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Wladimir Dawidowitsch Aschkenasi

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Wladimir Dawidowitsch Aschkenasi (russisch Владимир Давидович Ашкенази, wiss. Transliteration Vladimir Davidovič Aškenazi, im Konzertbetrieb und auf Tonträgern ausschließlich in englischer Transkription Vladimir Ashkenazy; * 6. Juli 1937 in Gorki, heute Nischni Nowgorod, Russland) ist ein russischer Pianist und Dirigent mit isländischer Staatsbürgerschaft.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Ausbildung

Aschkenasi wurde im russischen Gorki geboren und lebte von 1943 an in Moskau. Nach dem Zweiten Weltkrieg studierte er dort zunächst am Konservatorium bei Lew Oborin, errang 1955 den zweiten Preis am Chopin-Wettbewerb in Warschau und im folgenden Jahr den 1. Platz beim Brüsseler Königin-Elisabeth-Wettbewerb. Durch diese Auszeichnungen wurde die internationale Konzertszene auf ihn aufmerksam und er erhielt Einladungen zu Tourneen durch die USA und Kanada. Im Jahr 1962 stellte er sich noch einmal der russischen Konkurrenz und gewann den Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau; wenige Monate später emigrierte er mit seiner Familie in den Westen. Er ließ sich zunächst 1963 in London nieder, verlegte 1968 seinen Wohnsitz nach Island, der Heimat seiner Frau, und nahm 1972 die isländische Staatsbürgerschaft an. Seit 1982 lebt er in der Schweiz.

[Bearbeiten] Karriere

Aschkenasis Karriere lässt sich in zwei Phasen unterteilen, die in den 1970er Jahren fließend ineinander übergingen. Während der ersten Jahre trat er vor allem als Pianist in Erscheinung und verwirklichte mehrere spektakuläre Konzert- und Plattenprojekte. Bevorzugter Partner dieser Zeit war der Geiger Itzhak Perlman, mit dem er sämtliche Violinsonaten von Beethoven auf Schallplatte festhielt. Ebenfalls ein umfassendes Unterfangen war die Kompletteinspielung der 32 Klaviersonaten Beethovens Mitte der 1960er Jahre für die BBC. Nachdem er sich 1968 in Island niedergelassen hatte, fungierte er neben den üblichen Konzertreisen zunächst für zwei Jahre als künstlerischer Leiter des Reykjavik Festivals. Von Beginn der 1970er Jahre an wandte er sich aber zunehmend seiner zweiten Karriere als Dirigent zu.

Aschkenasi war Musikdirektor des Royal Philharmonic (1987–1994) und erster Gastdirigent des Cleveland Orchestra (1988–1994) und des Philharmonia Orchestra. Außerdem stand er als Gastdirigent am Pult der Berliner Philharmoniker, des Los Angeles Philharmonic, des Boston Symphony Orchestra, des San Francisco Symphony und des Concertgebouworkest und arbeitete auch regelmäßig mit den St. Petersburger Philharmonikern zusammen. Bis Ende Juni 1999 fungierte er als Erster Dirigent und Musikalischer Leiter des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin, eine Stelle, die er seit 1989 innehatte. Von 1998 bis 2003 war er Chefdirigent der Tschechischen Philharmonie Prag. Seit 2004 ist Aschkenasi Musikalischer Leiter des NHK-Sinfonieorchesters in Tokio.

[Bearbeiten] Künstlerische Bedeutung

Im Verlauf von mehr als dreieinhalb Jahrzehnten, in denen Aschkenasi bei Decca unter Exklusivvertrag stand, hat er viele wichtige Werke des Klavierrepertoires auf Tonträger festgehalten, darunter zahlreiche Stücke von Mozart, Beethoven, Chopin, Rachmaninow, Prokofjew und Skrjabin, sowie als Dirigent Werke von Mozart bis Berg, Schönberg bis Strawinski. Viele seiner Klavieraufnahmen haben Referenzcharakter erlangt und haben die Kritiker aufgrund seiner furiosen Spieltechnik, musikalischen Meisterschaft und klangästhetischen Schönheit begeistert.

Seine Einspielung der Rachmaninow-Klavierkonzerte mit dem London Symphony Orchestra unter André Previn wurde im „Penguin Guide to Compact Discs“ so beschrieben: „Die Individualität des Solovortrags, ergänzt durch die Poesie von Previns Begleitung, sind ungemein hörenswert ... eine der großen Leistungen Ashkenazys.“ Zur Rhapsodie über ein Thema von Paganini meinte die britische Zeitschrift Gramophone, sie sei „von Anfang bis Ende bezaubernd“. Über Aschkenasis Interpretation der Klaviersonate Nr. 2 von Chopin hieß es im Penguin Guide: „von höchster Erhabenheit, großer Kraft und Beredtheit, doch auch voller Poesie – der Vortrag im Mittelteil des langsamen Satzes ist exquisit“. Die Einspielungen der Violinsonaten Beethovens mit Itzhak Perlman gehören zu den Bestsellern im klassischen CD-Segment und gelten als eine der versiertesten Aufnahmen dieser Werke überhaupt.

[Bearbeiten] Aschkenasis Orchesterfassung von Mussorgskis Bilder einer Ausstellung

1983 spielte Aschkenasi eine von ihm bearbeitete Fassung von Mussorgskis Klavierzyklus Bilder einer Ausstellung ein. Seine Fassung bleibt nach eigener Aussage näher am Original von Mussorgski, da er vom Ursprungsmanuskript ausgehend, einige in der bekanntesten Orchesterbearbeitung von Maurice Ravel enthaltene Textfehler beseitigte.

"...Übrigens muß man berücksichtigen, daß Ravels meisterhafte Instrumentierung eine Anzahl Textfehler enthält, wahrscheinlich weil er bei seiner Bearbeitung von einer unzulänglichen Ausgabe der Klavierfassung ausging. Leider sind in sämtlichen gegenwärtig erhältlichen Einspielungen fast alle dieser Fehler verewigt, obwohl sie anhand einer vom Manuskript ausgehenden Edition ohne weiteres hätten berichtigt werden können. Ich muß gestehen, daß es mir ein angenehmes Gefühl ist, in meiner Fassung immerhin diese Fehler ausgemerzt zu haben." (Zitat von Aschkenasi)

Des weiteren interpretierte er das von Mussorgski für die Promenaden vorgegebene Tempo "modo russico" anders als in der Fassung von Ravel. Aschkenasi Besucher schreitet nicht die Bilder betrachtend feierlich durch die Ausstellung sondern stapft (bodenständiger, russischer) durch die Ausstellungsräume, bis ihn ein Bild interessiert und er stehen bleibt.

"...Dabei bin ich davon ausgegangen, daß Mussorgskis Klangsprache und das, was er sich meiner Ansicht nach bei der Komposition dieser Suite vorstellte, werkgetreu wieder gegeben werden muß." (Zitat von Aschkenasi)

Aschkenazis Orchesterfassung, die im Vergleich zur Bearbeitung Ravels insgesamt wuchtiger ("russischer") klingt, gilt inzwischen als bedeutende eigenständige Interpretation von Mussorgskis Klavierzyklus.
(Quelle: Booklet der CD-Einspielung Modest Mussorgski "Bilder einer Ausstellung", Bearbeitung von Vladimir Ashkenazy, DECCA, 1983)

[Bearbeiten] Literatur

  • Jasper Parrott: Vladimir Ashkenazy. Jenseits von Grenzen. Atlantis-Musikbuch-Verlag, Zürich 1987, ISBN 3-2540-0141-9

[Bearbeiten] Weblinks


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