Neudeutsch
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Neudeutsch bezeichnet die deutsche Umgangssprache der Gegenwart, insbesondere im Vergleich zum früher üblichen Sprachgebrauch, der sich durch Sprachwandel ändert.
Der Ausdruck ist oft mit einem ironischen Unterton versehen, um auf den angeblichen Verlust von Sprachkultur und Tradition hinzuweisen (Sprachverfall) – oft im Zusammenhang mit der Verschriftlichung der gesprochenen Sprache - oder drückt Ablehnung aus gegenüber Begriffen, die sich regional nur zögerlich durchsetzen oder einer anderen Kulturschicht zugerechnet werden. Sehr oft wird auch die übertriebene Verwendung von Anglizismen so bezeichnet.
[Bearbeiten] Beispiele:
Ein typischer Fall für ein neu entstehendes Wort (Neologismus) ist, dass ein Wort durch ein anderes ersetzt wird, oft aus Gründen des Marketing oder der politischen Korrektheit – insbesondere als Euphemismus, also um ein negativ belegtes Wort (Pejorativ) zu verdrängen. Manche Worte unterliegen einer „sprachlichen Inflation“ (Abnutzung), und Neuschöpfungen dienen dazu, den Sensationswert zu steigern. Wird ein fremdsprachlicher Begriff wörtlich, aber unkorrekt ins Deutsche übersetzt, nennt man ihn Falscher Freund.
Ursache für solche Ungenauigkeiten ist häufig, dass neue Trends und Entwicklungen – heutzutage meist aus dem englischsprachigen Raum – zu uns gelangen (Kulturdominanz), und die Szene bzw. das Fachpublikum die zugehörigen Begriffe (Xenismen) unreflektiert auch im deutschen Kontext verwendet, oder eine weniger gelungene Übertragung vornimmt. Das geschieht sogar dann, wenn es einen synonymen Begriff bereits gab, eventuell gerade in der Absicht, den Benutzer neudeutscher Worte als Insider auszuweisen (Szenesprache).
Das Wort Neudeutsch selbst kann als Beispiel dafür dienen: Es ist eine Neuschöpfung in Analogie zu Neusprech (englisch: Newspeak) aus dem Roman 1984 von George Orwell. Die Verwendung des Wortes impliziert zumindest eine kritische Distanz des Verwenders gegenüber Neologismen und das Bewusstsein um die „Macht der Sprache“, soll ihn also als einer gebildeten und aufmerksamen, wertebewussten Schicht zugehörig auszeichnen.
Im Unterschied dazu stehen Fremdwörter, die sich durchsetzen, weil kein angemessener deutscher Begriff verfügbar ist. Sie dienen oft zunächst der präzisen Ausdrucksweise in Fachkreisen, verbreiten sich dann teilweise in das gehobene Allgemeinwissen, bis einige schließlich im alltäglichen Sprachgebrauch landen und dann gar nicht mehr als fremd empfunden werden.
Regionale Unterschiede können über den Jargon der Massenmedien in das Standarddeutsch eingehen. Ein Beispiel sind autochthone Varianten, die sich in den Jahren der Trennung Deutschlands Mitte des 20. Jahrhunderts unterschiedlich entwickelt haben.
Beispiele für Verdrängung:
- Anglizismen:
- Event für Veranstaltung – (von der Werbung beförderte) Jugendsprache
- location für Veranstaltungsort - dito
- Prepress für Druckvorstufe – fachsprachliches Insiderwort, durch die Verfügbarkeit von DTP-Programmen in Umlauf gekommen
- Walken für die Trendsportart – ein denglisches Wort, das vom Verwendungsvolumen das vorhandene Wort Walken verdrängt
- Explosionsbild für Sprengbild – ein etwas älteres Beispiel, Explosion hat kein deutsches Synonym und kann als etabliert gelten
- es macht Sinn für es hat Sinn, ist sinnvoll oder ergibt einen Sinn – nach it makes sense
- Service oder Support für Kundendienst
- Euphemismen
- zurückbauen für abreißen
- Industriepark für Industriegebiet
- freisetzen statt (Arbeitskräfte) entlassen
- Reinigungskraft für Putzfrau – Diskriminierende Sprache, das ursprüngliche Wort neigt zum Schimpfwort zu verkommen
- Neuschöpfungen mit Sensationswert:
- Verwendung aus Marketing-Gründen:
- Zerealien für Müsli oder Getreide – Botanischer Fachausdruck, betont die Kompetenz, zumal im englischsprachigen Marketing cereals der gängige Begriff ist.
- Kindertagesstätte für Kindergarten
- Verwendung aus politischer Korrektheit:
- Auszubildender für Lehrling – politische Neuschöpfung, nur in der BRD
- Tierkörperbeseitigungsanstalt für Abdeckerei – Der Abdecker gehörte (wie Henker und Totengräber) zu den unehrlichen Berufen (die etwa nur an der Friedhofsmauer bestattet werden durften)
- Veraltung, Innovation:
- Gliedermaßstab oder Meterstab für Zollstock – das Zoll ist seit 1889 abgeschafft
- Konflikte zwischen Umgangssprache und Fachsprache:
- Schraubendreher für Schraubenzieher – Das Gerät dient auch dem Hineindrehen. Tatsächlich wird eine Schraube angezogen, also (wie auch Schraubenmuttern) – unter Spannung montiert. Siehe hierzu: Schraubendreher
- Regionale Varianten, die an Verbreitung gewinnen:
- unter der Woche für in der Woche – südliches Deutsch