Tschusch
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Tschusch (Plural Tschuschen, in Oberösterreich Tschutsch) ist eine in Österreich und Südtirol verbreitete abwertende und verächtliche Bezeichnung für Bewohner des früheren Jugoslawien, aber auch für Türken und andere dunkelhäutige Ausländer. Sie ist mit dem deutschen Schimpfwort Kanake vergleichbar, welches seltener auch in Österreich verwendet wird.
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[Bearbeiten] Etymologie
Über die Herkunft des Wortes gibt es mehrere Theorien:
- Dem Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich zufolge leitet sich der Begriff von čuješ (ausgesprochen: ‚tschujesch‘; serbokroatisch Präsens, 2. Person Singular des Verbs čuti (hören): „hörst“ bzw. Wienerisch heast) ab. Die Verwendung kam etwa von 1860 bis 1880 auf, als sich südslawische Arbeiter bei den Bauarbeiten der Südbahnstrecke dieses Wort vermehrt zuriefen.
- Die österreichische Sprachwissenschaftlerin Maria Hornung führt den Begriff auf das Slowenische čuš bzw. čuž zurück (im Friaulischen auch zús), welches ursprünglich „Dummkopf“ bedeutete und später zu „Fremder“ umgedeutet worden sei[1]. Auch auf Russisch bedeutet чужой (tschuschoi) fremd, was nahelegt, dass der Wortstamm im Slawischen verbreitet ist.
- Eine andere Theorie besagt, dass sich das Wort von der serbokroatischen Interjektion ćuš (ausgesprochen: ‚tjusch‘) herleitet, mit dem früher Lasttiere angetrieben wurden. Dieser Ausruf habe sich dann auch als Bezeichnung für die Lasttreiber durchgesetzt. Im Zuge der Okkupation Bosnien und Herzegowinas an Österreich-Ungarn 1878 sei dann diese Bezeichnung (inoffiziell, aber ursprünglich wertfrei) für die neue Volksgruppe verwendet worden. [1]
- Der Wiener Wirtschaftshistoriker und Slawist Wolfgang Rohrbach ortet den Ursprung des Wortes im Umfeld der Habsburger Militärgrenze (Krajina)[2]. Aufgrund des militärischen Hintergrunds ist der Begriff möglicherweise vom türkischen Wort çavuş (Sergeant, Vorarbeiter) abgeleitet, das durch Elision oder Monophthongierung von „Tschausch“ zu „Tschusch“ wurde. Laut den im 15. Jahrhundert verfassten Memoiren des serbischen Janitscharen Konstantin Mihailović waren „Tschauschen“ ursprünglich Herolde bzw. Boten des Sultans[3]. Das Wort war in den von Osmanen eroberten Gebieten Jugoslawiens weit verbreitet und wird auch in der serbischen Volkspoesie erwähnt. In Deutsch-Ostafrika wurden farbige Unteroffiziere der Schutz- und Polizeitruppe „Tschauschen“ genannt[4].
[Bearbeiten] Beispiele
Der Begriff Tschusch ist ein Merkmal der österreichischen Kultur bzw. Alltagskultur und wurde in mehreren Werken thematisiert:
- In der satirischen Doppelconférence Travnicek im Urlaub von Carl Merz und Helmut Qualtinger (1958, gesprochen von Gerhard Bronner und Helmut Qualtinger) „raunzt“ der mürrische und zynische Wiener Travnicek über seinen Jugoslawien-Urlaub, unter anderem weil er sich mit den dort lebenden „Tschuschen“ nicht habe unterhalten können. Auch im Stück Travnicek und das neue Wien wird der Begriff erwähnt. [5]
- Um Fremdenfeindlichkeit abzubauen, wurden 1973 in Österreich Plakate mit folgendem Text affichiert[6][7]:
- I haaß Kolaric
- du haaßt Kolaric
- Warum sogns' zu dir Tschusch?
- (Ich heiße Kolaric, du heißt Kolaric. Warum sagen sie zu dir Tschusch?)
- Das Plakat thematisiert den Umstand, dass auch assimilierte bzw. akkulturierte Österreicher slawischer Herkunft ihre kürzlich zugewanderten Mitbürger abwertend als Tschuschen bezeichnen. Diese Beobachtung wird aus dem Blickwinkel eines Kindes als widersprüchlich dargestellt.
- Im Lied Drago der österreichischen Band STS taucht das Wort Tschusch auf. Es ist zu beachten, dass es sich bei dem Lied um ein Werk gegen Fremdenfeindlichkeit handelt.
- Es brauchn nur drei Menschen zamman kumman und schon is aaner da Tschusch, da Jud oder da Neger.
- (Es müssen nur drei Menschen zusammenkommen und schon ist einer der Tschusch, der Jude oder der Neger.)
- Lukas Resetarits' berühmter Sketch Tschusch-Tschusch erschien erstmals 1983 auf dem Album Werwolfromantik der Gruppe Drahdiwaberl. Er setzt sich satirisch mit Vorurteilen „echter Wiener“ gegenüber jugoslawischen und türkischen „Tschuschen“ auseinander.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Quellen
- Peter Wehle: Sprechen Sie Wienerisch? Von Adaxl bis Zwutschkerl; (Wien, Heidelberg 1980); ISBN 3-8000-3165-5
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ a b Robert Sedlaczek: "Tschusch!" im Wandel der Zeit. Wiener Zeitung, 15. Februar 2006
- ↑ Wolfgang Rohrbach: Auf den Spuren der Serben Wiens. Wiener Geschichtsblätter, Jg. 56, 2001, Heft 3, S. 186 f.
- ↑ Memoiren eines Janitscharen oder Türkische Chronik. Eingeleitet und übersetzt von Renate Lachmann. Slavische Geschichtsschreiber Bd. VII. Graz 1975. (serb.)
- ↑ Deutsches Kolonial-Lexikon (1920), Band III, S. 261
- ↑ Carl Merz - Helmut Qualtinger: Travniceks gesammelte Werke. Preiser Records, Wien 1988.
- ↑ Plakat "I haaß Kolaric, du haaßt Kolaric, warum sogns zu dir Tschusch", 1973
- ↑ Ursula Hemetek (Hrsg): Am Anfang war der Kolaric. Plakate gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit Mandelbaum, März 2002. ISBN 3854760671