Walter F. Otto
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Walter Friedrich Gustav Hermann Otto (meist kurz Walter F. Otto; * 22. Juni 1874 in Hechingen; † 23. September 1958 in Tübingen) war ein deutscher Altphilologe, der besonders für seine Arbeiten über Bedeutung und Nachwirkung der griechischen Religion und Mythologie bekannt ist, vor allem durch Die Götter Griechenlands (zuerst 1929).
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[Bearbeiten] Leben
Walter F. Otto wurde als Sohn des Apothekermeisters Hermann Ernst Otto im damals hohenzollerischen Hechingen geboren. Nachdem seine Familie wenig später nach Stuttgart umgesiedelt war, besuchte Walter F. Otto ab dem Herbst 1882 das dortige Eberhard-Ludwigs-Gymnasium. Statt dem Abitur legte er, wie damals in Württemberg möglich, 1892 den so genannten Konkurs ab, ein Examen, das zur Aufnahme in das Tübinger Evangelische Stift berechtigte, was dank freier Kost und Logis sowie teilweise individueller Förderung einem Stipendium gleichkam.
Wie es von den 'Stiftlern' erwartet wurde, begann Otto evangelische Theologie zu studieren, wechselte jedoch nach zwei Semestern zur Klassischen Philologie. Er wurde zum Schüler der Professoren Otto Crusius, Ludwig Schwabe und Wilhelm Schmid. Schmid veranlasste Otte auch, von Tübingen nach Bonn zu wechseln, wo er sein Studium bei Hermann Usener und Franz Bücheler beendete. Der vor allem als Latinist berühmte Bücheler prägte den jungen Philologen so stark, dass auch Otto sich in den folgenden 20 Jahren überwiegend Fragen der römischen Kultur und Literatur widmete, wogegen er heute wegen seiner späteren Werke in erster Linie als Gräzist bekannt ist.
Otto wurde 1897 in Bonn mit der Dissertation Nomina propria latina oriunda a participiis perfecti („Vom Partizip Perfekt abgeleitet latinische Eigennamen“) promoviert; dazu legte er das Staatsexamen für das Lehramt an höheren Schulen ab. Im Folgejahr wurde er Assistent bei der Vorbereitung des Thesaurus Linguae Latinae (ThLL) und wechselte dafür nach München. Bis 1911 wirkte er als Redaktor und Verfasser des Onomasticum Latinum; in dieser Zeit habilitierte er sich zudem bei Crusius. Im Herbst 1911 erhielt Otto seinen ersten Ruf als a. o. Professor nach Wien, wo er Hans von Arnim kennen lernte; die beiden wurden enge Freunde.
Zwei Jahre später wechselte Otto nach Basel, wo er auf die Stelle des Ordinarius berufen worden war, ein weiteres Jahr später (1914) an die eben neu gegründete Universität in Frankfurt am Main, wo er 20 Jahre lang als Professor für klassische Philologie wirkte. Es entwickelte sich eine enge Freundschaft mit Karl Reinhardt.
Die NS-Regierung zwang Otto 1934, einen Ruf nach Königsberg anzunehmen. 1939 und 1940 gab er zusammen mit Karl Reinhardt und Ernesto Grassi die Jahrbücher Geistige Überlieferung heraus. Otto drückte in den Einleitungen seine Besorgnis um das Geschick der antiken Tradition aus; die Jahrbücher wurden vom Regime verboten. Am Ende des Zweiten Weltkriegs konnte Otto 1944 zwar noch aus Königsberg fliehen, verlor dabei aber seinen gesamten Besitz inkl. Büchern und Manuskripten. In der Zeit bis zum Kriegsende fand Otto Zuflucht in Elmau bei Garmisch-Partenkirchen in Bayern, wo die Elmauer Gemeinde durch Vorträge sowie kleine Theateraufführungen unterhielt.
Nach Kriegsende erhielt Otto zunächst nur Vertreterstellen: Ende 1945 in München, 1946 in Göttingen, Herbst 1946 als Gastprofessor in Tübingen, dann ebendort Vertreter, in allen Fällen für Gräzistik. Nach der Wiederbesetzung des Tübinger Lehrstuhls gehörte er dem Lehrkörper der Universität als Emeritus an. In Tübingen fand Otto Ruhe, gute Arbeitsverhältnisse und Studenten; noch mit 83 hielt er Vorlesungen und Kolloquien. In Tübingen starb Otto im Herbst 1958 über der Arbeit an einem Aufsatz Die Bahn der Götter (ersch. postum 1963). Er wurde auf dem Tübinger Waldfriedhof begraben.
In seinen Schriften über die griechische Religion und Mythologie, v.a. in den beiden oft als seine Hauptwerke angesehenen Büchern Die Götter Griechenlands (1929) und Dionysos (1933), stellte Walter F. Otto besonders die 'rationalen' Züge der antiken Mythologie heraus. Dadurch setzte er sich merklich von der eher traditionellen religionswissenschaftlichen Schule Hermann Useners ab; in Ottos Beschreibung wurde der griechische Glaube zu einer Art „Religion des objektiven Erkennens“ (Karl Reinhardt). Dies erklärt die starke und bis heute reichende Wirkung von Ottos Schriften gerade auch auf nicht-philologische Gelehrte, etwa auf Karl Kerényi. Aus denselben Gründen wurden sie allerdings auch (besonders Theophania, 1959) von der Seite christlicher Theologen als Versuch einer Wiederbelebung der antiken Religion missverstanden und attackiert. Walter F. Otto selbst lehnte eine derartige Auslegung stets als absurd ab.
[Bearbeiten] Schriften
- Nomina propria latina oriunda a participiis perfecti (Dissertation)), Supplement-Bd. 24 (1898) der Jahrbücher für classische Philologie
- Der Geist der Antike und die christliche Welt, Bonn 1923
- Die Manen oder Von den Urformen des Totenglaubens, Berlin 1923 (2. Aufl. Tübingen 1958, Nachdruck Darmstadt 1983)
- Die altgriechische Gottesidee, Berlin 1926
- Die Götter Griechenlands. Das Bild des Göttlichen im Spiegel des griechischen Geistes, Bonn 1929 (weitere Auflagen Frankfurt am Main)
- Der europäische Geist und die Weisheit des Ostens, Frankfurt am Main 1931
- Dionysos. Mythos und Kultus, Frankfurt am Main 1933
- Der griechische Göttermythos bei Goethe und Hölderlin, Berlin 1939
- Der Dichter und die alten Götter, Frankfurt am Main 1942
- Das Vorbild der Griechen, Tübingen/Stuttgart 1949
- Gesetz, Urbild und Mythos, Stuttgart 1951
- Die Musen und der göttliche Ursprung des Singens und Sagens, Düsseldorf 1954
- Die Gestalt und das Sein. Gesammelte Abhandlungen über den Mythos und seine Bedeutung für die Menschheit, Düsseldorf 1955
- Theophania. Der Geist der altgriechischen Religion, 2. Aufl. Hamburg 1959 (Neuausgabe Frankfurt a. M. 1975, 2. Aufl. 1979)
- Mythos und Welt, Stuttgart 1962
- Das Wort der Antike, Stuttgart 1962
- Die Wirklichkeit der Götter. Von der Unzerstörbarkeit der griechischen Weltsicht, hg. von Ernesto Grassi, Reinbek bei Hamburg 1963
Dazu kommen zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften, Lexika usw. sowie diverse Herausgeberschaften (u.a. Hesiodea. Festschrift für Karl Reinhardt, 1952).
[Bearbeiten] Literatur
- Karl Kerényi: Walter Friedrich Otto. Erinnerung und Rechenschaft, in: Paideuma VII (1959); Nachdruck in: Walter F. Otto, Die Wirklichkeit der Götter. Von der Unzerstörbarkeit der griechischen Weltsicht, hg. von Ernesto Grassi, Reinbek bei Hamburg 1963, 144–154.
- Karl Reinhardt: W. F. Otto. In: derselbe, Vermächtnis der Antike, Göttingen 1960, S. 377-379.
- Willy Theiler: Walter F. Otto (†), in: Gnomon 32 (1960) 87-90.
- Otto, Walter F(riedrich Gustav Hermann), in: Walter Killy, Rudolf Vierhaus (Hrsg.), Deutsche Biographische Enzyklopädie (DBE), Bd. 7 (2001), 536.
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Walter F. Otto im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Artikel von Michael Fuchs im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon
Personendaten | |
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NAME | Otto, Walter F. |
ALTERNATIVNAMEN | Otto, Walter Friedrich Gustav Hermann |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Altphilologe |
GEBURTSDATUM | 22. Juni 1874 |
GEBURTSORT | Hechingen |
STERBEDATUM | 23. September 1958 |
STERBEORT | Tübingen |