Ceased characters
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Ceased characters (engl. cease aufhören, enden, verschwinden) oder konzidente Charaktere (lat. concidere abschneiden, beenden, abbrechen) sind ein erzählerisches Stilmittel des Romans. Als ceased characters werden Romanfiguren bezeichnet, die im Fortschreiten der Erzählung zu einem willkürlichen Zeitpunkt aufhören zu existieren. Obwohl die ceased characters mit großem Aufwand in die Handlung aufgenommen werden, werden sie aber nicht wieder herausgeschrieben (Abgang (Literatur)). Sie enden einfach dadurch, dass sie nicht weiter erwähnt werden.
Da mit den Figuren auch Deutungs- und Bedeutungsebenen verschwinden, schichtet sich die Handlung fortwährend um. In der vom Leser so empfundenen Zufälligkeit entsteht eine echte Kongruenz von Narration und Realität. Da sich die Dekonstruktion aber nicht im Semantischen oder Syntaktischen abspielt (Kohäsionsebene), wird sie vom Leser zunächst nicht bemerkt. Sie spielt sich auf der Bedeutungsebene ab (Textkohärenz). Die Repräsentation einer Bedeutung wird nicht (innerhalb der Narration) negiert durch eine Antithese, eine Dekonstruktion oder Argumentation oder Überlagerung sondern durch ihren Wegfall. Der Erzähler spielt mit den Erwartungen, die der Leser an einen vermeintlich auktorialen Erzähler stellt, wie Allwissenheit, Wahrhaftigkeit, aber auch mit dem Verhältnis von Narration, Leser und Wirklichkeit selbst.
Die ceased characterssind außerhalb der Literatur insofern bedeutsam, da sie etwa in Computerspielen eine echte narrative Simulation der Wirklichkeit erzeugen können. Eine Vorform ist sehr bekannt geworden.
In Agatha Christies (1890-1976) The Murder of Roger Ackroyd (1926) stellt sich am Schluss heraus, dass der beobachtende Erzähler selbst der Mörder ist. Agatha Christie spielt hier mit der Zuschreibung des Lesers, dass der Erzähler selbstverständlich nichts verschweigt. Beim zweiten Lesen merkt man, dass der Erzähler zwar nur ganz kurze, aber entscheidende Momente verschwiegen hat.
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[Bearbeiten] Siehe auch
- Typologisches Modell der Erzählsituationen von Franz Karl Stanzel
- Erzählperspektive
- Erzähltheorie
- Literaturwissenschaft
- Textlinguistik
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Sekundärliteratur
- Godau, Michèle: "Wirkliche Wirklichkeit".Mythos und Ritual bei Adalbert Stifter und Hans Henny Jahnn. Würzburg, Königshausen und Neumann, 2005. Reihe Literaturwissenschaft (Dissertation Braunschweig 2003). ISBN 3-8260-3083-4
- Ostrowicz, Philipp Alexander: Die Poetik des Möglichen. Das Verhältnis von "historischer Realität" und "literarischer Wirklichkeit" in Marcel Beyers Roman "Flughunde". Stuttgart, Ibidem, 2005. ISBN 3-89821-582-2.
- Freudenthal, David: Zeichen der Einsamkeit.Sinnstiftung und Sinnverweigerung im Erzählen von Patrick Süskind. Hamburg, Kovac, 2005. Schriftenreihe Poetica. ISBN 3-8300-1729-4.
- Orth, Dominik: Lost in Lynchworld. Unzuverlässiges Erzählen in David Lynchs "Lost Highway" und "Mulholland Drive". Stuttgart, Ibidem, 2005. ISBN 3-89821-478-8.
- Liptay, Fabienne| et Wolf, Yvonne (Hrsg.): Was stimmt denn jetzt? Unzuverlässiges Erzählen in Literatur und Film. München, edition text & kritik, 2005. ISBN 3-88377-795-1
[Bearbeiten] Primärliteratur
- Christie, Agatha: The Murder of Roger Ackroyd. London, Fontana, 1926.
- Beyer, Marcel: Flughunde, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1996.
- Bornemann, Klaus D.: Hitzestau. Berlin, Verlag Kaminski, 2006.
[Bearbeiten] Weblinks
- Forschergruppe Narratologie der Universität Hamburg.
- Interaktive Narration. Vorlesung von Prof. Heinz Emigholz über Interaktive Narration.
- Unreliable Narration von Ansgar Nünning (Hg.) Studien zur Theorie und Praxis unglaubwürdigen Erzählens in der englischsprachigen Erzählliteratur.
- Glossar zur Textlinguistik der Universität Bremen Bremen von Eva Schönke.
- Unzuverlässigkeit als Erzählstrategie in Literatur und Film. Eine Besprechung des Buches "Was stimmt den jetzt?" (Fabienne Liptay und Yvonne Wolf) von Fehmi Akalin.