Blindleistung
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Blindleistung ist ein Begriff der Elektrotechnik. Sie entsteht, wenn in einem mit Wechsel- bzw. Drehstrom betriebenen Netz nicht ausschließlich ohmsche Verbraucher vorhanden sind. Sie quantifiziert die dabei entstehende Leistungs-Pendelung, die eine Folge der Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung ist.
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[Bearbeiten] Ursache
Die Elektrische Leistung P wird als das Produkt von Spannung und Strom dargestellt:
Bei Einbezug einer Phasenverschiebung mit dem Phasenwinkel zwischen Strom und Spannung lautet die allgemeine Formel der komplexen Wechselstromrechnung für die Blindleistung
und für die Wirkleistung
wobei Ieff und Ueff die Effektivwerte von Strom und Spannung sind.
Bei ohmscher Belastung haben Spannung und Strom einen phasengleichen Verlauf, der Phasenwinkel ist und deshalb , daher nimmt die Wirkleistung immer den positiven Wert des mathematischen Produkts von Strom und Spannung an. Dies bedeutet, dass wirksam Arbeit verrichtet wird.
Ein induktiver Verbraucher (z. B. Drosselspule, Transformator, Asynchronmotor) benötigt induktive Blindleistung, um das magnetische Feld aufbauen zu können. Dieses Feld wird mit der Energie und in der Frequenz des speisenden Netzes auf- und wieder abgebaut. Die Energie wird zunächst im Magnetfeld gespeichert, jedoch mit jedem periodischen Abbau des magnetischen Feldes wieder ins Netz zurückgespeist. Bei rein induktiver Belastung haben Spannung und Strom einen um eine Viertelperiode verschobenen Verlauf, der Phasenwinkel ist 90 Grad. Das rechnerische Produkt aus Strom und Spannung befindet sich wechselnd im positiven und negativen Bereich, wobei die Frequenz der Leistung das Doppelte der Grundfrequenz ist. Die Aufzeichnung der Verläufe von Spannung und Strom macht dies sichtbar. Wenn sich die Leistung im „negativen“ Bereich befindet, bedeutet das, dass sie in das Netz zurückgeliefert wird. Im Mittelwert summiert sich diese Leistung daher zu Null, erzeugt „blinden“ Stromfluss und pendelt im versorgenden Netz hin und her.
Für eine Phasenverschiebung von genau 90 Grad ist und daher ergibt sich
Bei einer angenommenen Phasenverschiebung von genau 90 Grad wird also nur Blindleistung erzeugt. Die sich aus dem Produkt der Effektivwerte von Strom und Spannung ergebende Leistung, die Scheinleistung S, setzt sich aus Wirk- und Blindanteil zusammen, und ist genau gleich dem Blindanteil, da der Wirkanteil gleich Null ist.
Ein ähnliches Verhalten gilt auch für kapazitive Verbraucher (z. B. Kondensatormotoren, Erdkabel), die jedoch statt dem magnetischen ein elektrisches Feld erzeugen, das die Phase zwar in die andere Richtung verschiebt, aber den gleichen Effekt bewirkt.
[Bearbeiten] Folgen von Blindleistungsbelastung
Die Blindleistung tritt in der Regel bei allen am Netz angekoppelten Komponenten und auch beim Leitungsnetz selbst auf. Da ein Stromkreis im Prinzip immer die drei Komponenten Kondensator, Induktivität (Spule) und Ohmscher Widerstand entweder als diskretes Bauelement oder als „parasitäre“ Funktion enthält, liegt in einem Wechselstrom-Versorgungsnetz praktisch immer eine Blindleistungsbelastung vor.
Die Blindleistung wird dem Versorgungsnetz entnommen, wenn Spannung und Strom das gleiche Vorzeichen haben und wieder zurückgespeist, wenn das Vorzeichen gegensätzlich ist. Dadurch bewirkt die Blindleistung einen Stromfluss und es steigt bei steigendem Blindleistungsbedarf im Netz auch der Stromfluss. Dadurch werden wiederum größere Leiterquerschnitte in den Versorgungsleitungen sowie größere Generatoren und Transformatoren nötig. Der hin- und herpendelnde Strom verursacht zudem in den Leitungen ohmsche Verluste. Elektrische Großverbraucher in der Industrie müssen neben der bezogenen Wirkleistung auch für ihren „Blindleistungsverbrauch“ bezahlen. Privat- und Kleinverbraucher, die im Gegensatz zur Industrie überwiegend Strom für Wärmegeräte (Herd, Glühlampen, Heizgeräte) verbrauchen, verursachen geringe Blindleistungsbelastung und werden wegen des hohen Aufwandes für deren Erfassung und wegen des geringen Blindleistungsverbrauchs von den Kosten freigestellt, bzw. finden sich letztere im Preis der Wirkarbeit (kWh) wieder.
[Bearbeiten] Blindleistungskompensation
Durch geeignete Maßnahmen versuchen daher die großen Energieverbraucher, den Blindleistungsbedarf möglichst gering zu halten. Der induktive Blindleistungsbedarf einer Asynchronmaschine kann z. B. durch eine Kondensatorbatterie kompensiert werden. Die für die Erzeugung des magnetischen Feldes erforderliche Energie „pendelt“ dann nicht mehr in das versorgende Netz bis zum Generator, sondern nur zwischen Maschine und Kondensator. Damit sinkt der resultierende Strom, den der Antrieb aus dem Netz entnimmt.
Bei Antrieben mit Asynchronmaschinen ist der Blindleistungsbedarf durch den Motor definiert und weitgehend unabhängig von der mechanischen Antriebsleistung. Die Kompensation mit Hilfe eines passenden Kondensators ist möglich. Bei Systemen mit veränderlichem Blindleistungsbedarf ist es erforderlich, dass anstelle einer Kompensationseinrichtung mit konstanter Blindleistung (Kondensator) ein geregelter Kompensator eingesetzt wird.
Die Blindleistungen innerhalb eines regionalen Stromnetzes können durch einen Phasenschieber kompensiert werden.
[Bearbeiten] Rechnerische Behandlung
- Das Formelzeichen für die Blindleistung ist Q, die Maßeinheit var bzw. 1 kvar = 1000 var
- Das Formelzeichen für die Wirkleistung ist P, die Maßeinheit Watt bzw. 1 kW = 1000 W
- Das Formelzeichen für die Scheinleistung ist S, die Maßeinheit VA bzw. 1 kVA = 1000 VA
Die Scheinleistung S ist die geometrische Summe aus Wirkleistung P und Blindleistung Q. In der komplexen Zeigerdarstellung ist die Blindleistung durch den imaginären Anteil an der Leistung beschrieben. Der Winkel zwischen den Zeigern von Schein- und Wirkleistung entspricht der Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung.
[Bearbeiten] Schwingkreis
In einem Schwingkreis besteht ein Gleichgewicht zwischen den induktiven und kapazitiven Anteilen des Stromkreises. Vernachlässigt man den ohmschen Anteil, dann braucht der Schwingkreis nur angeregt zu werden. Zwischen Kapazität und Induktivität pendelt, da sie keine Arbeit verrichtet, nur die Blindleistung.
[Bearbeiten] Nichtsinusförmige Ströme
Auch im Falle von nichtsinusförmigen Strömen bei sinusförmiger Spannung kann Blindleistung auftreten. Dies ist bei allen nichtlinearen Verbrauchern wie Umrichtern der Leistungselektronik oder bei Induktivitäten welche magnetisch sättigen der Fall. Dabei handelt es sich bei den Strömen um eine Summe von sinusförmigen Anteilen unterschiedlicher Frequenz welche neben den Grundschwingungsanteil auch noch Oberschwingungsanteile beinhalten. D.h. die o.g. Berechnungen müssen für jeden einzelnen Oberschwingungsanteil (d.h. die Vielfachen der Grundschwingungen) durchgeführt werden.
So wird der Verlauf der betrachteten Ströme und Spannungen für nichtsinusförmige Größen mit Hilfe der Fouriertransformation in die Spektralanteile zerlegt. Dann lässt sich die jeweilige Phasenverschiebung ermitteln und der Schein-, Wirk- und Blindleistungsanteil für die jeweilige Frequenz berechnen.
Somit unterteilt man die Gesamtblindleistung Q (d.h. die Summe aller Frequenzanteile der Blindleistung) in
- den Grundschwingungsanteil der Blindleistung Q1 und
- die Verzerrungsblindleistung D, als Differenz zwischen Gesamtblindleistung und Grundschwingungsblindleistung.
Die Scheinleistung S wird im allgemeinen Fall festgelegt als:
während die Scheinleistung der Grundschwingung als ausgedrückt wird. Der Leistungsfaktor λ definiert sich allgemein als Verhältnis zwischen Wirkleistung und Scheinleistung und bezieht daher die Oberschwingungen mit ein:
während der weiterhin nur auf die Grundschwingung bezogen wird:
Nur im Fall sinusförmiger Wechselspannung und sinusförmiger Wechselströme ist der Leistungsfaktor λ gleich dem .
In Mehrphasensystem kann zusätzlich durch Unsymmetrien Blindleistung entstehen, die Unsymmetrie-Blindleistung.
[Bearbeiten] Siehe auch
Scheinleistung, Wirkleistung, Blindwiderstand, Blindleistungskompensation, Phasenverschiebung, komplexe Wechselstromrechnung, Zeigerdiagramm, Portal:Elektrotechnik/Liste elektrotechnischer Themen, Blindarbeit