Prußen
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Die Prußen (auch Prussen, Altpreußen, Pruzzen; prußisch prūsai, lateinisch Pruteni) waren ein baltischer Volksstamm, der zwischen Weichsel und nördlich der Memel bis zum Fluss Minge bei Heydekrug/Šilutė siedelte, und auf den der geografische Name Preußen zurückgeht. Das eigentliche Siedlungsgebiet der Prußen ging noch weiter südlich und östlich über die späteren Grenzen Preußens hinaus.
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[Bearbeiten] Stämme
Es gab 12 prußische Stämme in den entsprechenden Landschaften (Gauen):
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Das nördlichste Siedlungsgebiet der prußischen Stämme lag am Fluss Memel, der über seine beiden Mündungsarme in das Kurische Haff mündet. Der Ruß (litauisch: Rusnė) ist der nördliche (Haupt-)Mündungsarm in Litauen. An seiner Mündung liegt die gleichnamige Stadt Ruß (Rusnė), der Name bedeutet „Ort, der umflossen wird“. Der südliche Mündungsarm der Memel ist die Gilge (russisch Matrossowo) in der russischen Oblast Kaliningrad, an dessen Mündung auch die gleichnamige Ortschaft Gilge liegt.
[Bearbeiten] Urkundliche Erwähnungen
Als Brus werden die Prußen von einem bajuwarischen Geographen im 9.Jh. erwähnt; spätere Reisende wie Wulfstan von Haithabu auf dem Weg nach der prußischen Handelsstadt Truso und Ibrahim Ibn Jakub berichten ebenfalls über sie. Die Identifizierung in frühen Quellen, etwa die Aesti in Tacitus Germania oder in Jordanes De Origine Actibusque Getarum ("Vom Ursprung und den Taten der Gothen"), sind durch viele Funde dokumentiert.
[Bearbeiten] Eroberungsversuche
In der Geschichtsschreibung tauchen die Prußen auf, als der böhmische Bischof Adalbert (eigentl. Vojtěch) von Prag 997 versuchte, sie zu christianisieren. Die parallel zur Missionierung erfolgenden Eroberungsversuche durch Bolesław I. machten Adalbert als Spion verdächtig; seine Missachtung der heiligen Haine führte dann zu seinem Tod durch Prußen.
[Bearbeiten] Missionierung
In der Folgezeit versuchte Polen mehrmals, das Siedlungsgebiet der Prußen zu erobern, um damit einen Zugang zur Ostsee zu gewinnen. Diese ebenfalls unter dem Vorwand der Missionierung durchgeführten Kriegszüge scheiterten jedoch am Widerstand der Prußen. Weitere Versuche (1209, 1220 und mehr) durch Herzog Konrad von Masowien, die Prußen zu unterwerfen, konnten immer wieder erfolgreich abgewehrt werden. Konrad stiftete auf Anraten Bischof Christian von Oliva 1224 einen Orden aus deutschen Rittern, die Ritter von Dobrin. Es waren nur wenige Ritter und auch diese konnten von den Prußen abgewehrt werden. Da sich Konrad nun durch die Abwehr der Prußen selbst verunsichert sah, rief er den Deutschen Orden zu Hilfe.
In 1224 hatte Kaiser Friedrich II. Livland , Preußen usw. in kaiserlichen Schutz genommen und die Einwohner als Reichsfreie nur direkt der Kirche und dem Kaiserreich direkt unterstellt und sie von Dienst und Jurisdiktion jeglicher Herzöge befreit. Ende 1224 verkündete der Papst der gesamten Christenheit, daß er Bischof Wilhelm von Modena als Legaten für Livland, Preußen usw. eingesetzt habe.
Um die Nordgrenze Masowiens, also die Südgrenze Preußens wieder zu festigen, bot Herzog Konrad von Masowien dem Deutschen Ritter-Orden Landrechte im Gegenzug für militärische Unterstützung als Gegenleistung ihrer Hilfe an. Der Deutsche Orden wartete aber ab, bis er den Besitz Preußens vom Kaiser bestätigt bekam, welches mit der Goldenen Bulle von Rimini 1226 geschah.
Ein weiterer Vertrag von Kruschwitz 1230 soll auf einer angeblich gefälschten Urkunde basierenden Landrechte von Konrad darstellen, wie manche annehmen. Jedoch ist solch eine Urkunde angeblich nicht vorhanden.
Die Bullen von 1234 vom Papst und 1226 vom römisch-deutschen Kaiser über formelle Bestätigungen sind vorhanden.
[Bearbeiten] Kampfzeit gegen den deutschen Orden
Im Laufe des 13.Jh. gelang es dem Deutschen Ritterorden durch steten Zufluss an neuen Kräften nach langen Auseinandersetzungen, die immer stärker dezimierten Prußen zu unterwerfen und zu christianisieren.
- 1234 erfolgreicher Feldzug des Ordens gegen die Prußen.
- 1242 erster großer Prußenaufstand (unter Leitung von Herkus Monte)
- 1249 Vertrag von Christburg mit Friedensbedingungen.
- 1260 bis 1272 zweiter großer Aufstand der Prußen nach der Schlacht an der Durbe
Über die Kampfzeit des Ordens und die kriegerischen Ereignisse berichtet der Priesterbruder des Deutschen Ordens Peter von Dusburg. In seiner "Chronicon Terrae Prussiae" nennt er die Bewohner des Landes "Prutheni" (latinisierte Form). Das deutet in der Aussprache auf ein langes "u" hin, wie es bis 1945 in ostpreußischen Dialekten noch unverwechselbar klang. Auch die überlieferten Namen, z. B. des Donnergottes Perkuhn oder Personennamen wie Willuhn, sprechen gegen ein kurzes "u".
[Bearbeiten] Großer prußischer Freiheitskrieg
Während der prußischen Aufstände kam in Folge von Mord und Umsiedlungen eine hohe Zahl von Prußen ums Leben; nach neuerer Forschung, je nach Gebiet, 20 bis 50% der Bevölkerung. Die in Texten des 19. und frühen 20. Jh. vertretene These, wonach bis zu 80% der Prußen umgekommen seien, konnte wissenschaftlich widerlegt werden. Der gemutmaßte Wert war unter der rassistischen Annahme entstanden, der Deutsche Ritterorden habe einen "germanischen Siedlungsraum" schaffen wollen. In wie weit man bei allen genannten Zahlen von einem Völkermord an den Prußen im modernen Sinn sprechen kann, ist diskussionsabhängig. Auch ohne die Absicht eines Genozids, wie ihn heute die UNO definiert, ist die Ermordung eines Fünftels oder gar der Hälfte der Angehörigen einer Bevölkerungsgruppe erschreckend. Die Überlebenden der Kriege konnten noch bis etwa 1700 ihre ethnische Identität bewahren und passten sich während der folgenden Jahrhunderte der deutschen, litauischen und zum Teil der polnischen Kultur an.
In den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten förderte der vom Deutschen Ritterorden gegründete Ordensstaat den Zustrom deutscher Ritter, Bauern und Bürger, wodurch die Altpreußische Sprache ihre Eigenständigkeit verlor. Nur Teile davon blieben im ostpreußischen Platt und in den Ortsnamen erhalten. Die vorchristliche Kultur der Prußen wurde von der christlichen Kirche unterdrückt.
[Bearbeiten] Reformation und Relikte heute
Nach der Reformation trat die prußische Kultur wieder offener in Erscheinung, und wurde noch bis ins 17. und 18. Jh. etwa vom preußischen Historiker Christoph Hartknoch nachgewiesen. Die Einwanderer und die angestammten Prußen verstanden sich gemeinsam als Preußen. Die offizielle Landessprache wurde das (Mittel)niederdeutsche der Hanse, spezifisch die ostpreußischen Dialekte.
In Danzig wurde die niederdeutsche Amtssprache etwa 1577 vom Hochdeutschen abgelöst.
Heutige Relikte der prußischen Sprache finden sich vor allem in polonisierten Ortsnamen im ehemaligen Ostpreußen und im niederpreußischen und hochpreußischen Dialekten.
[Bearbeiten] Literatur
- Boockmann, Hartmut: Deutsche Geschichte im Osten Europas -Ostpreußen und Westpreußen, Berlin 2002, ISBN 3-88680-772-X
- Deutschler, Yorck: Die Aestii - Bezeichnung für die heutigen Esten Estlands oder die untergegangenen Pruzzen Ostpreußens, in: Deutschler, Yorck, " "Die Singende Revolution" - Chronik der Estnischen Freiheitsbewegung (1987-1991)", S. 196-198, Ingelheim, März 1998/Juni 2000, ISBN 3-88758-077-X
- Dusburg, Peter von: Chronica Terre Prussie, Darmstadt 1984, ISBN 3-534-00604-6
- Wunder, Heide: Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte der Komturei Christburg <13.-16. Jahrhundert>, Wiesbaden 1968
[Bearbeiten] Weblinks
- Teilweise Landkarte Altes Preußenland, preußische Gaue
- Landkarte preußische Gaue, preußische Gaue
- http://www.preussenweb.de/pruzzen.htm
- http://www.ostpreussen-info.de/land/masgesch.htm
- http://www.prussen.org