Germanisierung
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Der Begriff Germanisierung bezeichnet die Verbreitung eines germanischen Volkes und seiner Kultur und die gewöhnlich einhergehende Überformung oder Verdrängung anderer, nicht germanischer Kulturen. Germanisierung von Wörtern bedeutet eine Angleichung der Wörter an die deutsche Sprache.
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[Bearbeiten] Variierende Bedeutung des Begriffes
Der Begriff Germanisierung wird für die Antike, die Völkerwanderungszeit und das Frühmittelalter vor der deutschen Reichsbildung bezogen auf alle germanischen Völker gebraucht. Für Teile des Mittelalters in Mittel- und Osteuropa sowie in der Neuzeit wird der Begriff vorwiegend für die entsprechende Ausbreitung des deutschen Volks und seiner Vorläufervölker verwendet.
Die genaue Bedeutung dieses Begriffs kann auch in weiterer Hinsicht variieren. So kann Germanisierung die Ausbreitung einer germanischen Kultur ohne erhebliche Migration von Menschen bezeichnen. Germanisierung bezeichnet aber auch die Verdrängung anderer Völker aus ihrem Siedlungsraum oder deren Überformung via Majorisierung durch hinzukommende Bevölkerung mit germanischem Sprachen und Kulturen.
[Bearbeiten] Antike
[Bearbeiten] Römisches Heer
Die allmähliche Verdrängung römischer Soldaten durch Söldner aus Germanien im Römischen Reich wird gelegentlich als Germanisierung des Heeres bezeichnet.
[Bearbeiten] Weströmisches Reich
Ab dem dritten Jahrhundert überschritten germanische Stämme zunehmend den Limes und drangen in römisch beherrschtes Gebiet ein. Sowohl kriegerische Auseinandersetzungen als auch friedliche Einwanderungen germanischer Völker führten zu einer allmählichen Germanisierung von Teilen des römischen Reiches noch vor seinem Untergang. Häufig akzeptierten die Römer die germanischen Völker als Föderaten und wiesen ihnen Siedlungsgebiete innerhalb der römischen Reichsgrenzen zu.
[Bearbeiten] Völkerwanderungszeit
Nach Abzug der römischen Truppen aus Britannien blieb die teilweise romanisierte keltische Bevölkerung schutzlos zurück. Die germanischen Völker der Angeln, Sachsen und Jüten eroberten daraufhin in einem viele Jahrzehnte dauernden Prozess und extrem blutigen Auseinandersetzungen England. Die Erinnerung an die Abwehrschlachten der Kelten hat sich in der Artuslegende erhalten. Teile von Wales, des Cornwalls, und der heute schottischen Gebieten mit ihren skotischen (Skoten) und piktischen Einwohner dagegen widerstanden dem Ansturm. In der Folgezeit kam es in der Wende der Spätantike zum Frühmittelalter zu einer allmählichen Germanisierung der ehemals keltischen Bevölkerung. Die Eroberung Englands 1066 durch die romanisierten germanischen Normannen fügte der Germanisierung Englands eine teilweise Romanisierung hinzu.
[Bearbeiten] Christentum
Manchen Theologen zufolge soll das ursprüngliche Christentum durch den Einfluss heidnischer Germanen beeinflusst worden sein. Dieser Einfluss wird von den Anhängern dieser Theorie in der Regel negativ bewertet. Die Korrektheit dieser Theorie ist sehr umstritten.
[Bearbeiten] Mittelalter und Neuzeit
Bereits im Frühmittelalter kam es zu einer allmählichen Germanisierung slawischer Siedlungen in Nord- und Mitteldeutschland (die Elbslawen siedelten bis in die Nähe von Hamburg) durch deutsche Siedler.
Von den Historikern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wurde der Begriff Germanisierung allerdings vorwiegend für die Besiedlung teilweise slawischer Gebiete wie Mecklenburg, Brandenburg,Pommern, Schlesien, Westpreußen, Ostpreußen, Großpolen sowie magyarischer und rumänischer Gebiete in Ungarn verwendet. Teilweise ging der Germanisierung die Christianisierung voran oder nebenher.
Größtenteils wurde die deutschsprachigen Zuwanderer von den hiesigen Landesfürsten, welche aufgrund von Treueiden an das Kaiserreich die Territorien als Lehen zum Regieren erhalten hatten, ins Land gerufen, um siedlungsarme oder gänzlich siedlungsfreie Flächen zu kolonisieren. Eine Verdrängung der bereits ansässigen Bevölkerung hätte aus Sicht der lokalen Herrscher keinen Sinn ergeben, zumal ihnen an einer möglichst hohen Anzahl von Untertanen gelegen war, die ihre Macht mehrten. Dabei gab es oft an einem Siedlungsplatz deutsche und slawische Ortsteile nebeneinander. Die Germanisierung der Slawen vollzog sich schleichend und über Jahrhunderte. In der Lausitz konnte sich die Volksgruppe der Sorben trotz ihrer insulären Lage im deutschen Sprachgebiet der vollständigen Germanisierung entziehen, wenngleich die Zukunft der niedersorbischen Sprache als stark gefährdet angesehen werden muss.
Das deutsche Kaiserreich betrieb gegenüber seinen Bürgern polnischer Nationalität in den östlichen Gebieten des Reiches eine Politik der Zurückdrängung der polnischen Sprache und Kultur. Die Auseinandersetzung verlief ungefähr im gleichen Zeitraum und ähnlich, jedoch noch härter, wie die repressive Sprachenpolitik gegenüber der dänischen Minderheit in Nordschleswig. Sie war in erster Linie gekennzeichnet durch Verdrängung der polnischen Sprache im öffentlichen Gebrauch. Der polnische Schulunterricht wurde systematisch zurückgedrängt. 1873 wurde in Posen und Westpreußen Deutsch als alleinige Unterrichtssprache in Volksschulen eingeführt, die Zehntausende von Schülern nicht verstanden. Ausnahme blieben die Fächer Religion und der Kirchengesang. 1876 und 1877 wurde bei Behörden und an den Gerichten statt der vorherigen Zweisprachigkeit nur noch das Deutsche erlaubt. Ein Dauerkonflikt war garantiert. Im Gegensatz zu den Dänen stellten die Polen eine größere, geschlossene Gruppe dar, waren zahlenmäßig stärker und wussten sich wirtschaftlich zu organisieren. Je mehr Maßnahmen der Staat ergriff, desto stärker wurde aber die polnische Agitation. Als Höhepunkt wurde 1908 das Deutsche, um das polnische Vereinswesen einzudämmen, für alle Versammlungen vorgeschrieben und die polnische Sprache nur noch an Orten mit mehr als 60% polnischer Bevölkerung erlaubt. Parallel dazu sollten die polnischen Grundbesitzer vertrieben werden, teils mit gezielten Landaufkauf, teils mit Repressalien (Hausbauverbot). Diese wurden jedoch nicht umgesetzt und konnten durch die Ergebnisse des ersten Weltkrieges auch nicht mehr realisiert werden.
Eine Gleichsetzung dieser Politik mit der späteren Germanisierungspoltik des Dritten Reiches sollte jedoch nicht vorgenommen werden, da das deutsche Kaiserreich im Gegensatz zum NS-Staat ein Rechtsstaat war, in dem es jedem Bürger unabhängig von seiner Nationalität freistand, gegen staatliche Maßnahmen zu klagen.
[Bearbeiten] Drittes Reich
Im Zuge des Versuchs, ein so genanntes Großdeutsches Reich zu schaffen, gingen die Nationalsozialisten insbesondere in den besetzten Ostgebieten gegen andere Kulturen vor und versuchten, sie zu verdrängen oder auszurotten. Hauptziel war es, ein kulturell, sprachlich und "rassisch" einheitliches deutsches Siedlungsgebiet zu schaffen.
Dieses Ziel wurde mit unterschiedlichen Maßnahmen verfolgt:
- Umbenennung von Ortschaften
- Verbot anderer Sprachen als dem Deutschen in Publikationen, in Presseerzeugnissen, in der Schule und teilweise auch in Kirchen.
- Besonders in Polen wurden höhere Bildungseinrichtungen geschlossen und die polnischsprachige Bildungselite verfolgt und teilweise in Konzentrationslagern ermordet. Besonders bekannt wurde die Ermordung der Professoren der Universität von Krakau. Ähnliches geschah mit der Schließung von Schulen und Universitäten auch in den besetzten Gebieten der Sowjetunion (Reichskommissariat Ostland, Reichskommissariat Ukraine)
- Polen, die sich am Erhalt der polnischen Kultur beteiligten, wurden in Vernichtungslager deportiert. In den besetzten Gebieten der Sowjetunion geschah ähnliches.
- Polnische, russische, weißrussische und ukrainische Kinder wurden ihren Familien entrissen und gezielt in deutsche Familien gegeben, um sie kulturell zu Deutschen zu machen (siehe auch: Volksdeutsche Mitelstelle) [1].
- Nach der Rassenideologie sollten im Rahmen der Gewinnung von Lebensraum im Osten die meisten Polen, Russen, Weißrussen und Ukrainer ermordet werden, während ca. 10 % der Polen, die nach dem nationalsozialistischen Verständnis als rassisch wertvoll bezeichnet wurden, "germanisiert" werden sollten.
In "Mein Kampf" machte Adolf Hitler deutlich: Da das Volkstum, besser die Rasse, eben nicht in der Sprache liegt, sondern im Blute, würde man von einer Germanisation erst dann sprechen dürfen, wenn es gelänge, durch einen solchen Prozeß das Blut der Unterlegenen umzuwandeln. Das aber ist unmöglich.
Aus diesem Grund zielte die nationalsozialistische Politik nicht nur auf die sprachliche "Germanisierung", sondern auch auf die Verdrängung nichtdeutscher Völker (Polen, Russen etc.) bzw. auf deren "Eindeutschung" bzw. "Aufnordung" (siehe auch: Generalplan Ost, Hungerplan).
[Bearbeiten] Abgrenzung des Begriffes
Die rassischen Verfolgungen von Juden, Roma, Sinti und Jenischen werden im allgemeinen nicht zur Germanisierung gerechnet.
[Bearbeiten] Verwandte Themen
[Bearbeiten] Literatur
- Schäferdiek K.: Germanisierung des Christentums? in Der Evangelische Erzieher 48, Seite 333-342
- Gottfried Maron: Luther und die "Germanisierung des Christentums. Notizen zu einer fast vergessenen These, in: ZKG 94, 1983, S. 313