Mittelniederdeutsche Sprache
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Die Mittelniederdeutsche Sprache ist ein Entwicklungsstadium des Niederdeutschen und hat sich aus der Altniederdeutschen Sprache im Mittelalter entwickelt und ist seit etwa dem Jahre 1225/34 schriftlich belegt: Sachsenspiegel. Sie ist zu dieser Zeit räumlich weit verbreitet und verwandt mit der südlichen Nachbarsprache: Mittelhochdeutsch.
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[Bearbeiten] Begriff "Mittelniederdeutsch"
Unter dem Begriff Mittelniederdeutsch wurden in der Frühzeit der Germanistik teilweise sowohl Mittelniederfränkisch als auch Mittelniedersächsisch (Mittelniederdeutsch im heutigen Sinne) zusammengefasst. Der Begriff Mittelniedersächsisch bezieht sich nicht auf das Bundesland Niedersachsen, sondern auf die germanischen Stämme der Sachsen, die im Gebiet zwischen Zuiderzee (heute IJsselmeer) und Pommern zuhause waren sowie auf das Reich der sächsischen Herzöge.
Der Begriff Mittelniederdeutsch ist zweideutig. Das Mittelniederdeutsche im weiteren Sinne umfasst Norddeutschland und den gesamten niederländischen Sprachraum. Das Mittelniederdeutsche im engeren Sinne umfasst Norddeutschland und (nur) den Nordosten der heutigen Niederlande, östlich der IJssel. Die größeren Darstellungen des Mittelniederdeutschen (etwa Lübben und Lasch) behandeln das Mittelniederdeutsche ausschließlich im engeren Sinne. [1]
[Bearbeiten] Verbreitung
Die mittelniederdeutsche Sprache war in der Hansezeit von etwa 1300 bis ca. 1600 n. Chr. die führende Schriftsprache im Norden Mitteleuropas und diente als Lingua franca in der Nordhälfte Europas. Sie wurde parallel zum Latein auch für Zwecke der Diplomatie und für Urkunden verwendet. So wurden der größte Teil des Schriftverkehrs der Hanse in Mittel- und Nordeuropa auf Mittelniederdeutsch durchgeführt. Mittelniederdeutsche Urkunden gibt es von London im Westen bis Nowgorod im Osten und Bergen im Norden bis Westfalen im Süden. Auch in Visby auf Gotland, Riga, Reval und Dorpat wurde mittelniederdeutsch kommuniziert. Insbesondere aus dieser Zeit resultiert ein erheblicher Einfluss des Niederdeutschen auf die skandinavischen Sprachen Norwegisch, Dänisch und Schwedisch, der durch zahlreiche Lehnworte gekennzeichnet ist. Manche Skandinavisten meinen, rund die Hälfte oder noch mehr des schwedischen Wortschatzes gehe auf Niederdeutsch zurück. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, daß es sich weniger um die häufigsten Wörter (Pronomina, Konjunktionen, Präpositionen etc.) als vielmehr um teilweise seltener Substantive handelt (Berufsbezeichnungen etc.).
Ursprünglich entwickelte sich die niederdeutsche Schriftsprache im ostfälischen Bildungszentrum Braunschweig, wo sie zweifelsfrei auch erheblichen hochdeutschen Einflüssen ausgesetzt war. Später verlagerte sich der Schwerpunkt der Sprache nordwärts in die Hansestädte, wo sie als Gebrauchs- und Verkehrssprache zum Verständigungsmittel innerhalb des Hansebundes sowie in dessen gesamtem Hinterland wurde.
[Bearbeiten] Sprachdenkmäler
Neben den mittelniederdeutschen Urkunden stellen insbesondere folgende Werke wichtige Sprachdenkmäler der mittelniederdeutschen Sprache dar:
- Der Sachsenspiegel, eine Sammlung sächsischen Rechts um 1225, das bis in das 19. Jahrhundert die Rechtsprechung in Europa maßgeblich beeinflusste,
- das Redentiner Osterspiel, ein Mysterienspiel von 1464,
- die niederdeutsche Bibel, Inkunabel gedruckt von Steffen Arndes in Lübeck, 1494,
- Reynke de Voss, gedruckt in der Mohnkopfoffizin von Hans van Ghetelen in Lübeck, 1498, eine Tierfabel, die in viele Sprachen übersetzt und auch als Reineke Fuchs von Johann Wolfgang von Goethe verarbeitet wurde.
- De düdesche Schlömer, ein geistliches Drama des Jedermann-Themas, von Johannes Stricker (1584)
[Bearbeiten] Spätere Sprachen
Aus dem Mittelniederdeutschen ist das moderne Niederdeutsche hervorgegangen. Dazu gehören:
- die Niedersächsische Sprache, die wiederum zahlreiche Großdialekte (Westfälisch, Ostfriesisch, Holsteinisch etc.) umfasst.
- die Ostniederdeutsche Sprache mit ihren Mundarten, die sich im Gefolge der deutschen Ostsiedlung vom Alt- oder Westniederdeutschen abgesondert haben.
[Bearbeiten] Wörterbücher
Der Wortschatz des Mittelniederdeutschen wird beschrieben im Mittelniederdeutschen Handwörterbuch.
[Bearbeiten] Literatur
- Agathe Lasch (1914): Mittelniederdeutsche Grammatik.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Jan Goossens, Niederdeutsche Sprache - Versuch einer Definition; in: Niederdeutsch - Sprache und Literatur, hrsg. von Jan Goossens, Band 1 - Sprache, Neumünster 1973, S. 9-27
[Bearbeiten] Weblinks
- http://andpuzik.narod.ru/Mnd.htm Mittelniederdeutsch
- http://www.rrz.uni-hamburg.de/hamburgisches_ub/ Das Virtuelle Hamburgische Urkundenbuch
- http://www.plattmaster.de/medeloller.htm Mittelniederdeutsche Schriftsprache im Vergleich mit modernem Plattdeutsch
- http://www.bis.uni-oldenburg.de/~havekost/needer/rey1-1.htm Reynke de Voss