
- Wilhelmine von Lichtenau (Friedrich Wilhelm II.)
[Bearbeiten] 19. Jahrhundert
- Emma Hamilton (Horatio Nelson)
- Jekaterina Michailowna Dolgorukaja (Alexander II.)
- Alice Keppel (Eduard VII.)
- Lola Montez (Ludwig I. von Bayern)
- Maria Walewska (Napoléon Bonaparte)
- Eleonore Denuelle de la Plaigne (Napoléon Bonaparte)
- Cathérine Josephine Duchesnois (Napoléon Bonaparte)
[Bearbeiten] 20. Jahrhundert
- Camilla Parker Bowles (Charles Mountbatten-Windsor, Prince of Wales)
- Christine Keeler (John Profumo, Yevgeny Ivanov)
[Bearbeiten] Zitat
- „Mit der Wahl der Geliebten legen wir, ohne es zu wissen, unsere wahrhaftigste Beichte ab.“ – José Ortega y Gasset (Aufbau und Zerfall Spaniens)
[Bearbeiten] Literatur
- Caroline Hanken: Vom König geküßt. Das Leben der großen Mätressen. Aufbau-Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-7466-1590-9
- Eleanor Herman: Liebe im Schatten der Krone. Die Geschichte der königlichen Mätressen. Fischer, Frankfurt/M. 2005, ISBN 3-596-15987-3
- Sylvia Jurewitz-Freischmidt: Galantes Versailles. Die Mätressen am Hofe der Bourbonen. Piper Verlag, München 2006, ISBN 3-492-24494-7
- Helga Thoma: "Madame, meine teure Geliebte... Die Mätressen der französischen Könige. Piper Verlag, München 1999, ISBN 3-492-22570-5
- Hermann Schreiber: Mätressen der Weltgeschichte. Weltbild Verlag, Augsburg 2003, ISBN 3-8289-0537-4
- Yury Winterberg: Mätressen. Die geheime Macht der Frauen. Vgs Egmont, Köln 2005, ISBN 3-8025-1705-9