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Homo oeconomicus - Wikipedia

Homo oeconomicus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Unter dem Konzept des Homo oeconomicus versteht man einen „Idealtyp“ eines Menschen, der so kein Gegenbild in der Realität hat. Dieser vollführt seine Handlungen allein nur auf der Basis der ihm vorliegenden Informationen und trifft dabei seine Entscheidungen streng wirtschaftlich rational denkend: Alles was er tut, ist auf die Maximierung seines persönlichen Nutzens auf Basis rationaler Überlegungen ausgerichtet.

Der Begriff ist eine humoristische Anspielung auf die aus der Biologie stammende Bezeichnung Homo sapiens.

Es handelt sich um ein stark vereinfachtes Modell menschlichen Handelns. Andere Modelle, die weitere Aspekte des menschlichen Verhaltens in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften beschreiben, sind z.B. der

  • Homo sociologicus (der Mensch als sozial handelndes Wesen)
  • Homo oecologicus (der Mensch als ökologisch handelndes Wesen)
  • Homo culturalis (Gegenmodell zum Homo oeconomicus nach Walter Eucken, starke Schnittmengen mit den Konzepten des Homo sociologicus und Homo oecologicus)
  • Homo cooperativus (der Mensch als zusammenarbeitendes Wesen)

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Homo oeconomicus in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

In den Sozialwissenschaften, insbesondere der Soziologie und den Wirtschaftswissenschaften, zentral in der Neoklassischen Theorie, werden Ansätze, die in ihren Grundannahmen auf das Modell des Homo oeconomicus aufbauen, als Rational-Choice-Ansätze bezeichnet.

In den Wirtschaftswissenschaften werden die Akteure in der Regel als egozentrische Nutzenmaximierer modelliert, das heißt, es werden sehr spezifische Annahmen über die Präferenzen des Homo oeconomicus gemacht. Dies wird für viele Fragestellungen, in denen widerstreitende Interessen auftreten, als sachgerechte und praktikable Vereinfachung akzeptiert. Insbesondere die experimentelle Ökonomik und die Evolutions- und Verhaltensökonomik, befassen sich mit beschränkt rationalen Verhaltensmustern des Menschen, deren Gründe unter anderem in der Komplexität der Entscheidungssituationen (Informationsbewertung, Bildung von Zukunftserwartungen etc.) liegen. Ralf Dahrendorf hat analog dazu für seine Rollentheorie den Begriff Homo sociologicus geprägt und verwendet.

Der Homo oeconomicus wird oftmals als unsoziales oder amoralisches Wesen gesehen. Auch Täuschung und Betrug liegen innerhalb des Spektrums rationaler Handlungsweisen zum eigenen Vorteil. Jedoch lassen sich auch nicht-egozentrische Präferenzen modellieren; das allgemeine Konzept des Homo oeconomicus nimmt Präferenzen als gegeben hin und macht keine Annahmen über ihren konkreten Inhalt.

Der Sinn des Konzepts des Homo oeconomicus liegt darin, dass man eine Annahme macht, wie sich bspw. ein Geschäftsmann, ein Kunde oder sonst ein wirtschaftlich handelnder Mensch unter bestimmten wirtschaftlichen Bedingungen (z.B. Marktbegebenheiten) verhalten wird. Damit lässt sich der „Faktor Mensch“ und sein Handeln im Wirtschaftsgeschehen besser fassen und einkalkulieren (z.B. für die Herstellung und den Verkauf von Produkten).

Obwohl Adam Smith als geistiger Vater des Homo oeconomicus gilt, findet sich der englische Ausdruck economic man erst 1888 in John Kells Ingrams „A History of Political Economy“; den lateinischen Term homo oeconomicus benutzte wohl zum ersten Mal Vilfredo Pareto in seinem „Manual of Political Economy“ (1906).

[Bearbeiten] Geschichte

[Bearbeiten] Adam Smith

Der Ansatz des politischen Ökonomen und Philosophen Adam Smith erkennt im später als Homo oeconomicus bezeichneten Verhaltensmodell die Basis für den Wohlstand der Nationen.

Der „Egoismus“ (self-interest) des Einzelnen und nicht etwa Nächstenliebe oder Altruismus führe dazu, dass auch der gesellschaftlich materielle Wohlstand gesteigert werde, denn:

„Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen- sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil“ (aus: Der Wohlstand der Nationen - Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen. Erstes Buch, Zweites Kapitel: „Das Prinzip, das der Arbeitsteilung zugrunde liegt“).

In diesen zentralen Zuteilungsmechanismus der marktlichen Interaktion (Markt- oder Tauschprinzip) sieht Smith eine soziale Steuerungsmöglichkeit, die er wohl als äußerst effizient einschätzt. Es scheint ihm, als ob dieses Prinzip, weil es so effizient und zuverlässig zu funktionieren vermag, von einer unsichtbare Hand gelenkt wird (Smith prägte auch diesen Begriff nicht wirklich, da er im gesamten Werk nur einmal auftaucht. Die „unsichtbare Hand“ stand bei Smith weniger für das Prinzip des „freien Marktes ohne jegliche Einmischung des Staates“, sondern drückte eher seine Bewunderung für die Dezentralität eines Prinzips aus, das ohne Hierarchie auskommt und quasi wie von selbst zu funktionieren scheint. Smith war alles andere als ein radikaler Befürworter des Marktes oder gar Manchesterliberalist, denen der Begriff der unsichtbaren Hand die oftmals wertgeladene Konnotation zu verdanken hat. Gleichwohl berufen sie sich, oftmals zu Unrecht, auf Adam Smith).

[Bearbeiten] Eduard Spranger

Den Ausdruck Homo oeconomicus benutzt Eduard Spranger in seinem Buch Lebensformen (1914) für die behauptete Grundtendenz von Menschen, das Leben nach rein wirtschaftlichen Kriterien auszurichten. Spranger erweitert dies um mehrere Grundtypen, von denen der Homo oeconomicus eine ist: der theoretische Mensch, der ökonomische Mensch, der ästhetische Mensch, der soziale Mensch, der Machtmensch und der religiöse Mensch.

„Der ökonomische Mensch im allgemeinsten Sinne ist also derjenige, der in allen Lebensbeziehungen den Nützlichkeitswert voranstellt. Alles wird für ihn zu Mitteln der Lebenserhaltung, des naturhaften Kampfes ums Dasein und der angenehmen Lebensgestaltung.“ (S. 148). [...]
„Reichtum ist Macht. Der ökonomische Mensch entfaltet zunächst Macht über die Natur, ihre Stoffe, Kräfte, Räume und die technischen Mittel zu ihrer Bewältigung. [...] Mehr haben wollen als der andere, ist eine in der gesellschaftlichen Wirtschaft sich immer wieder von selbst bildende Willensrichtung. Wirtschaftliches Machtstreben erscheint also in der Form der Konkurrenz; sie herrscht von den einfachsten Stufen an und kann nur mit dem wirtschaftlichen Motiv selbst ausgerottet werden.“ (S. 153/154)
„Die Macht des Geldes beruht auf seiner Motivationskraft für Menschen; sie setzt also wieder ökonomisch gerichtete Naturen voraus. Und gleich als ob man beflissen wäre, dies schon im voraus anzuerkennen, gibt Geld heute auch dann Ansehen, wenn man es nicht selbst erworben hat und weder durch seinen Fleiß noch durch seine Klugheit daran beteiligt ist.“ [...] „Der wirtschaftliche Wert ist für diese Art von Menschen selbst schon der höchste Wert.“ (S. 155).

[Bearbeiten] Heute

Mit der Etablierung der experimentellen Wirtschaftsforschung wurde das Konzept des Homo oeconomicus in den vergangen Jahren immer häufiger experimentell überprüft. Dabei zeigte sich, dass unter gewissen eng definierten Laborbedingungen dieses Konzept manchmal als eine geeignete Prognose für tatsächliches menschliches Verhalten herangezogen werden kann. In zahlreichen anderen Versuchen konnte diese Verhaltenshypothese jedoch nicht bestätigt werden.

Zur Erklärung des beobachten Laborverhaltens wird in diesen Fällen das Homo-oeconomicus-Modell häufig erweitert. Diese Erweiterungen beziehen sich dabei häufig auf die Nutzenfunktion, welche beispielsweise das Verhalten anderer Akteure mit berücksichtigt. Der Homo oeconomicus reciprocans ist eine solche Modellerweiterung.

[Bearbeiten] Kritik

Das Modell des ausschließlich rationalen Homo oeconomicus kann auch als Menschenbild aufgefasst werden. Von Kultur, Philosophie und vielen Ökonomen wird dieses Menschenbild als eindimensional zurückgewiesen: Die Geschichte, die Psychologie, die Kunst, die Religion, Anthropologie und Ethnologie würden Gegenbeispiele genug liefern. Neuere ökonomische Ansätze, die nicht vom Vorliegen eines Homo oeconomicus ausgehen, werden dem Fachgebiet der Verhaltensökonomie zugerechnet.

Der Mensch sei keine egoistische, gefühlskalte, rein rationale Maschine und erst recht nicht allwissend. Vor allem in der Soziologie wird die Bedeutung von Normen und Werten für das menschliche Handeln betont. Zusammenfassende Kritiken finden sich in fast jedem Einführungsbuch zur Soziologie.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Gebhard Kirchgässner: Homo oeconomicus - Das ökonomische Modell individuellen Verhaltens und seine Anwendung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Tübingen 1991.
  • Helmut Woll: Menschenbilder in der Ökonomie, München 1994
  • Reiner Manstetten: Das Menschenbild in der Ökonomie - Der homo oeconomicus und die Anthropologie von Adam Smith. Freiburg 2002.
  • Dietz, Alexander: Der homo oeconomicus. Gütersloh 2005.
  • Persky, J. (1995): Retrospectives: The ethology of Homo economicus, Journal of Economic Perspectives, 9(2), 221-231.
  • Stefan Zabieglik (2002): The Origins of the Term Homo Oeconomicus, in: Janina Kubka, Economics and Values, Gdansk, 123-131.
  • Joseph Vogl Kalkül und Leidenschaft. Poetik des ökonomischen Menschen. Zürich/ Berlin (2004). diaphanes.
  • Verena von Nell, Klaus Kufeld (Hg.): Homo oeconomicus. Ein neues Leitbild in der globalisierten Welt? Reihe: Forum Philosophie & Wirtschaft, Bd. 1, 2006.
  • Lüdemann, Jörn: Die Grenzen des homo oeconomicus und die Rechtswissenschaft, in: Chr. Engel u.a. (Hrsg), Recht und Verhalten, Tübingen 2006 (im Ersch.), S. 7 ff.

[Bearbeiten] Weblinks

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