Neutralität (Internationale Politik)
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Die Neutralität eines Staates bedeutet entweder das Abseitsstehen in einem konkreten Konflikt zwischen anderen Staaten oder bezeichnet generell die allgemeine Politik der Neutralität. Eine prinzipielle Neutralität nennt man Neutralismus.
Der Begriff kommt vom lat. ne uter, keiner von beiden.
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[Bearbeiten] Historische Entwicklung der Neutralität
Das Phänomen des Neutralseins ist so alt wie die Menschheit. Wichtiger wurde der Begriff seit der Neuzeit, als die modernen Staaten entstanden. Sie beanspruchten im Inneren ein Gewaltmonopol und sahen sich als "souverän", dass heißt, der Staat bzw. der Herrscher entschied über Krieg und Frieden. Im 19. Jahrhundert, nach der Zeit Napoleons, kamen einzelne Staaten dazu, sich prinzipiell als neutral anzusehen. Sie traten keinen Bündnissen bei. Zu ihnen gehörte das 1830 entstandene Belgien, dem die Großmächte die Neutralität zusicherten. 1899 und 1907 haben die Haager Friedenskonferenzen genauer definiert, welches Verhalten von einem neutralen Staat genau zu erwarten ist. Der Erste Weltkrieg begann mit der Verletzung der belgischen Neutralität durch Deutschland. Im Laufe des Krieges blieben einige der neutralen Staaten neutral (die Niederlande, die Schweiz und die skandinavischen Staaten), andere traten schließlich einer der beiden Bündnisse bei (z.B. die USA). Ähnlich war es im Zweiten Weltkrieg. Eine Reihe von Staaten blieb übrigens offiziell neutral, arbeitete aber tatsächlich auf verschiedene Weise mit Deutschland zusammen: Schweden etwa lieferte Eisenerz für die deutsche Kriegsindustrie, Spanien ließ deutsche Schiffe spanische Häfen anlaufen.
[Bearbeiten] Probleme der Neutralität
Die neutrale Einstellung oder Politik eines Landes wird von anderen Staaten nicht selten kritisch betrachtet und kann auch Probleme nach sich ziehen.
- Neutralität kann als unklug betrachtet werden, wenn man meint, dass die Sicherheit eines Staates im Bündnis mit anderen Staaten besser aufgehoben ist. So beruhte im Kalten Krieg die Sicherheit der neutralen Staaten Europas auf der Stärke der NATO. Nach den östlichen Kriegsplänen waren neutrale Staaten ebenso zur Eroberung vorgesehen wie NATO-Mitglieder.
- Neutralität kann als unmoralisch betrachtet werden, wenn man einen bestimmten Feind für besonders gefährlich hält. So hätte man den Nationalsozialismus vermutlich besser eindämmen können, wenn 1939 das Bündnis von Großbritannien, Frankreich und Polen durch die Benelux-Länder und Skandinavien verstärkt worden wäre. Letztere Länder aber dachten, sie könnten ihre Länder durch Neutralität vom Krieg freihalten. Die meisten dieser Länder sind dennoch von Deutschland besetzt worden, und auch Schweden und die Schweiz mussten letztlich auf verschiedene Weise mit dem Regime Hitlers kollaborieren.
- Wenn zwei oder mehrere Staaten einander bekriegen, dann stellt sich für andere Staaten die Frage, ob sie an dem Konflikt teilnehmen wollen. Auch wenn sich ein Staat für neutral erklärt, können die kriegführenden Staaten misstrauisch bleiben. Es besteht nämlich die Gefahr, dass ein Staat erst neutral bleibt, dann aber im Verlaufe des Konfliktes sich auf diejenige Seite schlägt, die zu gewinnen scheint. Daher kann eine kriegführende Macht es sich überlegen, den neutralen Staat präventiv lieber anzugreifen. Die Neutralität ist unter anderem also ein Glaubwürdigkeitsproblem.
- Neutralität darf nicht als automatisch pazifistisch gesehen werden. Neutrale Staaten nehmen die Landesverteidigung nicht weniger ernst als nichtneutrale. Ein neutraler Staat muss im Ernstfall sein Territorium selbst verteidigen. Als 1914 Deutschland in Belgien einfiel, durfte Belgien dies unter keinen Umständen hinnehmen, weil es dadurch de facto ein Verbündeter Deutschlands geworden wäre. So hat Belgien sich nach Möglichkeit verteidigt. Zwar wurde es dennoch erobert, und durch den militärischen Widerstand gegen den deutschen Angriff ist Belgien mehr zerstört worden, als wenn es sich einfach hätte besetzen lassen. Aber für die Glaubwürdigkeit und moralische Integrität Belgiens ist der militärische Widerstand notwendig gewesen.
- Ein neutraler Staat muss seinen Handel mit kriegführenden Ländern beschränken. Das kann zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen, wie die neutral gebliebenen Niederlande im Ersten Weltkrieg erfahren mussten.
[Bearbeiten] Heutige Entwicklung
Mehrere neutrale Staaten der Epoche des Kalten Krieges diskutieren ihre Neutralität z.T. sehr heftig, nämlich Finnland, Schweden, die Schweiz und Österreich.
- NATO-Mitgliedschaft: Bislang sind diese Länder noch nicht der NATO beigetreten, teilweise wird in diesen Ländern allerdings darüber diskutiert.
- Die EU-Mitgliedschaft hat die Neumitglieder Österreich, Schweden und Finnland im Prinzip nicht an der Neutralität rühren lassen, dennoch bemüht sich die EU auch um eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Siehe: Österreichische Neutralität
Um die eigentliche Sicherheit dieser Länder geht es meistens nicht, denn die Mehrzahl von ihnen ist von NATO-Mitgliedsstaaten umgeben. Finnland bildet mit seiner russischen Grenze eine Ausnahme.
[Bearbeiten] Länder mit neutral(istisch)er Politik (historisch oder gegenwärtig)
Es gibt fließende Grenzen zwischen Staaten, die nur in einem bestimmten Konflikt oder einer bestimmten Situation neutral sind, und solchen, die daraus eine außenpolitische Doktrin machen. Die Volksrepublik China wird heute als neutral bezeichnet, da sie kein Militärbündnis mit anderen Staaten hat (bzw. solche Bündnisse historisch für die Sicherheit Chinas zu vernachlässigen waren).
- Belgien
- Costa Rica verkündete 1983 angesichts der Verschärfung der Bürgerkriege in Zentralamerika die dauernde, aktive und unbewaffnete Neutralität des Landes. Die Armee wurde bereits am 8. Mai 1949 per Verfassung abgeschafft.
- Dänemark war im Ersten Weltkrieg neutral, schloss sich aber nach der Besetzung im Zweiten Weltkrieg der NATO an.
- Finnland wurde nach dem Ersten Weltkrieg unabhängig. In der Zwischenkriegszeit hatte es weniger bedeutende Abkommen mit Polen und der Sowjetunion. 1939 wurde es im Winterkrieg von der Sowjetunion angegriffen. Nach dem Krieg blieb Finnland zwar neutral, musste sich aber Eingriffe der Sowjetunion gefallen lassen (siehe dazu den von deutschen Politikern geprägten Begriff der Finnlandisierung).
- Indien war, anders als das westlich orientierte Pakistan, neutral.
- Irland
- Italien blieb bis 1915 neutral im Ersten Weltkrieg.
- Jugoslawien
- Kambodscha
- Liechtenstein
- Luxemburg
- Nepal
- Norwegen war im Ersten Weltkrieg neutral, schloss sich aber nach der Besetzung im Zweiten Weltkrieg der NATO an.
- Österreich seit dem 26. Oktober 1955 (die immerwährende Neutralität wurde damals als Verfassungsgesetz beschlossen).
- Portugal entsandte 1916 auf Wunsch der Engländer ein Expeditionskorps an die deutsche Westfront, war im Zweiten Weltkrieg neutral, schloss sich aber danach der NATO an.
- Schweden
- Schweiz
- Die Türkei war im Zweiten Weltkrieg bis kurz vor Kriegsende neutral und erklärte Deutschland und Japan symbolisch den Krieg.
- Die USA waren zu Beginn der Weltkriege jeweils neutral und arbeiteten dann mit den Westmächten Großbritannien und Frankreich zusammen. Die Neutralität bzw. der „Isolationalismus“ beruht auf dem alten Dogma, sich nicht in europäische Konflikte einzumischen – und dafür Einmischungen der Europäer auf den amerikanischen Kontinent zu bekämpfen. Allerdings waren auch die USA eine imperialistische Kolonialmacht, und zwar in Südamerika sowie im pazifischen Raum.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Schweizerische Neutralität, Österreichische Neutralität
- Neutralität (Politik)
- Bewegung der blockfreien Staaten