Front National (Frankreich)
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Basisdaten | |
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Gründungsdatum: | 5. Oktober 1972 |
Vorsitzender: | Jean-Marie Le Pen |
Hausanschrift: | 4 rue Vauguyon 92210 Saint-Cloud |
Website: | www.frontnational.com |
Der Front National (FN) ist eine 1972 gegründete französische rechtsextreme Partei, die sich selbst als „patriotisch“ und „national“ bezeichnet. Der FN erreicht bei Wahlen im allgemeinen 10 bis 15 % der Wählerstimmen. Bekanntestes Mitglied ist der Vorsitzende der Partei, Jean-Marie Le Pen.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Gründungs- und Aufbauphase: die 70er und 80er Jahre
Die Partei wurde am 5. Oktober 1972 als Zusammenschluss verschiedener rechter Strömungen gegründet. Mitbegründer war damals der heutige Vorsitzende Jean-Marie Le Pen, der zuvor Abgeordneter der aufgelösten Union de défense des commerçants et artisans (Poujadisten) in der Nationalversammlung war. Zu Beginn machte der FN mit fremdenfeindlichen Äußerungen und Parolen auf sich aufmerksam. Le Pen wurde seit 1960 in mehr als 20 Fällen unter anderem wegen Beleidigung, Morddrohungen, rassistischer sowie negationistischer Erklärungen und Körperverletzung rechtskräftig verurteilt.
In den 1980er Jahren wurde der FN bei zwei Parlamentswahlen in Folge mit mindestens einem Abgeordneten in die Nationalversammlung gewählt. Als Ursache kann der wirtschaftliche Pessimismus seiner damaligen Kernwählerschaft unter den Kleinselbstständigen gesehen werden. In den folgenden Jahren veränderte sich die Zusammensetzung seiner Wählerschaft radikal: Zu Lasten der bis dahin führenden Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF) baute der FN seinen Zuspruch unter den Arbeitern Ostfrankreichs massiv aus. Dies kann unter anderem auf den Zusammenbruch des osteuropäischen Kommunismus zurückgeführt werden. Dies setzte sich nicht fort, unter anderem weil Le Pens Beteiligung an Folterungen im Verlauf des Algerienkriegs einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden. Er hatte dies sowohl 1957 in einer Parlamentsrede als auch 1962 in einem Interview der Zeitschrift "Combat" erklärt und gerechtfertigt.
[Bearbeiten] Die Spaltung:1998
1998 spaltete sich Bruno Mégret mit etwa der halben Parteiführung des Front National und tausenden von Mitgliedern ab, da er Le Pens Führungsstil als schädlich für die Erfolge der Partei ansah. Mégrets Partei, der Mouvement National Républicain (MNR), konnte bisher jedoch keine größeren Erfolge vorweisen. Im gleichen Jahr wurde er zu einem Jahr Unwählbarkeit und drei Monaten Gefängnis auf Bewährung wegen Körperverletzung verurteilt, weil er eine sozialistische Bürgermeisterin im Wahlkampf angriff.
[Bearbeiten] Präsidentschaftswahlen 2002
Zur allgemeinen Überraschung gelang es Jean-Marie Le Pen 2002 als Zweitplatzierter aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen hervorzugehen und damit Lionel Jospin, den Kandidaten der Sozialistischen Partei Frankreichs auf den dritten Platz zu verweisen und in die zweite, entscheidende Runde der Präsidentschaftswahlen einzuziehen. Diese gewann erwartet deutlich Jacques Chirac, der amtierende Präsident, mit 83 % der abgegebenen Stimmen.
[Bearbeiten] Regionalwahlen 2004
Bei den Regionalwahlen 2004 wurde Le Pen vom zuständigen Präfekten der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur die Kandidatur in seinem Wahlkreis Nizza aus formalen Gründen verweigert. Mit den anschließenden Versuchen von Seiten des Front National, diesen Vorgang als Verschwörung gegen Le Pen darzustellen, konnte kein besseres Abschneiden der Partei bei den Wahlen erreicht werden. Der FN konnte nur geringe Zuwächse erzielen und kam landesweit auf etwa 12,6 % der Stimmen.
[Bearbeiten] Bekannte FN-Mitglieder
- Jean-Marie Le Pen, Parteivorsitzender
- Bruno Gollnisch, Vorsitzender der Fraktion Identität, Tradition, Souveränität im Europaparlament
- Carl Lang, Generalsekretär
- Marine Le Pen, Jean-Marie Le Pens Tochter, die eine erfolglose Kampagne bei den französischen Regionalwahlen 2002 in der Région Île-de-France startete.
- Bernard d'Ormale, führendes Mitglied
[Bearbeiten] Hochburg und politische Vorfeldorganisationen des FN
Eine Hochburg des FN ist das Elsass, wo allerdings die Splitterpartei Alsace d'abord aufgrund ihres regionalistischen Profils in direkter Konkurrenz zur FN steht. Mit dem FN ist die Confédération Française Nationale des Travailleurs, eine eigenständige Gewerkschaftsorganisation, assoziiert.
[Bearbeiten] Programm
Einer der wichtigsten Forderungen des FN ist die Beschränkung der Einwanderung, inbesondererweise die Zuwanderung aus außereuropäischen Ländern und die illegale Zuwanderung. Nach Vorstellungen des FN sollen illegale Einwanderer ins Ursprungsland zurückgeführt werden. Des weiteren fordert der FN, daß französische Staatsbürger bei der Arbeitsplatzsuche und bei Sozialleistungen besser zu stellen sind als Nicht-Franzosen. Während der Präsidentschaftswahlen 1995 forderte Le Pen die Rückführung von drei Millionen Nicht-Europäern aus Frankreich.
Bei den Präsidentschaftswahlen 2002 wurde das Thema Recht und Gesetz stärker betont. Ein weiterer wichtiger Programmpunkt des FN ist die Erhöhung der Strafen und die Wiedereinführung der Todesstrafe.
Ein zentrales Konzept der FN ist die Préférence nationale, die nationalistisch organisierte Bevorzugung der „Inländer“. Klassenwidersprüche sollen durch national-soziale Lösungen überwunden werden, entsprechend einer Volksgemeinschaft. Über die Vorstellung einer „sozial“ verstandenen Nation – Social parce que national („Sozial weil national“) – bleibt die Marktwirtschaft ein nationales Interesse. Den anderen Parteien wird vorgeworfen, sie zerstörten – besonders durch die Einwanderung – diese nationale Marktwirtschaft und seien damit Verantwortlich für die Arbeitslosigkeit. Für 2007 wird diskutiert, im Sinne einer Modernisierung im Programm eine beschränkte Zuwanderung zuzulassen, „wenn dies im Interesse der französischen Ökonomie liegt“.[1]
Weitere Forderungen sind:
- Größere Unabhängigkeit von der Europäischen Union und anderen internationalen Organisationen
- Einführung von Schutzzöllen zum Schutz der einheimischen Landwirtschaft und Industrie
- Rückkehr zu traditionellen Werten
- in der Familie: Erschwerung oder Verbot der Abtreibung, Einführung eines Erziehungsgeldes, Ablehnung der Homosexualität
- in der Kunst: Ablehnung von „abnormaler“ moderner Kunst und Förderung lokaler, traditioneller Kultur
Le Pen bezeichnete die größeren französischen Parteien (Parti communiste français, Parti socialiste français, Union pour la Démocratie Française und Union pour un mouvement populaire) als Viererbande – eine Anspielung auf das kommunistische China nach Maos Tod.
[Bearbeiten] Präsidentschaftswahlkampf 2007
Im Wahlkampf um die Präsidentschaft wird vor allem durch Marine Le Pen, die Tochter von Jean-Marie Le Pen, die auch als Nachfolgerin ihres Vaters gehandelt wird, eine Debatte um die „Entdiabolisierung“ der Partei geführt. Ziel dieser „Normalisierung“ und „Modernisierung“ des FN ist es, auch in der „Mitte der Gesellschaft“ Themen national besetzten zu können.
Im September 2006 eröffnete der FN seinen Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen, die am 22. April und 6. Mai 2007 stattfinden werden, in Valmy. Spätestens mit der Diskussion um die Wahlkampfplakate kommt es zu Auseinandersetzungen um die Parteistrategie. Angegriffen werden die Vertreterinnen einer Modernisierung wie Marine Le Pen. Die Plakate zeigen Personen, die einen vorwiegend weißen Querschnitt der Gesellschaft präsentieren. Mit dem Daumen nach unten gerichtet lautet deren Aussage: „Die Linke und die Rechte − sie haben alles kaputt gemacht!“. Mit den „Rechten“ sind in Frankreich die Liberalen und Konservativen gemeint, nicht die extreme Rechte. Der Streit geht um ein Plakat, das eine nicht-weiße junge Frau zeigt. Sie beschwert sich auf dem Plakat, „dass die üblichen Verdächtigen auch ‚die Staatsbürgerschaft, die Assimilation, die Aufstiegschancen‘ zerstört oder verdorben hätten“.[1] Aus Teilen der Parteiführung wird beklagt, es können nicht angehen, dass eine nicht typisch französische aussehende Frau und Einwanderin „stolz“ auf „ihr“ Frankreich ist. Tatsächlich ist die Darstellerin auf dem Plakat jedoch eine Antillenfranzösin und ihre Familie besitzt seit Generationen die französische Staatsbürgerschaft. Nach einer Umfrage von Le Monde im Dezember 2006 sehen „28 Prozent der Befragten ... demnach heute im FN eine Partei der «patriotischen und den traditionellen Werten verpflichteten Rechten», und 65 Prozent betrachten ihn weiterhin als Partei der «nationalistischen und ausländerfeindlichen extremen Rechten». ... Nur noch 34 Prozent bezeichnen «die Positionen von Jean-Marie Le Pen» als grundsätzlich ‚inakzeptabel‘, vor einem Jahrzehnt waren es noch 48 Prozent. Dagegen betrachten 47 Prozent sie inzwischen nur noch als ‚überzogen‘, ein Anteil, der deutlich gewachsen ist. 15 Prozent betrachten sie als ‚richtig‘. Dabei ist die mit Abstand höchste Zustimmung, die auf diesen Themenfeldern ein Drittel erreicht, auf den Gebieten Innere Sicherheit, ‚Polizei und Justiz‘ sowie beim Umgang mit den Banlieues zu verzeichnen.“[1]
Offen erscheint Anfang 2007 ein Ergebniss der internen Wahlkampfdebatte der FN um eine nach den Interessen der französischen Wirtschaft orientierte beschränkte Öffnung der Grenzen für so genannte „Leistungsträger“. Dazu schreibt der Buchautor und Kenner der extrême droite in Frankreich Bernhard Schmid:[2]
- De facto nähert sich das FN-Programm schon sehr der Konzeption des konservativen Innenministers Nicolas Sarkozy an, der zwischen der „ausgewählten Einwanderung“ einerseits und der „erlittenen Einwanderung“ – immigration choisie und immigration subie – unterscheidet. Bislang hatte der FN verbal jegliche Einwanderung verurteilt. Auf symbolischer Ebene jedenfalls würde er sich damit an die von Marine Le Pen gewünschte „Regierungsfähigkeit“ annähern. [3]
[Bearbeiten] Front National im Europaparlament
Die Abgeordneten des Front National haben sich mit Abgeordneten anderer rechter, EU-kritischer Parteien im Januar 2007 zu einer neuen Fraktion im Europaparlament unter dem Namen Identität, Tradition, Souveränität zusammengeschlossen. Durch den Fraktionsstatus erhöht sich für den FN der Handlungsspielraum im EU-Parlament. Fraktionsvorsitzender der ITS-Fraktion ist der FN-Politiker Bruno Gollnisch. Gemeinsame politische Grundlage der neu gegründeten Fraktion ist die sogenannte Wiener Erklärung der europäischen patriotischen und nationalen Parteien und Bewegungen, die gewissermaßen eine politische Plattform rechter EU-kritischer Parteien in Europa darstellt.
[Bearbeiten] Präsidentschaftswahlen: Ergebnisse von Jean-Marie Le Pen
Wahljahr | Kandidat | Stimmenzahl der 1. Runde | Stimmenanteil der 1. Runde | Stimmenzahl der 2. Runde | Stimmenanteil der 2. Runde |
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1974 | Jean-Marie Le Pen | 190.921 | 0,8 % | — | — |
1981 | — | — | — | — | — |
1988 | Jean-Marie Le Pen | 4.376.742 | 14,5 % | — | — |
1995 | Jean-Marie Le Pen | 4.571.138 | 15,0 % | — | — |
2002 | Jean-Marie Le Pen | 4.805.307 | 16,86 % | 5.525.906 | 17,79 % |
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ a b c Bernhard Schmid: Der Front National im Wahlkampf. Streit um Symbole der Modernisierung. In: antifaschistische nachrichten. Nr 01/2007
- ↑ Bernhard Schmid: Die Rechten in Frankreich. Von der Französischen Revolution zum Front National. Elefanten Press, Berlin 1998, ISBN 3-88520-642-0
- ↑ Zitat: Bernhard Schmid: Der Front National im Wahlkampf. Streit um Symbole der Modernisierung. In: Bernhard Schmid: Der Front National im Wahlkampf. Streit um Symbole der Modernisierung. In: antifaschistische nachrichten. Nr 01/2007
[Bearbeiten] Literatur
- Jean-Yves Camus: Front national. Eine Gefahr für die französische Demokratie?. Bonn 1998, ISBN 3-416-02716-7
- Daniela Heimberger: Der Front National im Elsass. Rechtsextremismus in Frankreich - eine regionale Wahlanalyse. Wiesbaden 2001, ISBN 3-531-13700-X
- Thomas Lampe: Der Aufstieg der "Front National" in Frankreich. Extremismus und Populismus von rechts. Frankfurt 1992, ISBN 3-88535-146-3
- Bernhard Schmid: Die Rechten in Frankreich. Von der Französischen Revolution zum Front National. Elefanten Press, Berlin 1998, ISBN 3-88520-642-0
- Anne Tristan: Von innen. Als Mitglied der Front National in der Hochburg Le Pens. Köln 1988, ISBN 3-462-01909-0