Urinal
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Ein Urinal, auch Pissoir oder Pinkelbecken genannt, ist eine Vorrichtung in einer Toilette zum Urinieren für männliche Personen.
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[Bearbeiten] Aufbau
Als Weiterentwicklung der Pinkelrinne entstanden, sind die heutigen Urinale meist aus Porzellan, seltener auch aus Edelstahl oder Kunststoff gefertigt und so ausgeformt, dass der Urin möglichst spritzfrei aufgenommen wird.
Hauptsächlich findet man Urinale in öffentlichen Herrentoiletten. Die meisten Urinale haben eine Wasserspülung, die mit einem handbetätigten Spülventil oder über automatische Sensoren betätigt wird. Bei manchen Urinalen wird in regelmäßigen Zeitabständen automatisch gespült. Es gibt seit einigen Jahren auch wasserfreie Urinale, die keine Spülung benötigen, und somit erhebliche Wassermengen sparen.
Zwischen Urinalen sind gelegentlich Sichtschutzwände angebracht. Weiterhin sind zur einfacheren Reinigung meist WC-Steine und ein Auffanggitter für Zigarettenstummel etc. im Urinal vorhanden. Manchmal ist auch ein Urinal in etwas niedrigerer Höhe angebracht, um Jungen und kleineren Männern die Nutzung zu ermöglichen.
Bisweilen werden in Urinalen "Zielhilfen" angebracht. Solche Markierungen werden entweder bei der Produktion mit in die Keramik eingebrannt oder es werden nachträglich spezielle oder improvisierte Aufkleber angebracht. Häufig hat die Markierung das Aussehen einer Fliege. Eingesetzt wird dieser Trick, der den Reinigungsaufwand signifikant verringern soll, beispielsweise in den "WC-Centern" der Deutschen Bahn, auf dem Flughafen Schiphol in Amsterdam oder in Szenekneipen. So werden manchmal auch die Spritzschutzmatten mit einem kleinen Tor und einem davon herunter hängenden Ball versehen, um die Zielgenauigkeit unter Ausnutzung des Spieltriebes zu erhöhen.
Da beim Urinieren der Körper keinen Kontakt mit dem Urinal hat, ist es in dieser Hinsicht hygienisch unproblematisch. Andererseits ist ein Urinal bei weitem nicht so spritzfrei wie im Sitzen verwendete Toiletten, was aber erst bei der Benutzung mit kurzer Hose auffällt.
Anstelle von Urinalen werden auch häufig sogenannte Pinkelrinnen verwendet, da diese von mehreren Personen gleichzeitig benutzt werden können.
Eine Weiterentwicklung des Urinals ist der sogenannte "Urimat" einer schweizer Firma, der den Urin durch Ausnutzung des Flüssigkeitsdrucks absaugt und kein Wasser oder Chemikalien verwendet.
[Bearbeiten] Urinal für Frauen
![Frauenurinal am Flughafen Dortmund](../../../upload/shared/thumb/4/43/Female_Urinal.jpg/250px-Female_Urinal.jpg)
In der Vergangenheit wurden in Europa, in Japan (siehe auch: Toiletten in Japan) und seit den 1930ern auch in den USA öffentliche Toiletten auch mit Urinalen für Frauen ausgestattet. Vermutlich bedingt durch die zunehmende Hosenmode sind diese heute jedoch so selten geworden, dass die meisten Leute nichts mehr davon wissen (siehe Weblink unten). Einige Sanitärkeramikhersteller haben in den letzten Jahren erneut versucht, spezielle Damenurinale herauszubringen: Die niederländische Firma Sphinx das „Lady-P“ und die italienische Firma Catalano das „Girly“. Parallel dazu ist in Malaysia das „Lady Loo“ auf den Markt gekommen. Alle drei Typen sind zur Benutzung in der Skifahrerstellung vorgesehen und ermöglichen die Entsorgung zum Nachwischen benutzten Papiers über den Abfluss. Dies hat zur Folge, dass sie nahezu genausoviel Wasser verbrauchen und ein genauso dickes Abflussrohr benötigen wie ein normales WC. Damit ist ihre Wirtschaftlichkeit in Frage gestellt und absehbar, dass sich auch diese Typen nicht durchsetzen werden. Wenn ein Damenurinal wirtschaftlich sein soll, muss es mit genauso wenig Wasser auskommen (oder sogar wasserlos funktionieren) und nur einen genauso dünnen Abfluss benötigen wie ein Herrenurinal. Dazu müssten die Frauen aber bereit sein, auf die Papierbenutzung zu verzichten und sich auf die V-Finger-Technik umzustellen. Hierbei werden die Labien mit zwei gepreizten Fingern leicht auseinandergezogen, so dass sie den Strahl ungehindert hindurchlassen und ein Nachwischen wird entbehrlich. Vielen Frauen wäre das Berühren der Genitalien mit den Händen allerdings zuwider. Die Stadt London rüstet zurzeit ihre öffentlichen Damentoiletten allerdings mit solchen Urinalen aus, die nur zur Aufnahme flüssiger Stoffe (und nicht von Papier) vorgesehen sind. Diese Becken sind schmal und führen von der Wand diagonal zum Boden, so dass sich jede Frau unabhängig von ihrer Körpergröße darüberstellen kann. Sie sind ebenfalls für die Skifahrerstellung konzipiert. Die Meinung der Damen darüber ist allerdings geteilt.
Auch mit Hilfe einer Urinella sind Frauen in der Lage, ein Urinal oder eine Pinkelrinne im Stehen zu benutzen, ohne sich die Hose herunterziehen zu müssen. Einsatz fanden diese Hilfsmittel etwa auf Freiluftveranstaltungen wie dem Glastonbury Festival in Pilton, Somerset.
Bei herabgelassener Hose ist die Benutzung von Urinalen durch Damen aber grundsätzlich möglich, wenn die Becken nicht zu hoch hängen oder zu breit sind. In der Praxis kommt dies zwar selten vor, weil es gesellschaftlich unerwünscht ist. Ausnahmen gibt es aber dennoch – allerdings durchweg in abgeschirmten Bereichen. Ein typisches Beispiel gab es in den 50-er und 60-er Jahren auf Kegelbahnen, die nicht unmittelbar mit dem Gaststättenbereich verbunden waren, sich also im Keller oder auf dem Hof befanden. Wenn dort kein entsprechender Abfluss zur Verfügung stand, wurde neben der Kegelbahn einfach ein Urinal mit einem Waschbecken in eine abschließbare Zelle gebaut und kein zusätzliches WC installiert. Die Keglerinnen benutzten diese Urinale allerdings meist nicht in der Skifahrerhaltung, sondern im aufrechten Stehen wie die Männer. Meist trugen sie damals allerdings keine Hosen, sondern Röcke. Eine Hose hätten sie eben herunterziehen müssen.
Ein weiteres Beispiel gibt es in kleineren Orten, wo die Sportplätze außerhalb des Ortes liegen und oft nicht über einen Kanalisationsanschluss verfügen. Da Fußball früher ein reiner Jungensport war, wurden die Sportplätze oft nur mit Duschen und Urinalen oder Pinkelrinnen ausgestattet, deren Abfluss in eine Drainage mündete. Auf Toiletten wurde verzichtet. Da Fußball heute kein reiner Jungensport mehr ist, müssen die Mädchen dort auch mit den vorhandenen Sanitäranlagen auskommen. In Norwegen existiert sogar ein höchstrichterliches Urteil, in dem die Mitbenutzung von Urinalen durch Frauen aus Gründen der Gleichberechtigung ausdrücklich gefordert und für zumutbar gehalten wird.
[Bearbeiten] Das Kunstobjekt Urinal von Marcel Duchamp
Furore machte ein Urinal 1917 in der Kunstgeschichte, und zwar im Rahmen der von Marcel Duchamp erfundenen Ready-mades - einer Kunstform, bei der vorgefundene, simple, meist von der Industrie als Massenprodukt hergestellte Alltagsgegenstände zu Kunstobjekten erklärt wurden.
Vor allem ist es das von Duchamp mit einem Pseudonym signierte und als "Fountain" bezeichnete Urinal, das bis heute für Verwirrung in der Kunstgeschichte sorgt.
Marcel Duchamp war einer der Mitbegründer der 1917 entstandenen "Society of Independent Artists Inc." (S.I.A.) und als einziger Europäer einer der einundzwanzig Direktoren. Der Vorsitzende war William Glackens, der auch schon bei der Organisation der Armory Show mitgewirkt hatte. Der Künstler zahlte eine Eintrittsgebühr von einem Dollar, um Mitglied der Gesellschaft zu werden. Für die Jahresgebühr von fünf Dollar durfte er dann maximal zwei Werke in der Jahresausstellung zeigen. Nach dem Vorbild der französischen «Société des Indépendants» sollten für die geplanten Ausstellungen keine Zensur und keine Vorauswahl durch eine Jury stattfinden, so dass jeder, „der die Gebühr bezahlte", auch hätte ausstellen können. Unter diesen Bedingungen schien es für Duchamp möglich zu sein, einen Versuch mit einem Ready-made zu unternehmen. Duchamp besorgte sich bei der New Yorker Firma „J. L. Mott Iron Works", einem „sanitary equipment manufacturer", ein Urinal, wie es in öffentlichen Bedürfnisanstalten für Männer als Toilettenbecken Verwendung findet.
Dieses Objekt wurde unter falschem Künstlernamen als Kunstwerk eingereicht. Die Bezeichnung für das Werk ist nicht „Urinal", „Urinoir" oder gar „pissotière", sondern es erhält den englischen Titel „Fountain". Das englische, dem Französischen entlehnte „Fountain" meint genau wie das französische „Fontaine" nicht nur (Frisch)-Wasserbehälter, -becken, sondern auch Quelle und Wasserspender, eben Springbrunnen. Im übertragenen Sinne steht das Wort für Wurzel und Ursprung. Das heute verlorene Objekt Fountain ist durch die Photographie in der zweiten Ausgabe von The Blind Man (New York, Mai 1917) auf Seite 4 authentisch überliefert. Die Photographie, die Alfred Stieglitz anfertigte, ist selbst ein weiteres, ein neues Kunstwerk. Die Gruppe um Marcel Duchamp sorgte für Publizität. Fountain wurde „ausgestellt" – jedoch nicht im konventionellen Sinn. Fountain wurde zum Medienereignis.
Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die von Duchamp verwendete Signatur "R. Mutt". Der in der Signatur auf dem Becken nicht ausgeschriebene Vorname ist durch unmittelbare Quellen als „Richard" bekannt (The Blind Man No. 2). Das französische un richard ist die Bezeichnung für einen „stinkreichen Kerl", für einen „Geldsack". Der Vorname lässt sich auch teilen. Es entstehen die beiden Worte rich und art, die sowohl als französische wie als englische Begriffe lesbar sind und in beiden Sprachen sogar das Gleiche bedeuten: „reich" und „Kunst". Dieser phonetisch, lexikalisch und linguistisch einzigartige Name hat und muss auf den Franzosen Duchamp, der sich in Amerika aufhält und zugleich als wenig begüteter Künstler seinen Lebensunterhalt mit Französischunterricht verdient, eine einzigartige Faszination ausgeübt haben.
Die heutzutage in Ausstellungen gezeigten Urinale stammen aus einer Edition von acht Stück, die im Oktober 1964 in Mailand aufgelegt wurde.
Literatur: Heinz Herbert Mann: Marcel Duchamp: 1917. München: Silke Schreiber, 1999. ISBN 3-88960-043-3
[Bearbeiten] Urinal in der Pflege
In der Pflege von an Harninkontinenz leidenden Männern findet ein Hilfsmittel gleichen Namens Verwendung. Dieses Urinal ist ein Ableitungssystem, das nicht in die Harnröhre eingelegt wird. Wie ein Kondom umschließt es wasserdicht das Glied und leitet den Urin mit einem kleinen Schlauch in einen Sammelbeutel. Dieser Urinbeutel kann gelegentlich, vollkommen unauffällig für die soziale Umgebung entleert werden. Die Harninkontinenz ist damit nicht geheilt, aber in ihren sozialen Folgen kompensiert (Zitat: "... der ist nicht ganz dicht").
Dieses Urinal hat weniger schädliche körperliche Folgewirkungen als ein Blasenkatheter (aufsteigende Infektionen, Ulcerationen, Schmerzen).
[Bearbeiten] Siehe auch
- Paruresis
- Fäkalkeime
- Spureinlauf
- Klostein
- Urinstein
- Café Achteck
- Urinella
- Urin oder Miktion
[Bearbeiten] Weblinks
- Urinale Urinale, aufgenommen von Mathias Riemann
- Klofoto-Seite - Zahllose Urinal-Bilder (deutsch)
- Fotosammlung von Urinalen weltweit (z.B. am Südpol) (englisch)
- " MARCEL DUCHAMP: Fountain (englisch)
- Lady-P der Fa. Sphinx
- norwegisches Urteil zur Gleichberechtigung und Urinalbenutzung
- P-Mate- Hilfsmittel für Frauen, um im Stehen zu urinieren