Altniederländische Malerei
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Altniederländische Malerei bezeichnet eine Epoche der niederländischen, insbesondere flämischen Malerei, die etwa im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts einsetzt und ungefähr ein Jahrhundert andauerte. Die Kunst der Spätgotik geht zu dieser Zeit in die Frührenaissance über. Hatte sich in der Spätgotik, ausgehend von Frankreich, eine universelle Formensprache entwickelt, an der auch schon zahlreiche Meister des niederländischen Raumes beteiligt waren, so bildete sich dort jetzt eine erkennbar eigenständige regionale Malschule heraus.
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[Bearbeiten] Historischer Hintergrund
Seit dem 14. Jahrhundert hatte sich ein kultursoziologischer Wandel vollzogen: Weltliche Mäzene lösten die Kirche als wichtigsten Auftraggeber für Kunstwerke ab. Die höfische Kunstproduktion der Spätgotik, deren Zentrum Frankreich gewesen war, wurde bereits teilweise von Niederländern dominiert. Die Niederlande waren durch das Haus Burgund auch herrschaftlich mit Frankreich verbunden, so dass es für flämische, wallonische und holländische Künstler leicht war, an den dortigen Höfen von Anjou, Orléans, Berry oder dem des französischen Königs Fuß zu fassen. Herausragende Meister dieser oft auch internationale Gotik genannten, im Kern aber französischen Kunst waren z. B. die Brüder von Limburg aus Geldern. Die folgende Künstlergeneration aber bediente sich nicht mehr dieser universellen Formsprache, sondern ist deutlich als spezifisch niederländische Schule zu bezeichnen.
Eine Blütezeit der flämischen und brabantischen Städte (Brügge, Antwerpen, Gent, Brüssel, Ypern, Mechelen, Löwen) hatte die Patrizier zu ebenbürtigen Konkurrenten der Fürsten werden lassen, die diesen an Reichtum und Macht nicht nachstanden. Diese dritte Auftraggeber- und Mäzenatengruppe, neben den Höfen und den Kirchen, sollte maßgeblich auf die Themenwahl der Künstler einwirken. Auch religiöse Kunst, wie Altarbilder, waren häufig keine direkten kirchlichen Aufträge, sondern wurden z. B. von Kaufmannsgilden gestiftet. Besonders aber die Aufträge für den repräsentativen Gebrauch im eigenen Haus brachten eine völlig neue Kunstgattung hervor, die Porträtmalerei, und diese beförderte wiederum ein individualisierendes Element in der Kunst, das den ohnehin wirksamen Tendenzen ganz und gar entsprach.
[Bearbeiten] Die altniederländische Malerei
Am Anfang der altniederländischen Malerei im engeren Sinne steht Jan van Eyck, der 1432 sein Hauptwerk, den Genter Altar, vollendete. Schon die Zeitgenossen betrachteten die Kunstwerke Jan van Eycks und der anderen flämischen Meister als Ars nova, als etwas vollkommen neues. Zeitlich entwickelt sich die altniederländische Malerei etwa gleichzeitig mit der Renaissance in Italien.
Mit dem Porträt wird erstmals ein weltliches, individualisiertes Thema zu einem Hauptmotiv der Malerei. Das Genrebild und das Stillleben kommen dagegen erst im niederländischen Barock des 17. Jahrhunderts zum Durchbruch.
Ein wesentlicher Zug der niederländischen Naturbeobachtung ist die Darstellung der Landschaft. Zunächst wurden die mittelalterlichen Goldgründe durch realistische Landschaften als Bildhintergrund ersetzt, bevor die Landschaftsmalerei eine eigentständige künstlerische Gattung wurde.
Die genaue Naturbeobachtung erstreckte sich auch auf die Darstellung des menschlichen Körpers. Die Aktdarstellung von Adam und Eva auf dem Genter Altar von Jan van Eyck weisen eine seit der Antike nicht mehr erreichte Natürlichkeit auf. Sie unterscheidet sich wesentlich von den gleichzeitig in der italienischen Renaissance einsetzenden Aktdarstellungen, die viel mehr von wissenschaftlich-anatomischer Konstruktion geprägt waren, während Jan van Eyck die Oberfläche und die Bewegung des Körpers genau beobachtete und bis ins kleinste Detail darstellte.
Dem neuen Stil lag zunächst einmal eine neue Technik zugrunde: Die Ölmalerei.
Das unverwechselbar neue in der altniederländischen Malerei war zum einen die detailbesessene stoffliche Oberflächencharakterisierung und zum anderen eine Plastizität durch genau beobachtete und wirkungsvoll eingesetzte Lichteffekte.
[Bearbeiten] Bedeutende Maler
- Jan van Eyck
- Meister von Flémalle
- Barthélemy d'Eyck
- Rogier van der Weyden
- Hugo van der Goes
- Geertgen tot Sint Jans
- Hans Memling
- Petrus Christus
- Robert Campin
- Dierick Bouts
- Albert Bouts
- Gerard David
[Bearbeiten] Literatur
- Erwin Panofsky: Die altniederländische Malerei. Ihr Ursprung und Wesen. Übersetzt und hrsg. von Jochen Sander und Stephan Kemperdick. Köln 2001. ISBN 3-7701-3857-0 (Original: Early Netherlandish Painting. 2 Bde. Cambridge (Mass.) 1953)
- Otto Pächt: Van Eyck, die Begründer der altniederländischen Malerei. München 1989. ISBN 3-7913-1389-4
- Otto Pächt: Altniederländische Malerei. Von Rogier van der Weyden bis Gerard David. Hrsg. von Monika Rosenauer. München 1994. ISBN 3-7913-1389-4
- Norbert Wolf: Trecento und Altniederländische Malerei. Kunst-Epochen, Bd. 5 (Reclams Universal Bibliothek 18172). ISBN 3-15-018172-0
- Bodo Brinkmann: Die flämische Buchmalerei am Ende des Burgunderreichs. Der Meister des Dresdner Gebetbuchs und die Miniaturisten seiner Zeit. Turnhout 1997. ISBN 2-503-50565-1
- Birgit Franke, Barbara Welzel (Hg.): Die Kunst der burgundischen Niederlande. Eine Einführung. Berlin 1997. ISBN 3-496-01170-X
- Max Jakob Friedländer: Altniederländische Malerei. 14 Bde. Berlin 1924-1937.
- Till-Holger Borchert (Hg.): Jan van Eyck und seine Zeit. Flämische Meister und der Süden 1430-1530. Ausstellungskatalog Brügge, Stuttgart 2002. Darmstadt 2002.