Afghanischer Bürgerkrieg und sowjetische Invasion
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Der Afghanistan-Krieg (persisch جنگ شوروی در افغانستان; russisch Афганская война/ Afganskaja woina) bezeichnet die militärische Intervention der Sowjetunion im afghanischen Bürgerkrieg zwischen 1979 und 1989.
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[Bearbeiten] Afghanischer Bürgerkrieg bis 1979
Nach der Übernahme der Macht durch die kommunistische „Demokratische Volkspartei Afghanistans“ (DVPA) unter Nur Muhammad Taraki am 27. April 1978 betrieb diese eine Annäherung an den Ostblock, um die gesellschaftliche Umgestaltung (Bildungsprogramm, Bodenreform etc.) voranzutreiben.
Insbesondere die Säkularisierung sowie die Vertreibung ehemals privilegierter Gruppen führte zu einem breiten Widerstand, der von der CIA unterstützt wurde. Es gründeten sich in dieser Zeit rund 30 Mudschahedin-Gruppen. Um die politische Zielstellung kam es auch zu Auseinandersetzungen innerhalb der DVPA. Mit der Ermordung Tarakis übernahm Hafizullah Amin im September 1979 die Macht und versuchte den Widerstand niederzuschlagen. In der Folge eskalierte der Bürgerkrieg.
[Bearbeiten] Sowjetische Invasion

[Bearbeiten] Verlauf
Am 25. Dezember 1979 marschierten sowjetische Truppen in Afghanistan ein und richteten Amin am 27. Dezember hin – Babrak Karmal übernahm die Regierungsgeschäfte und versuchte einerseits den Bürgerkrieg zu deeskalieren und andererseits die Anbindung an die Sowjetunion, u. a. durch ein Abkommen mit Leonid Iljitsch Breschnew über eine Truppenstationierung, zu stärken.
Die Besetzung wurde umgehend von den westlichen und islamischen Staaten verurteilt. Sie überschattete auch die Olympischen Sommerspiele 1980 (Moskau/Tallinn), die von vielen Staaten boykottiert wurden. Große Teile der bisherigen Armee schlossen sich dem Widerstand an und die Mudschahedin erfuhren internationale Unterstützung. Am 21. März 1980 gründete sich die „Islamische Allianz für die Freiheit Afghanistans“ als ein Bündnis islamistischer und monarchistischer Gruppierungen. Diese waren untereinander selbst zerstritten und die Kooperation beschränkte sich auf die Bekämpfung der kommunistischen Herrschaft. Der Krieg wurde von beiden Seiten rücksichtslos und grausam geführt [1].
Im Mai 1986 ersetzte Mohammed Nadschibullah Karmal und versuchte, durch Verhandlungen den Krieg zu entschärfen.
Auf einer Loja Dschirga (Ratsversammlung) wurde 1987 der Republik Afghanistan eine neue Verfassung gegeben und, nach Verhandlungen unter Vermittlung der UNO, zogen die sowjetischen Truppen zwischen dem 15. Mai 1988 und 15. Februar 1989 ab. Afghanistan hatte zwischen 1 und 1,5 Millionen Tote zu beklagen. Auf sowjetischer Seite starben in den ca. 10 Jahren der Intervention etwa 15.000 Mann. Weitere Zehntausende wurden verwundet bzw. gesundheitlich und psychisch für ihr Leben gezeichnet.
[Bearbeiten] Mudschahedin
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Auf den Seiten der Mudschahedin wurde der Kampf von einer Allianz aus sieben islamischen Parteien ausgetragen, die ihren Generalstab in Pakistan hatten und untereinander zerstritten waren. Vier davon waren fundamentalistisch und drei relativ gemäßigt. Die Anführer dieser Parteien wurden von der West-Presse auch Warlords genannt.
Mudschahedin sind fanatisch-religiöse Kämpfer des Dschihad. Laut dem Koran ist jeder, der im Dschihad stirbt, ein Märtyrer, dem alle Sünden vergeben werden. Auch den überlebenden Kämpfern (Ghazi) wird ein guter Platz im Paradies versprochen. Aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit an das rauhe afghanische Klima und Terrain, ihrer Anspruchslosigkeit, ihres Mutes und ihres Bewusstseins, einen heiligen Krieg für Allah und gegen die Ungläubigen zu führen, eigneten sich die Mudschahedin aus pakistanischer und westlicher Sicht besonders gut als Guerilla-Kämpfer. Außerdem waren sie im Umgang mit Waffen vertraut. Sie waren Freiwillige und wurden nicht besoldet.
[Bearbeiten] Rolle Pakistans
Zum Zeitpunkt des Einmarsches der Sowjets war Pakistan ein islamistisches Regime unter der Führung des Präsidenten Zia. Pakistan fühlte sich von den nach Afghanistan vordringenden Sowjets im Westen und dem Sowjet-Alliierten Indien im Osten in seiner Existenz bedroht und wollte einem möglichen koordinierten Angriff der beiden Atommächte vorbeugen. Dabei spielte sowohl die Verteidigung des Islam als auch des pakistanischen Staates eine Rolle. Der Präsident beauftragte den als die zweitgrößte Autorität des Landes geltenden Generaldirektor des Geheimdienstes, Akhtar, mit der Ausarbeitung möglicher Lösungen und entschied sich schließlich für die geheime Unterstützung der Mudschahedin. Zia hoffte auf Unterstützung seitens der arabischen Welt als Kämpfer für den Islam und seitens des Westens als Gegner des Kommunismus.
Die Aufgabe des pakistanischen Geheimdienstes Inter-Services Intelligence (ISI) lag in der Organisation und Ausbildung der verschiedenen Mudschahedin-Gruppen, der Verteilung von Waffen und anderer Ressourcen als Mittelsmann sowie der strategischen Planung des Krieges. Dabei wandte Pakistan die „Strategie der tausend Nadelstiche“ an, die darin bestand, durch eine große Zahl von Guerilla-Angriffen den Feind zu destabilisieren. Von offizieller Seite wurde Pakistans Rolle im Afghanistan-Krieg stets bestritten.
Der Stützpunkt der ISI, von dem aus der Afghanistan-Krieg geleitet wurde, war das Ojhri-Lager im Norden von Rawalpindi. Neben einem Lager, das 70% der Waffen passierten, befand sich dort auch ein Trainingslager mit Simulatoren, das später insbesondere für die Stinger-Raketen verwendet wurde, sowie eine Einheit zur psychologischen Kriegsführung. Weitere Lager der ISI befanden sich unter anderem in der Nähe der Mudschahedin-Quartiere in Peshawar und Quetta. Von 1984 bis 1987 absolvierten über 80.000 Mudschahedin in pakistanischen Lagern eine Waffenausbildung.
[Bearbeiten] Rolle der USA
In den ersten Monaten des Krieges standen das Pentagon und die CIA einer Unterstützung Zias reserviert gegenüber, da eine baldige Kontrolle Afghanistans durch die Sowjets unausweichlich schien. Tatsächlich wurde nach der Einnahme Kabuls das neue Regime von den USA anerkannt, indem sie den Botschafter Adolph Dubs als diplomatischen Vertreter in die afghanische Hauptstadt sandten.
Führende Mitglieder der CIA, einschließlich ihres Direktors William Casey, betrachteten einen Krieg jedoch bald nicht nur als Möglichkeit zum Kampf gegen den Kommunismus im Allgemeinen. Es bot sich Gelegenheit, die Scharte des zuvor verlorenen Vietnamkriegs in Afghanistan auszuwetzen. Die Rolle der CIA lag sowohl in der Bereitstellung von Waffen als auch in der Unterstützung Pakistans durch Geheimdienstinformationen wie Satellitenaufnahmen und abgehörte Funksprüche der Sowjets.
Laut der offiziellen amerikanischen Darstellung begann die Unterstützung der Mudschahedin durch die CIA erst im Laufe des Jahres 1980, also nach der Invasion der sowjetischen Armee in Afghanistan am 24. Dezember 1979. In einem Interview mit der französischen Zeitschrift Le Nouvel Observateur im Januar 1998 zeichnete der ehemalige Nationale Sicherheitsberater Zbigniew Brzeziński jedoch ein anderes Bild der Vorgänge. Demnach setzte die amerikanische Unterstützung der Mudschahedin schon viel früher ein: am 3. Juli 1979, also fast ein halbes Jahr vor der Invasion, unterschrieb Präsident Carter die erste Direktive für deren geheime Unterstützung. Brzeziński war sich vollkommen bewusst, dass diese Aktionen das Risiko für eine militärische Intervention der Sowjets erheblich erhöhen würde. Dennoch, oder nach seinen Aussagen gerade deshalb, war er ein starker Befürworter geheimer amerikanischer Operationen. In der Rückschau hielt er sie für eine „exzellente Idee“, denn hierdurch wären die Russen in die „afghanische Falle“ gelockt worden, also in einen aussichtslosen und zermürbenden Krieg ähnlich dem Vietnamkrieg der USA. Tatsächlich war die Sowjetunion fast zehn Jahre im Afghanistan-Krieg engagiert, was sie nach Brzezińskis Auffassung so stark demoralisierte und wirtschaftlich schwächte, dass sie letztlich auseinanderbrach. Kritische Beobachter der US-Außenpolitik bewerten Brzezińskis Darstellung als Beleg für die zentrale Rolle der USA bei der Eskalation des Afghanistankonflikts, dessen Folgen das Land zu Grunde richteten und bis heute nachwirken.
Die finanziellen Beiträge zum Krieg kamen etwa zur Hälfte von den USA und zur Hälfte von Saudi-Arabien. Sie beliefen sich auf mehrere hundert Millionen Dollar pro Jahr. Die Waffen stammten aus China, Ägypten, Israel, den USA, Großbritannien und weiteren Staaten. Sie wurden von der CIA nach Pakistan geliefert, von wo die ISI sie an die Stützpunkte der Mudschahedin-Führer verteilte.
[Bearbeiten] Wahrnehmung in westlichen Staaten
Da aufgrund der schwierigen Bedingungen des in äußerst hartem Terrain stattfindenden Guerilla-Kampfes nur wenige Journalisten die Mudschahedin begleiteten, blieben die vom Krieg veröffentlichten Informationen oft ungenau. Einige Journalisten überredeten die Mudschahedin-Kommandanten, vor laufender Kamera Raketenangriffe zu simulieren. Ein Großteil der Filmaufnahmen des Kriegs wurde von Privatleuten gemacht, die mit diesem Material in westlichen Staaten um finanzielle Unterstützung für die Mudschahedin warben. Ein weiterer großer Teil der privat erstellten Filmaufnahmen hatte die Situation der Flüchtlinge zum Thema, die in den pakistanischen und iranischen Flüchtlingslagern auf Hilfe von außen angewiesen waren.
In westlichen Medien wurden die Mudschahedin und ihre Anführer oft als „Gotteskrieger“ glorifiziert. Ein Beispiel für das Bild des Afghanistan-Krieges in den westlichen Medien ist der James-Bond-Film Der Hauch des Todes und Rambo 3.
[Bearbeiten] Bürgerkrieg nach sowjetischem Abzug
Nach dem sowjetischen Rückzug entbrannte ein blutiger Krieg um die Macht in Afghanistan, der von den verschiedenen Mujaheddin-Führern mit äußerster Härte ausgetragen wurde. Die prominentesten dieser Warlords waren der Paschtune Gulbuddin Hekmatyar, der Tadschike Ahmed Schah Massud und der Usbeke Abdul Raschid Dostam. Aus dieser Zeit datiert auch die weitgehende Zerstörung Kabuls. 1992 eroberten die Mujaheddin Kabul und setzten Mohammed Nadschibullah ab. Er wurde 1996 von den Taliban hingerichtet. Der Bürgerkrieg tobte bis etwa 1995, als die von Pakistan aus operierenden radikal-islamischen Taliban allmählich 90 % Afghanistans unter ihre Kontrolle brachten und eine islamistische Diktatur errichteten.
[Bearbeiten] Quellen
[Bearbeiten] Literatur
- Swetlana Alexijewitsch: Zinkjungen. Fischer (S.), Frankfurt 1992, ISBN 3100008162
- Artjom Borowik: Land der blutenden Sonne. Mit der Roten Armee in Afghanistan. Rowohlt TB-V., Rnb. 1992, ISBN 3499191733
- Gennadi Botscharow: Die Erschütterung. Afghanistan - Das sowjetische Vietnam. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1991, ISBN 3746600707
- David C. Isby: War in a Distant Country – Afghanistan: Invasion and Resistance, Arms and Armour Press 1986, ISBN 0-853-68769-2
- Robert D. Kaplan: Soldiers of God: With Islamic Warriors in Afghanistan and Pakistan, Houghton Mifflin Company 1990, ISBN 1-400-03025-0
- Ahmed Raschid: Taliban, Afghanistans Gotteskrieger und der Dschihad. Droemer 2002, ISBN 3-426-27260-1
- Mark Urban: War in Afghanistan, Macmillan Press 1988, ISBN 0-333-51478-5
- Mohammad Yousaf, Mark Adkin: Afghanistan – The Bear Trap: The Defeat of a Superpower. Casemate 2001, ISBN 0-971-17092-4 (deutsche Übersetzung online)
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Sowjetische Invasion in Afghanistan – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |