Großmacht
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Für die Kennzeichnung der außergewöhnlichen geopolitischen Rolle eines Staates wurden und werden verschiedene Begriffe - Großmacht, Hegemonialmacht, Weltmacht oder Supermacht - verwendet, die unscharf gegeneinander abgegrenzt sind und deren Bedeutung im Laufe der Zeit auch Veränderungen unterworfen war.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Begriffsabgrenzung
Im Deutschen werden hauptsächlich Wörter auf -macht verwendet, unter anderem Großmacht, Weltmacht und Supermacht, wobei der erste Wortteil grob die Größe der Einflusssphäre beschreibt.
Während eine Großmacht nur innerhalb einer bestimmten Region eine herausragende Rolle spielt, kann eine Weltmacht weltweit ihren Einfluss geltend machen. Zum Teil wird Weltmacht auch dann verwendet, wenn ein Reich den gesamten ihr bekannten Teil der Welt beherrschte, zum Beispiel beim Römischen Reich. Der Begriff Supermacht bezieht sich ausschließlich auf die bipolare Weltordnung mit den zwei überragenden Konkurrenten Vereinigte Staaten und Sowjetunion, bzw. nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion auf die Vereinigten Staaten allein.
[Bearbeiten] Kriterien
Maßgeblich für die geopolitische Beurteilung eines Landes ist die Frage, welchen Einfluss es auf andere Länder durch politische, ökonomische oder militärische Maßnahmen oder auch nur durch deren Androhung zu nehmen in der Lage ist. Indirekt spielt darüber hinaus auch eine Rolle, welchen Einfluss das Land auf andere Länder über Faktoren nimmt, die meist nur indirekt oder im Bedarfsfall von der herrschenden Klasse des Landes beeinflusst werden, zum Beispiel seine wirtschaftliche Stärke, Migrationsströme oder der „Export“ weltanschaulicher Ideen.
[Bearbeiten] Einflusssphäre
Die Geschichte der Menschheit war schon immer geprägt durch die Bildung lokaler und regionaler Mächte, die in gegenseitiger Konkurrenz standen und sich gegenseitig bekämpften. Immer wieder entstanden dabei Situationen, in denen die einzelnen Länder aufgrund eines ungefähren Kräftegleichgewichtes nicht in der Lage waren, andere Länder zu besiegen und dauerhaft besetzt zu halten. Hierdurch kommt es in der Region zu einem temporären Gleichgewicht zwischen annähernd gleichwertigen Parteien. Allerdings kommt es immer wieder zur Bildung von Mächten, die deutlich größer sind als alle oder zumindest die Mehrheit der übrigen Länder. Jene regionale Großmacht wird diese übrigen Länder dann in der Regel sukzessiv einverleiben, bis
- die verfügbaren Kräfte durch die Kontrolle besetzter Gebiete, die Sicherung der Außengrenze, innere Unruhen oder andere Aufgaben derarten gebunden sind, dass eine weitere Expansion unmöglich ist,
- die Großmacht wegen der Gefahr eines Auseinanderfallens auf eine weitere Expansion verzichtet,
- die Großmacht wegen innerer Konflikte auseinanderfällt,
- die Großmacht mit einer neuen Großmacht konfrontiert wird,
- sich das Kräfteverhältnis zu Ungunsten der Großmacht verschiebt.
Es besteht eine Wechselwirkung zwischen der faktischen Großmachtstellung bzw. die Aussicht darauf und dem politisch-kulturellen Anspruch darauf im Selbstverständnis des entsprechenden Landes.
[Bearbeiten] Verschiedene Mächte in der Geschichte
Frühe Großmächte waren unter anderem das alte Ägypten, das Assyrische Reich, das Perserreich, das Römische Reich, das Seleukidenreich und das Kaiserreich China.
Polen galt ab der Personalunion mit Litauen 1386 bis zu den drei Teilungen Polens ende des 18. Jahrhunderts als Großmacht. In der Neuzeit galten Spanien, Portugal und die Niederlande auf Grund ihrer Kolonien als Großmächte, verloren diesen Status jedoch mit dem Verlust ihrer Kolonien. Daneben waren Österreich-Ungarn, Preußen und das Osmanische Reich weitere Großmächte, die nach dem Ersten Weltkrieg ebenfalls ihre Stellung einbüßten.
Vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges galten das Deutsche Reich, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, die Sowjetunion und die USA als Großmächte. Die Siegermächte behielten nach Kriegsende ihren Status. Der Besitz von Atomwaffen wurde ein weiteres Kriterium für den Großmacht-Status. Während des Kalten Krieges waren die USA und die Sowjetunion die dominierenden Großmächte, weshalb man sie auch als Supermächte bezeichnete.
[Bearbeiten] Heutige Situation
Allein der Besitz von Atomwaffen ist kein Kriterium für eine Großmacht, weswegen die Stellung von Nationen wie Indien, Pakistan oder Israel, die Nuklearmächte sind, nicht eindeutig zu definieren ist. Nach dem Zerfall der Sowjetunion und dem Verbleib der USA als einzige, dominierende Weltmacht spricht man vermehrt von regionalen Großmächten, zu denen, neben den Atommächten, Staaten wie Brasilien, Japan und Deutschland gezählt werden. Auch kann man auch im Allgemeinen die Volksrepublik China dazu zählen, die von vielen schon als die zukünftige 2. Weltmacht neben den USA gehandelt wird. Weiterhin entwickelt sich nach allgemeiner Auffassung der Iran in der Golfregion zu einer regionalen Großmacht.
[Bearbeiten] Ähnliche Begriffe
Hypermacht ist eine 1999 entstandene Begriffsschöpfung des französischen Außenministers Hubert Védrine, um die aktuelle dominierende Stellung der USA in der Politik, Wirtschaft, Kultur, in den Medien und beim Militär zu kritisieren.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Holger Afflerbach: Der Dreibund: Europäische Großmacht- und Allianzpolitik vor dem Ersten Weltkrieg. Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs 92. Vienna, Köln, Weimar 2002
- Dülffer, Jost u.a.: Vermiedene Kriege - Deeskalation von Konflikten der Großmächte zwischen Krimkrieg und Erstem Weltkrieg (1856-1914). München 1997
- Henry A. Kissinger: Das Gleichgewicht der Großmächte. Metternich, Castlereagh und die Neuordnung Europas 1812-1822. 2. Aufl. Zürich 1990
- Egmont Zechlin: Bismarck und die Grundlegung der Deutschen Grossmacht. Stuttgart 1930
- O. Redlich: Österreichs Aufstieg zur Großmacht. 4. Aufl. 1962
[Bearbeiten] Weltmacht
- Xuewu Gu & Hanns W. Maull: "Die prekäre Weltmacht : Grundzüge der Außenpolitik Chinas im 21. Jahrhundert". Baden-Baden : Nomos, 2005
- Immanuel Wallerstein: "Absturz oder Sinkflug des Adlers? Der Niedergang der amerikanischen Macht". VSA-Verlag 2004, 274 Seiten ISBN 3-89965-057-3
- Emmanuel Todd: "Weltmacht USA : ein Nachruf". (Après l'empire dt.) 5. Aufl. - München u.a.: Piper, 2003 264 S. ISBN 3-492-04535-9
- Vjaceslav I. Dasicev: "Moskaus Griff nach der Weltmacht : die bitteren Früchte hegemonialer Politik". Hamburg [u.a.] : Mittler, 2002 543 S. ISBN 3-8132-0798-6
- Christian Hacke: "Zur Weltmacht verdammt : die amerikanische Außenpolitik von J. F. Kennedy bis G. W. Bush". Bonn : Bundeszentrale für Politische Bildung, 2003. 2., aktualisierte u. erw. Aufl.