Protisten
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Protisten | ||||||
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Sonnentierchen Actionophrys sol
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Systematik | ||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||
Protista | ||||||
Haeckel, 1866 | ||||||
Unterreiche | ||||||
Protisten (Protista) sind eukaryotische, ein- bis wenigzellige Lebewesen, die in einem eigenen Reich der Lebewesen zusammengefasst werden unter Ausschluss von Pflanzen (Reich Plantae), Tieren (Reich Animalia) und Pilzen (Reich Fungi). Zusammen mit den Prokaryoten, die das Reich Monera bilden, ergibt sich so ein System der Lebewesen aus fünf Reichen: Monera, Protista, Fungi, Animalia und Plantae (Whittaker 1969). In der modernen Biologie werden die Monera noch einmal in Archaeen und Eubakteria unterteilt (Sechs-Reiche-System).
Da Pflanzen, Tiere und Pilze sich jedoch aus Protisten entwickelten und viele vielzellige Lebewesen mit ein- und wenigzelligen Protisten verwandt sind, ergab sich daraus ein unnatürliches System. Das System wurde damit begründet, dass man Mikroorganismen, also ein- und wenigzellige Organismen, von den übrigen Lebewesen trennen und in zwei Reichen (Monera und Protista) zusammenfassen wollte. Heute werden die Protisten verschiedenen Evolutionslinien zugeteilt und einige werden mit den Pflanzen oder Tieren zusammengefasst. Die zu den Protisten gehörenden Choanoflagellaten, Pilze und Tiere ergeben zusammen die Opisthokonta. Die Rotalgen (Rhodoplantae), Grünalgen und höheren Pflanzen (Viridiplantae) bilden ebenfalls eine systematische Gruppe (Plantae; nach Saunders und Hommersand 2004). Unter Einbeziehung auch der vielzelligen Lebewesen dieser Entwicklungslinien, zum Beispiel der Tange, ergibt sich an Stelle der Protista ein größeres Taxon, das der Protoctisten (Protoctista, Hogg 1861, Copeland 1956) (siehe dort).
Zu den Protista zählen ein- oder wenigzellige Algen, Schleimpilze und einzellige Protozoen.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Merkmale
Die Protisten bestehen wie alle Lebewesen aus Cytoplasma als lebender Substanz und sind außen von einer Zellmembran umgeben. Im Cytoplasma liegt meist ein Zellkern zur Steuerung der Lebensvorgänge, gelegentlich befinden sich dort auch mehrere Zellkerne; weiterhin enthält das Cytoplasma Mitochondrien und bei phototrophen Protisten ein bis mehrere Chloroplasten. Bei einigen Protisten kommen außen noch Schalenbildungen hinzu; viele können Cystenhüllen ausbilden, um ungünstige Umweltbedingungen zu überstehen. Die Zellen sind meist von sehr geringer Größe, und nur wenige erreichen einen Durchmesser von mehreren Millimetern oder gar Zentimetern.
[Bearbeiten] Lebensweise
Die Fortbewegung erfolgt oft schwimmend mit Hilfe von Geißeln oder Wimpern oder kriechend, gleitend, fließend oder schreitend durch Ausbildung von Scheinfüßchen (Pseudopodien). Etliche Arten schweben auch einfach nur im Wasser, das Schweben wird oft unterstützt durch lange Zellfortsätze.
Die meisten Protisten leben im Meer, teils nahe der Oberfläche, teils schwebend im Wasser, teils auf dem Grund kriechend, teils an Steinen, Pflanzen und dergleichen festsitzend; andere findet man im Süßwasser, wenige auf dem Land. Es gibt heterotrophe, autotrophe, mixotrophe, aerobe und anaerobe Formen. Etliche Protisten leben auch parasitisch in Tieren. Viele treten in erstaunlicher Individuenzahl auf, und die unverweslichen Überreste abgestorbener Vertreter - wie die Kieselschalen der Radiolarien und Kieselalgen (Bacillariophyta) oder die Kalkschalen der Kammerlinge (Foraminifera) sind gesteinsbildend: Sie sedimentieren auf den Grund des Gewässers und werden durch Diagenese zu Gestein, zum Beispiel Kieselschiefer, Kreide, aus ihnen setzen sich oft ganze Gebirgsschichten zusammen.
Die Protisten pflanzen sich gewöhnlich durch Zweiteilung ungeschlechtlich fort (siehe Mitose). Bei einigen Arten gibt es aber auch Vielfachteilungen, bei einigen kommen geschlechtliche Vorgänge vor (siehe Isogamie, Konjugation).
Aus urtümlichen Protisten sind im Laufe der Evolution alle höheren vielzelligen Organismen hervorgegangen, wahrscheinlich überwiegend über den Weg der Zellkoloniebildung, wie sie heute noch bei etlichen Algen zu beobachten ist.
Weil sich an ihnen die Zellbestandteile sowie die wichtigsten Lebensäußerungen, wie Bewegung, Reizbarkeit, Fortpflanzung, gut studieren lassen, sind Protisten ein beliebtes Objekt biologischer Forschung. Einige Arten sind als Krankheitserreger auch von medizinischem Interesse.
[Bearbeiten] Systematik
Einteilung nach Adl et al. 2005 (Journal of Eukaryotic Microbiology 52: 399-451):
Amöben (Amoebozoa)
- Tubulinea
- Flabellinea
- Stereomyxida
- Akanthamöben (Acanthamoebidae)
- Entamoebidae
- Mastigamoebidae
- Pelomyxa
- Schleimpilze (Eumycetozoa oder Mycetozoa)
Opisthokonta
- Fungi (Pilze)
- Mesomycetozoa
- Choanomonada
- Metazoa (Tiere)
Rhizaria
- Cercozoa
- Haplosporidia
- Kammerlinge (Foraminifera)
- Gromia
- Strahlentierchen (Radiolaria)
Archaeplastida†
- Glaucophyta
- Rotalgen (Rhodoplantae, Rhodophyta oder Rhodophyceae)††
- Pflanzen Chloroplastida††† (Grünalgen und Landpflanzen)
Chromalveolata
- Cryptophyceae††††
- Kalkalgen (Haptophyta)
- Stramenopile (Stramenopila) (u. a. Braunalgen und Goldalgen)
- Alveolata
Excavata
- Fornicata
- Malawimonas
- Parabasalia (Parabasalea)
- Preaxostyla
- Jakobida
- Heterolobosea
- Euglenozoa
† In anderen Veröffentlichungen auch als Reich Plantae (Reich der Pflanzen) bezeichnet (Saunders & Hommersand 2004)
†† auch Unterreich Rhodoplantae (Saunders & Hommersand 2004)
††† bekannter unter der Bezeichnung Viridiplantae (= grüne Pflanzen)
†††† Die Chromalveolaten-Hypothese und die Zugehörigkeit einzelner Organismen-Gruppen zu den Chromalveolaten ist Gegenstand von Diskussionen
Diese systematische Einteilung ist eine Folge von auf Basen-Sequenzen der DNA beruhenden phylogenetischen Bäumen in Kombination mit morphologischen Merkmalen, und spiegelt die natürlichen Verwandtschaften wieder. Aus dieser Einteilung geht hervor, dass die Tiere, Pilze und Landpflanzen aus Protistenlinien hervorgegangen sind. Fasst man die sog. Protisten als systematische Gruppe zusammen, lässt aber Tiere, Pilze und Landpflanzen außen vor, ergibt sich eine unnatürliche Systematik.
[Bearbeiten] Literatur
- Westheide, Wilfried; Rieger, Reinhard (Hrsg.): Spezielle Zoologie. Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere. 2. Aufl. 2006. Spektrum Akademischer Verlag. ISBN 3-8274-1575-6
- Haeckel, Ernst: Das Protistenreich. Eine populäre Übersicht über das Formengebiet der niedersten Lebewesen. Mit einem wissenschaftlichen Anhange: System der Protisten, E. Günther, Leipzig, 1878
- Whittaker, Robert H.: New Concepts of Kingdoms, Science vol. 163, p. 150 - 160, 1969
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Protisten – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |