Bertrand Cantat
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Bertrand Cantat (* 5. März 1964 in Pau, Frankreich), Sänger der Rock-Gruppe Noir Désir.
Cantat verbrachte seine Kindheit aufgrund der beruflichen Militär-Laufbahn des Vaters in der Normandie. 1980 kehrte die Familie (Vater Guy, Mutter Daniele sowie ein älterer Bruder, Xavier, und eine jüngere Schwester, Anne) nach Südfrankreich zurück und ließ sich in Bordeaux nieder.
Im Gymnasium lernte Cantat die zukünftigen Mitglieder seiner Band kennen: Dennis Barthe (Schlagzeug), Serge Teyssot-Gay (Gitarre) und Frédéric Vidalenc (Bassgitarre). Sie gründeten PSYCHOZ, so der erste, vom in den 1980er-Jahren hippen Punk inspirierte Name ihrer Band. In den ersten Jahren zeichnete sie sich musikalisch durch einen zeitgemäßen New Wave-Stil aus. Sie tourten durch südfranzösische Bars und Clubs, gewannen mehrfach Radio- und Musiksenderwettbewerbe und fielen 1987 dem Musikmanager Théo Hakola auf, der ihr erstes Minialbum mit sechs Titeln, "Où veux tu qu´je r´garde?" produzierte. Zu diesem Zeitpunkt erfolgte die Umbenennung in Noir Désir.
Was als Hobby neben der Schule begonnen hatte, trat zunehmend in den Lebensmittelpunkt. Cantat, ein nachdenklicher, sensibler Jugendlicher mit profundem Interesse an Literatur und Poesie, durchlebte eine nicht einfache Pubertät mit depressiven Phasen inklusive eines Suizidversuches. Diese Mischung aus kreativem Intellekt und einer inneren Unruhe, die zum Teil autoaggressive Züge annahm, machte Cantat zu einem begnadeten Texter und charismatischen Sänger mit schamanenhafter Bühnenpräsenz. Vergleiche mit The Doors-Sänger Jim Morrison drängten sich auf und begleiteten Cantat kontinuierlich.
Trat die Formation in ihren Anfangsjahren als typische Achtzigerjahre-New Wave-Band in Erscheinung, politisierte sie sich im Laufe der Jahre zunehmend und gilt seit den Neunziger Jahren als das politische Gewissen Frankreichs. Noir Désir engagierte sich gegen jede Form von Radikalismus und (Rechts-)extremismus und meldete sich als Kritiker der Globalisierungs- und Immigrantenpolitik zu Wort. Auf ihren Konzerten gaben sie in den Vorhallen linksalternativen politischen Gruppen wie Attac und Gysti Raum für Informationsstände, nahmen an unzähligen Benefizkonzerten und Veranstaltungen, die z.B. gegen die französische rechtsextreme Nationale Front gerichtet waren, teil, und unternahmen 2002 eine vom TV-Sender ARTE begleitete vielbeachtete Tournee im nahen Osten, die sie als politische Aktion zur Unterstützung der Palästinenser zu präsentieren wussten.
Obwohl die Band jegliche Werbung für sich ablehnte, Interviews und TV-Auftritte verweigerte (Zitat Cantat: „Dieser Dreck!“), wenn sie nicht dazu dienten, ihre politischen Ansichten demonstrieren zu können, erfreute sie sich v.a. aufgrund Cantat jahrzehntelang ungebrochener Beliebtheit.
Am 9. März 2002 erhielt Noir Désir den wichtigsten französischen Musikpreis "Victoires de la Musique" für das beste Rock'n'Roll-Album und den besten Videoclip. Während der Verleihung kam es zu einem Eklat, als der Sänger in seiner "Dankesrede" den Vorsitzenden ihrer Plattenfirma bezichtigte, den Namen der Band zu missbrauchen, um den Eindruck eines multikulturellen Unternehmens zu vermitteln. Der Vorfall sorgte national für Schlagzeilen.
Cantats wohlgehütetes Privatleben im Hinterland Südfrankreichs („Ich will für meine Musik beachtet werden. Alles andere geht niemanden etwas an.“) schien bis 2002 so integer wie die gesamte Persönlichkeit des Sängers. 1993 lernte er die Ungarin Kristina Rady kennen, die er nach der Geburt von Sohn Milo 1997 heiratete. Kristina war mit dem zweiten Kind schwanger, als Cantat im Juli 2002 nach einem Konzert die Schauspielerin Marie Trintignant vorgestellt wurde. Beide verliebten sich ineinander. Kurz nach der Geburt von Tochter Alice im September ließ Cantat seine Familie in Bordeaux zurück und zog zu Trintignant nach Paris, die ihrerseits ihren Ehemann bat aus ihrem Haus auszuziehen.
Das Paar lebte eine Liebe mit autistischen Zügen. Sie zogen sich zurück, waren vollkommen fixiert aufeinander; jeder Kontakt mit den jeweiligen Ex-Partnern führte zu entsprechenden Eifersuchtsszenen. Während eines Aufenthalts in der litauischen Hauptstadt Vilnius, in der sich Trintignant in Begleitung von Cantat zu Dreharbeiten aufhielt, kam es schließlich in der Nacht des 26. Juli 2003 aufgrund einer SMS, die Trintignant von ihrem Noch-Ehemann erhalten hatte, zu einer Eifersuchtsszene, die in beiderseitiger körperlicher Gewalt eskalierte. Cantat ohrfeigte Marie dabei so heftig, dass sie ins Koma fiel, zunächst erkannte er ihren Zustand nicht. Erst am Morgen riefen er und ihr Bruder, den er inzwischen informiert hatte, medizinische Hilfe. Trotz zwei Operationen konnte Maries Zustand nicht gebessert werden. Sie verstarb kurz nach der Überführung in die Hartmann-Klinik in Neuilly bei Paris am 1. August. Cantat versuchte, nachdem er von der Schwere der Verletzungen Maries erfahren hatte, sich mit Tabletten das Leben zu nehmen, wurde aber rechtzeitig von der Polizei gefunden. Gegen ihn wurde Anzeige wegen Totschlags und unterlassener Hilfeleistung erhoben. Die Tat sowie der im März 2004 in Vilnius abgehaltene Prozess (eine Auslieferung an Frankreich lehnte die litauische Justiz ab) sorgten für kollektive Hysterie in Frankreich. Die Affaire Cantat-Trintignant beherrschte wochenlang sämtliche Zeitungsschlagzeilen und Nachrichtenmagazine Frankreichs. Beide, sowohl der Sänger als auch die Schauspielerin, waren gewissermaßen Nationalsymbole, dementsprechend polarisierend in ihren Schuldzuweisungen argumentierten Medien und Öffentlichkeit den Fall. Die Beerdigung Trintignants auf dem Pariser Prominentenfriedhof Père Lachaise glich einem Nationalereignis, an dem hochrangige Persönlichkeiten aus Politik und Kultur teilnahmen.
Am 29. März 2004 wurde Bertrand Cantat aufgrund Totschlags und unterlassener Hilfeleistung zu acht Jahren Haft verurteilt. Im September 2004 wurde dem Auslieferungsgesuch seiner Anwälte stattgegeben und er in das südfranzösische Gefängnis Muret bei Toulouse verlegt.
Zwei Jahre nach dem Drama beendete Cantats Band Noir Désir die Arbeit an der ursprünglich für 2003 geplanten CD Noir Désir en public, einem Live-Zusammenschnitt ihrer letzten Tournee 2002. Die CD erschien im September 2005 zusammen mit der Doppel-DVD Noir Désir en images. Cantat konnte aufgrund einer Ausnahmegenehmigung ebenfalls an der Zusammenstellung der beiden Veröffentlichungen mitwirken.
Für Serge Teyssot-Gay ist die Geschichte von Noir Désir noch nicht zu Ende: „Uns hat es 25 Jahre gegeben. Wir werden wieder zusammen kommen-mit Bertrand. Und ohne Mauern.“
Personendaten | |
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NAME | Cantat, Bertrand |
KURZBESCHREIBUNG | Sänger der Rock-Gruppe Noir Désir |
GEBURTSDATUM | 5. März 1964 |
GEBURTSORT | Pau, Frankreich |
Kategorien: Rocksänger | Franzose | Mann | Geboren 1964