Quadratur des Kreises
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Die Quadratur des Kreises ist ein klassisches Problem der Geometrie. Die Aufgabe besteht darin, nur mit Lineal und Zirkel aus einem gegebenen Kreis ein Quadrat mit demselben Flächeninhalt zu konstruieren. Das Problem lässt sich bis in die Anfänge der Geometrie zurückverfolgen und beschäftigte jahrhundertelang führende Mathematiker, darunter auch Leonardo da Vinci. Im Jahr 1882 bewies der deutsche Mathematiker Ferdinand von Lindemann, dass diese Aufgabe unlösbar ist.
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[Bearbeiten] Problemstellung
Die Fläche eines Kreises ist proportional zum Quadrat seines Radius. Proportionalitätskonstante ist die so genannte Kreiszahl π. Die Kreiszahl bestimmt auch das Verhältnis des Umfangs eines Kreises zu seinem Durchmesser. Berechnen lässt sich die Fläche eines Kreises als ½ · Radius · Umfang, sie ist also gleich der Fläche eines Dreiecks mit dem Kreisradius als Grundseite und dem Kreisumfang als Höhe. Da sich Dreiecke mit elementaren Mitteln in flächengleiche Quadrate umwandeln lassen, entspricht das Problem der Quadratur des Kreises der Frage nach der Konstruierbarkeit des Umfangs eines Kreises aus dem vorgegebenen Radius und damit nach der Konstruierbarkeit von π.
Konstruierbar sind in klassischer Sichtweise alle geometrischen Größen, die sich durch eine endliche Zahl von Operationen mit den euklidischen Werkzeugen Lineal und Zirkel aus vorgegebenen Größen herleiten lassen. Aus einer vorgegebenen Strecke lassen sich mit diesen Hilfsmitteln genau die Strecken konstruieren, deren Länge man durch eine endliche Anzahl von rationalen Operationen (Additionen, Subtraktionen, Multiplikationen und Divisionen) und einer endlichen Anzahl von Quadratwurzeln aus der ursprünglichen Länge ableiten kann. Die konstruierbaren Längen sind insbesondere algebraische Zahlen, also eine Teilmenge der Zahlen, die eine Lösung (Nullstelle) eines Polynoms beliebigen Grades mit rationalen Koeffizienten sind. Zahlen, die nicht algebraisch sind, heißen transzendent und sind nicht konstruierbar.
[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Beweis der Unmöglichkeit
Ferdinand von Lindemann gelang der Beweis, dass π nicht algebraisch, sondern transzendent ist. Deshalb ist π nicht konstruierbar und die Quadratur des Kreises unmöglich.
Lindemann griff in seiner Arbeit auf ein Ergebnis des französischen Mathematikers Charles Hermite zurück. Dieser hatte 1873 gezeigt, dass die Eulersche Zahl e transzendent ist. Darauf aufbauend konnte Lindemann den so genannten Satz von Lindemann-Weierstraß beweisen, welcher besagt, dass für beliebige voneinander verschiedene algebraische Zahlen und für beliebige algebraische Zahlen
die Gleichung
nur dann gelten kann, wenn alle nk den Wert Null haben. Insbesondere kann für keine algebraische Zahl z der Ausdruck ez eine rationale Zahl ergeben.
Nach dieser Vorbereitung konnte Lindemann die Annahme, π sei algebraisch, mit Hilfe der Eulerschen Identität eiπ = − 1 zum Widerspruch führen, π musste transzendent sein.
Lindemanns Beweis für die Transzendenz von π wurde in den folgenden Jahren und Jahrzehnten noch wesentlich vereinfacht, so etwa durch David Hilbert im Jahre 1893.
[Bearbeiten] Fruchtlose Versuche
Der mathematische Beweis, dass die Quadratur des Kreises unmöglich ist, hat viele Laien nicht daran gehindert, Jahre an Arbeit in dieses Problem zu stecken. So beschäftigte dieses Problem den politischen Philosophen Thomas Hobbes bis ins hohe Alter. Trotz Blamagen und Rückschlägen ließ er sich nicht von der Überzeugung abbringen, dutzende Male mit verschiedenen Methoden die Lösung gefunden zu haben. Mathematik-Institute in aller Welt bekommen regelmäßig Post von »Kreisquadrierern«, die behaupten, das Problem gelöst zu haben, obwohl es bereits durch den Beweis der Unmöglichkeit als erledigt gilt. Manche Mathematiker, wie Dudley Underwood, sammeln solche Briefe, finden die elementaren Fehler darin und veröffentlichen sie als Unterhaltungsmathematik. Bei anderen nachweislich unlösbaren Problemen, z.B. der Dreiteilung des Winkels oder der Würfelverdoppelung, gibt es das gleiche Phänomen.
[Bearbeiten] Näherungskonstruktionen
Obwohl also eine exakte Lösung mit Zirkel und Lineal nicht möglich ist, gibt es Näherungskonstruktionen für die Kreisquadratur, die für viele Zwecke exakt genug sind. Eine klassische und sehr bekannte Näherungslösung ist die Näherungskonstruktion von Kochański, die der polnische Mathematiker Adam Adamandy Kochański im Jahr 1685 entdeckt hat.
Damit ergibt sich als Näherung
Eine wesentlich einfachere und noch genauere Methode ist folgende:
Der Flächeninhalt des Umkreises eines rechtwinkligen Dreiecks ist gleich dem Quadrat über der größeren Kathete, wenn sich das Verhältnis der beiden Katheten zueinander verhält wie
Multipliziert man beide Seiten der Gleichung mit 44, erhält man das Verhältnis 44:22,99982... Daraus ergibt sich eine einfache Näherung, indem man das (konstruierbare) rechtwinklige Dreieck mit dem Katheten-Verhältnis 44:23 (in der Zeichnung orange) zur Quadratur benutzt. Dies entspricht der Näherung
Die Fläche des so konstruierten Quadrates ist etwas zu klein und beträgt ca. 99,99967 Prozent der Kreisfläche. Der Fehler ist also kleiner als 1/1000 Prozent. Oder anders formuliert: Erst ab einem Kreisradius von 30,86 cm unterscheiden sich die beiden Flächen um mehr als einen Quadratmillimeter.
[Bearbeiten] Das Problem als Metapher
Die Nutzlosigkeit der Suche nach Lösungen hat die Quadratur des Kreises als Metapher bekannt gemacht. Der Ausdruck wird einerseits als Synonym für ein Unterfangen benutzt, das von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Andererseits bezeichnet man das Ergebnis großer Anstrengungen scherzhaft als Quadratur des Kreises, wenn es einem unglaublichen Wunder gleichkommt.
[Bearbeiten] Literatur
allgemein
- Eugen Beutel: Die Quadratur des Kreises. 2. Auflage. Teubner, Leipzig 1920. (Digitalisat in der University of Michigan Historical Math Collection)
- Dudley Underwood: Mathematik zwischen Wahn und Witz. Trugschlüsse, falsche Beweise und die Bedeutung der Zahl 57 für die amerikanische Geschichte, Birkhäuser, Basel 1995. ISBN 3-7643-5145-4 (englischer Originaltitel: Mathematical cranks)
zur Transzendenz von π
- Ferdinand Lindemann: Über die Zahl π. In: Mathematische Annalen 20 (1882), S. 213 - 225.
- David Hilbert: Ueber die Transcendenz der Zahlen e und π. In: Mathematische Annalen 43 (1893), S. 216 - 219.
- Paul Albert Gordan: Transcendenz von e und π. In: Mathematische Annalen 43 (1893), S. 222 - 224.
- Theodor Vahlen: Beweis des Lindemann'schen Satzes über die Exponentialfunction. In: Mathematische Annalen 53 (1900), S. 457 - 460.