Girondisten
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Die Girondisten (französisch girondins) waren eine Gruppierung in der Französischen Revolution. Obwohl es in dieser Zeit noch keine Parteien gab, waren sie doch relativ fest organisiert. Sie waren wie die Jakobiner Demokraten, gerieten aber mit diesen in Konflikt. Im Jahr 1793 wurden die meisten Girondisten nach einem Schauprozess hingerichtet.
Ihr Name rührt daher, dass viele von ihnen aus dem Département Gironde (rund um Bordeaux) kamen. Bei den Zeitgenossen waren sie aber unter dem Namen Brissotins (nach einem ihrer Wortführer) bekannt.
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[Bearbeiten] Zusammensetzung
An Abgeordneten zählten sie zwölf, von denen sechs – die Anwälte Vergniaud, Guadet, Gensonné, Grangeneuve und Jay sowie der Geschäftsmann Jean François Ducos – sowohl in der Gesetzgebenden Versammlung als auch im Nationalkonvent saßen. In der gesetzgebenden Versammlung vertraten sie einen kompakten Meinungsblock, den man zwar noch nicht definitiv republikanisch nennen kann, der aber erheblich fortgeschrittener als der gemäßigte Royalismus der Mehrheit der Pariser Abgeordneten war.
Verbunden mit diesen Ansichten war eine Gruppe von Abgeordneten aus anderen Landesteilen; die bedeutendsten von ihnen waren Condorcet, Fauchet, Lasource, Isnards, Kersaint, Henri Larivière, und vor allem Jacques Pierre Brissot, Jean-Marie Roland und Pétion, der als Nachfolger von Bailly am 16. November 1791 gewählte Bürgermeister von Paris. Madame Jeanne-Marie Roland, deren Salon ihr Treffpunkt wurde, übte starken Einfluss auf den Geist und die Politik der Girondisten aus; aber den Zusammenhalt der Partei verdankten sie der Energie Brissots, der in der Versammlung und im Jakobinerklub als ihr Sprachrohr betrachtet wurde. Deshalb wurden sie manchmal auch als Brissotins bezeichnet, ein von Camille Desmoulins geprägter Begriff.
Als eigentliche Parteibezeichnung kamen diese Begriffe in den Sitzungen des Nationalkonvents (ab 20. September 1792) in Gebrauch; ein großer Teil der Abgeordneten aus der Gironde, die in der Gesetzgebenden Versammlung gesessen hatten, war auch in den Konvent gewählt worden. Beide Namen wurden von den Rednern im Jakobinerklub abwertend gebraucht, und die Royalisten, Föderalisten, Brissotins und Girondisten frei als Feinde der Demokratie denunziert.
[Bearbeiten] Prinzipien
In der Gesetzgebenden Versammlung repräsentierten die Girondisten das Prinzip der demokratischen Revolution im Inneren und des patriotischen Widerstands gegen die europäischen Staaten im Äußeren. Im Jakobinerklub, wo Brissots Einfluss noch nicht von Robespierre verdrängt worden war, waren sie allmächtig. Sie zögerten nicht, diesen Vorteil zu nutzen, um Leidenschaften zu schüren und diejenigen einzuschüchtern, die den Fortschritt der Revolution aufhalten wollten. 1792 zwangen sie den König, ein Kabinett aus ihren Anhängern zu ernennen, darunter Jean-Marie Roland, Dumouriez, Clavière und Servan; sie waren es, die die Kriegserklärung gegen Österreich durchsetzten.
In all diesem gab es keinen Zwiespalt zwischen den Girondisten und den Montagnards. Beide Gruppen waren gleichermaßen fundamental gegen die Monarchie; beide waren Demokraten und auch Republikaner; beide waren bereit, Gewalt anzuwenden, um ihre Ideale zu verwirklichen. Trotz der Anschuldigung des Föderalismus gegen sie wollten die Girondisten ebensowenig wie die Montagnards die Einheit Frankreichs aufheben. Trotzdem standen die Führer der beiden Parteien sowohl im Jakobinerclub als auch in der Versammlung in erklärter Opposition gegeneinander.
Der Gegensatz zu den Montagnards war vor allem sozial. Die Girondisten vertraten eher das Großbürgertum in der Provinz, während die Montgnards eher das Pariser Kleinbürgertum vertraten und entsprechend radikaler Forderungen erhoben.
Mit dem wilden Fanatismus oder dem rücksichtslosen Opportunismus der späteren Organisatoren des Terrors hatten sie nichts gemein. So wie die Revolution fortschritt, fürchteten sie die anarchischen Kräfte, die sie zu entfesseln geholfen hatten, und sie versuchten vergeblich, sie zu zügeln. Der Sturz der Monarchie am 10. August und die Septembermassaker waren nicht ihr Werk, obwohl sie die erreichten Ergebnisse für sich beanspruchten.
[Bearbeiten] Konflikt mit den Jakobinern
Zwar waren es die Girondisten, die die Absetzung des Königs und die Einberufung des Nationalkonvents vorschlugen. Aber sie stimmten dem Sturz des Königtums erst zu, als sie feststellten, dass Ludwig XVI. ihren Ratschlägen unzugänglich war; und als die Republik gegründet worden war, waren sie ängstlich, die revolutionäre Bewegung aufzuhalten, die sie mit in Bewegung gesetzt hatten. Wie Daunou in seinen Mémoires bemerkt, waren sie zu kultiviert, um ihre Popularität in unruhigen Zeiten lange zu bewahren, und neigten deshalb umso mehr zur Etablierung der Ordnung, um so ihre eigene Macht zu garantieren. Auf diese Weise wurden die Girondisten, einst die Radikalen in der Gesetzgebenden Versammlung, die Konservativen des Konvents.
Aber sie sollten schon bald praktisch erfahren, welches Schicksal diejenigen ereilt, die eine Revolution auf halbem Wege aufzuhalten versuchen, die sie selbst in Gang gesetzt haben. Der ignorante Pöbel sah in ihrer scheinbar so inkonsistenten Haltung offensichtliche Beweise für korrupte Motive, und diese Täuschung wurde von den Rednern in den Klubs und an den Straßenecken noch angeregt, insbesondere von denen, für die eine Wiederherstellung der Ordnung das wohlverdiente Verschwinden in der Bedeutungslosigkeit bedeutet hätte. Überdies erkannten die Septrembriseurs – Robespierre, Danton, Marat und andere –, dass nicht nur ihr Einfluss, sondern auch ihre Sicherheit davon abhing, die Revolution am Leben zu halten. Robespierre, der die Girondisten hasste, deren Glanz so lange seinen eigenen überstrahlt hatte, hatte vorgeschlagen, ihre Namen in die Verbannungslisten vom September aufzunehmen.
Die Krise kam im März 1793. Die Girondisten, die die Mehrheit im Nationalkonvent hatten, den Exekutivrat kontrollierten und das Kabinett stellten, glaubten sich unbesiegbar. Ihre Redner hatten im gegnerischen Lager keine ernsthaften Konkurrenten; ihr System basierte auf reiner Vernunft. Aber die Montagnards machten durch ihren Fanatismus und ihre Kühnheit wett, was ihnen an Talent oder Zahl fehlte. Sie hatten die revolutionäre Kommune, die Sektionen und die Nationalgarde von Paris hinter sich, und sie hatten im Jakobinerklub die Oberhand gewonnen, in dem Brissot durch Robespierre abgelöst worden war. Als Antriebskraft konnten sie sich auf das dem Pariser Mob eigene Misstrauen verlassen, das sich durch die Hungersnot und die Angst vor einer Invasion steigerte.
[Bearbeiten] Niedergang
Die Girondisten spielten in ihre Hände. Im Prozess gegen Ludwig XVI. hatten die meisten von ihnen für einen Appell an das Volk gestimmt und setzten sich so dem Vorwurf des Royalismus aus. Sie prangerten die Vorherrschaft von Paris an und fielen so unter den Verdacht des Föderalismus, obwohl sie Buzots Vorschlag ablehnten, den Konvent nach Versailles zu verlegen. Sie stärkten die revolutionäre Kommune, indem sie ihre Abschaffung beschlossen und beim ersten Zeichen von Opposition das Dekret zurücknahmen. Sie vergrößerten Marats Prestige, indem sie ihn vor dem Revolutionstribunal anklagten, obwohl sein Freispruch schon vorherzusehen war. In der misstrauischen Stimmung der Zeit war diese unbeständige Politik doppelt fatal. Marat polemisierte ständig gegen die faction des hommes d'État, durch deren Verrat Frankreich ruiniert werde.
Die Feindschaft von Paris gegen die Girondisten zeigte sich in der Wahl des Ex-Girondisten Jean Nicolas Pache (1746-1823) in das Bürgermeisteramt am 15. Februar 1793. Pache war zweimal Kriegsminister in der Girondisten-Regierung gewesen; seine Inkompetenz hatte ihn aber scharfer Kritik ausgesetzt, und am 4. Februar war er durch eine Abstimmung im Konvent abgelöst worden. Dies reichte, um ihm zehn Tage später die Stimmen der Pariser Wähler zu sichern. Die Bergpartei wurde durch den Antritt dieses Verbündeten gestärkt, denn er plante, seine neue Macht zu nutzen, um sich an seinen früheren Kollegen zu rächen. Zusammen mit Chaumette, dem Staatsanwalt der Kommune, und Hébert, dem stellvertretenden Staatsanwalt, kontrollierte Pache die bewaffnete Organisation der Pariser Sektionen und machte sich bereit, sie gegen den Konvent einzusetzen.
Die gescheiterte émeute vom 10. März warnte die Girondisten vor der Gefahr; aber der am 18. Mai ernannte Zwölferausschuss, die Verhaftung Marats und Héberts und andere vorbeugende Maßnahmen wurden durch Aufstände der Sansculotten am 27. und 31. Mai niedergeschlagen. Schließlich säuberte Henriot mit der Nationalgarde am 2. Juni den Nationalkonvent von den Girondisten. Isnards am 25. Mai ausgesprochene Drohung, dass Frankreich Paris stürmen werde, wurde damit beantwortet, dass Paris den Konvent stürmte.
Die von Hanriot verfasste und durch ein Dekret des eingeschüchterten Konvents bestätigte Liste enthielt zweiundzwanzig Abgeordnete der Girondisten und zehn Mitglieder des Zwölferausschusses. Es wurde angeordnet, dass sie unter Hausarrest gesetzt wurden. Einige ergaben sich, darunter Gensonné, Guadet, Vergniaud, Pétion, Birotteau und Boyer-Fonfrède. Andere, darunter Brissot, Louvet, Buzot, Lasource, Grangeneuve, Larivière, Bergoing und später Guadet, Pétion und Birotteau entkamen aus Paris und machten sich daran, in den Provinzen eine Bewegung gegen die Hauptstadt zu organisieren.
Dieser Versuch, einen Bürgerkrieg zu schüren, beendeten die Unentschlossenheit des eingeschüchterten Konvents. Am 13. Juni beschloss er die Inhaftierung der internierten Abgeordneten, das Aufrücken ihrer Ersatzmänner in den Konvent sowie energische Maßnahmen gegen die Bewegung in den Provinzen. Der Vorwand für den darauffolgenden Terror war die imminente Gefahr, die Frankreich im Osten durch das Vorrücken der Koalitionsarmeen und im Westen durch die Aufstände in der Vendée drohte, und die Notwendigkeit, um jeden Preis das Ausbrechen eines weiteren Bürgerkriegs zu verhindern. Die Ermordung Marats durch Charlotte Corday war nur ein letzter Anlass, um das Schicksal der Girondisten zu besiegeln.
Am 28. Juli ächtete ein Dekret des Konvents einundzwanzig Abgeordnete als Verräter und Feinde ihres Staats; die endgültige Liste derjenigen, denen der Prozess gemacht wurde, enthielt die Namen von Antiboul, Boilleau dem Jüngeren, Boyer-Fonfrêde, Brissot, Carra, Duchastel, dem jüngeren Ducos, Dufriche de Valazé, Duprat, Fauchet, Gardien, Gensonné, Lacaze, Lasource, Lauze-Deperret, Lehardi, Lesterpt-Beauvais, dem älteren Minvielle, Sillery, Vergniaud und Viger. Darunter waren fünf Abgeordnete der Gironde. Weitere neununddreißig Namen standen im endgültigen acte d'accusation, der vom Konvent am 24. Oktober angenommen wurde und die Anschuldigungen aufführte, wegen derer sie angeklagt würden: Verrat, Hass gegen Paris, Föderalismus, und vor allem die Verantwortung für den Versuch ihrer entkommenen Kollegen, einen Bürgerkrieg zu provozieren.
[Bearbeiten] Prozess vor dem Revolutionstribunal
Der Prozess gegen die einundzwanzig, der vor dem Revolutionstribunal am 24. Oktober begann, war eine reine Farce und der Urteilsspruch stand schon vorher fest. Am 31. wurden sie in fünf Wagen zur Guillotine gebracht, wobei der Leichnam von Dufriche de Valazé – der sich selbst getötet hatte – mitgeführt wurde. Auf dem Weg sangen sie den Refrain Plutôt la mort que l'esclavage.
Von denen, die in die Provinzen geflohen waren, wurden die meisten, nachdem sie einzeln oder in Gruppen umhergezogen waren, gefangengenommen und hingerichtet oder begingen Selbstmord, darunter Barbaroux, Buzot, Condorcet, Grangeneuve, Guadet, Kersaint, Pétion, Rabaut de Saint-Étienne und Rebecqui. Jean-Marie Roland hatte sich am 15. November selbst in Rouen getötet, eine Woche nach der Hinrichtung seiner Ehefrau. Unter den ganz wenigen, die letztendlich davonkamen, war Jean Baptiste Louvet, dessen Mémoires ein packendes Bild vom Leiden der Flüchtlinge geben. Übrigens beweist dieser Bericht auch, dass die Stimmung in Frankreich zu der Zeit gegen die Girondisten war, und dass sie selbst in ihrer Hochburg Bordeaux geächtet waren.
Nach dem Sturz Robespierres unternahmen die Überlebenden der Partei einen Versuch, wieder in den Konvent zu kommen. Aber erst am 5. März 1795 wurden sie formell wiedereingesetzt. Am 3. Oktober des gleichen Jahres (11. Vendémiare des Jahres III) wurde ein Fest zu Ehren der girondistischen Märtyrer der Freiheit im Nationalkonvent gefeiert.