Gudrun Ensslin
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Gudrun Ensslin (* 15. August 1940 in Bartholomä; † 18. Oktober 1977 in Stuttgart) war einer der Köpfe und Gründungsmitglied der Rote Armee Fraktion (RAF).
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[Bearbeiten] Leben
Gudrun Ensslin war das vierte von insgesamt sieben Kindern einer evangelischen Pfarrersfamilie und wuchs in Tuttlingen auf. Ihr Vater Helmut Ensslin hatte in Tübingen studiert und war dort in der Verbindung Normannia Bundesbruder des späteren Generalbundesanwalts Kurt Rebmann, der in dieser Position zum direkten "Gegenspieler" von Gudrun Ensslin wurde. Nach ihrem Abitur 1960 an einer katholischen Schule studierte sie von 1960 bis 1964 an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen Anglistik, Germanistik und Pädagogik, anschließend an der Freien Universität Berlin. Während ihrer Studienzeit gründete sie 1963 zusammen mit dem politischen Schriftsteller Bernward Vesper einen eigenen Kleinverlag, das „Studio für neue Literatur”, dem allerdings nur eine einzige Veröffentlichung beschieden sein sollte. Mit Vesper hatte Ensslin einen gemeinsamen Sohn, Felix Robert Ensslin (* 13. Mai 1967 in Berlin). Wie auch Ulrike Meinhof war sie Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes.
Involviert in die Studentenunruhen der ausgehenden 1960er, engagierte sich Ensslin zunehmend in der Außerparlamentarischen Opposition und verfasste linksgerichtete agitatorische Schriften.
Nachdem der Student Benno Ohnesorg während des Besuchs des Schahs von Persien in Berlin am 2. Juni 1967 von einem Polizisten erschossen worden war, rief sie im Büro des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes zur „Gewalt gegen einen gewaltbereiten Staat” auf. Während dieser Zeit traf sie vermutlich auf Andreas Baader.
Nach politisch motivierten Kaufhaus-Brandstiftungen am 2. April 1968 wurde Ensslin verhaftet und gemeinsam mit Andreas Baader, Thorwald Proll und Horst Söhnlein zu drei Jahren Haft verurteilt. Nach der Verurteilung kamen die Angeklagten wegen der eingelegten Revision zunächst auf freien Fuß. Nachdem die Revision nicht zur Entscheidung angenommen worden war, wurde das Urteil rechtskräftig.
Ensslin tauchte unter und flüchtete mit Andreas Baader nach Frankreich.
Zurückgekehrt in die Bundesrepublik Deutschland entstand vermutlich der erste Kontakt zu der Hamburger Journalistin Ulrike Meinhof, die sich in der linken Hamburger Zeitschrift „konkret” durch immer radikalere Kolumnen einen Namen gemacht hatte. Weitere Kontakte zu Holger Meins, Jan-Carl Raspe und Inge Viett entstanden wahrscheinlich bereits Anfang der 1970er.
Ensslin und Meinhof planten die Befreiung Baaders, die am 14. Mai 1970 stattfand. Ein fingierter Interviewtermin wurde zur Flucht genutzt. Dies gilt als Gründungsaktion der RAF. Ensslin nahm nicht persönlich an der Befreiungsaktion teil, bei der ein Vollzugsbeamter angeschossen wurde, der schwer verletzt wurde und dauerhaft querschnittsgelähmt blieb.
Es folgten zahlreiche Banküberfälle um die folgenden Aktionen zu finanzieren. Die Gruppe reiste verdeckt in ein palästinensisches Camp im Libanon, um sich militärisch ausbilden lassen. Nach der Rückkehr in die BRD wurden zahlreiche Banküberfälle und fünf Sprengstoffanschläge verübt. Gudrun Ensslin war an mehreren Anschlägen der RAF beteiligt, bei denen vier Menschen ums Leben kamen.
Gudrun Ensslin wurde am 7. Juni 1972 in einer Modeboutique am Hamburger Jungfernstieg verhaftet. Sie war zuvor von einem Taxifahrer erkannt worden, und wollte sich in der Boutique neu einkleiden. Einer Verkäuferin fiel eine Waffe in ihrer Jacke auf, woraufhin sie die Polizei anrief. Ensslin konnte nach einem kurzen Gerangel verhaftet werden.
Es folgten langjährige Prozesse gegen Ensslin und die anderen Mitglieder der RAF. Inhaftiert wurde Gudrun Ensslin im Hochsicherheitstrakt der JVA Stuttgart-Stammheim. Sie beging ebenso wie Andreas Baader und Jan-Carl Raspe am 18. Oktober 1977 Selbstmord, indem sie sich mit Hilfe eines Telefonkabels selbst erhängte.
Gudrun Ensslin wurde am 27. Oktober 1977 in einem Gemeinschaftsgrab zusammen mit Andreas Baader und Jan-Carl Raspe auf dem Dornhaldenfriedhof in Stuttgart beigesetzt.
Irmgard Möller, die einzige Überlebende der sogenannten Stammheimer Todesnacht, und Anwälte der Gefangenen (u. a. Otto Schily) warfen den staatlichen Organen vor, dass es sich nicht um eine kollektive Selbsttötungsaktion infolge der gescheiterten Freipressungsversuche („Deutscher Herbst” / Entführung und Mord von Hanns-Martin Schleyer) gehandelt habe, sondern um staatlich angeordnete Tötungen. Es fanden deshalb zwei Obduktionen der Leichen statt, die erste im Auftrag der Ermittlungsbehörden und die zweite auf Betreiben von Angehörigen und Anwälten, Anhaltspunkte für ein Fremdeinwirken wurden jedoch nicht erbracht.
Die Eltern von Gudrun Ensslin, der Pfarrer Helmut Ensslin (1909-1984) und seine Frau Ilse Ensslin, haben sich nie von ihrer Tochter abgewandt.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Film
- Die bleierne Zeit (1981) von Margarethe von Trotta in Anlehnung an die Biografie der Ensslin-Geschwister.
- Stammheim (1986) von Reinhard Hauff mit Sabine Wegner in der Rolle der Gudrun Ensslin; nach dem Buch von Stefan Aust.
[Bearbeiten] Literatur
- Ulrike Meinhof, Eberhard Itzenplitz, Klaus Wagenbach: Bambule. Fürsorge – Sorge für wen? (1971), ISBN 3-8031-2428-X
- Gudrun Ensslin u.a.: Zieht den Trennungsstrich jede Minute - Briefe an ihre Schwester Christiane und ihren Bruder Gottfried aus dem Gefängnis 1972-1973. (2005); Hrsg. von Christiane Ensslin und Gottfried Ensslin; Konkret Literatur Verlag Hamburg, ISBN 3894582391
- Michael Kapellen: Doppelt leben. Bernward Vesper und Gudrun Ensslin. Die Tübinger Jahre (2005); Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen, ISBN 3937667652
- Gerd Koenen, Vesper, Ensslin, Baader (2001); Fischer Taschenbücher, ISBN 3596156912
- Klaus Pfileger: Die Rote Armee Fraktion (2004); Nomos Verlag, ISBN 3832905332
- Stefan Aust: Der Baader-Meinhof Komplex (1998); Goldmann, ISBN 3-442-12953-2
- Susanne Bressan und Martin Jander: Gudrun Ensslin, in: Wolfgang Kraushaar (Hrsg.), Die RAF und der linke Terrorismus, Hamburg 2006, Bd. 1, S. 398 - 429
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Gudrun Ensslin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Biografie beim Deutschen Historischen Museum Berlin
- die Rote Armee aufbauen!: Gastkolumne von Gudrun Ensslin
- Grabstein in Stuttgart
- rote hilfe zeitung - Interview mit Irmgard Möller über die Selbstmordnacht in Stammheim
Personendaten | |
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NAME | Ensslin, Gudrun |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Terroristin, Mitglied und Mitbegründerin der Rote Armee Fraktion |
GEBURTSDATUM | 15. August 1940 |
GEBURTSORT | Bartholomä, Baden-Württemberg, Deutschland |
STERBEDATUM | 18. Oktober 1977 |
STERBEORT | Stuttgart-Stammheim, Deutschland |