Jean-Pierre Serre
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Jean-Pierre Serre (* 15. September 1926 in Bages bei Narbonne, Frankreich) ist einer der führenden Mathematiker des 20. Jahrhunderts und Wegbereiter der modernen Algebraischen Geometrie, Zahlentheorie und Topologie und Träger der Fields-Medaille.
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[Bearbeiten] Leben
Serres Eltern waren Apotheker. Er ging auf das Gymnasium von Nimes (Lycée de Nimes), gewann 1944 den landesweiten "Concours general" in Mathematik und studierte von 1945 bis 1948 an der Ecole Normale Supérieure in Paris. Er promovierte an der Sorbonne im Jahre 1951. In dieser Zeit wurde er Mitglied des Mathematikerzirkels Nicolas Bourbaki. Von 1948 bis 1954 war er am Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) in Paris tätig. 1954-1956 war er an der Universität von Nancy und danach seit 1956 Professor am Collège de France in Paris. Seit 2005 ist er emeritiert.
[Bearbeiten] Werke
Schon im sehr jungen Alter war Serre einer der herausragendsten Schüler von Henri Cartan. Er beschäftigte sich in der Zeit um 1950 mit algebraischer Topologie und wandte Jean Lerays Spektralsequenzen auf die Faserbündel-Räume aus einem topologischen Raum X als Basis und dem Raum der Wege in X als Faser an (loop space method). So konnte er Beziehungen zwischen den Homologiegruppen in Faserbündel-Räumen sowie zwischen Homologie- und Homotopiegruppen finden. Die Anwendung in der Bestimmung der Homotopiegruppen von Sphären, einem notorisch schwierigen Gebiet, sorgte damals für Aufsehen (Dissertation 1951). Er bewies, dass die m-te Homotopiegruppe der n-dimensionalen Sphäre endlich ist, außer für: n gerade und m=2n-1 (m > n).
Nach einem Aufenthalt in Princeton 1952, wo er u.a. das Artin-Tate Seminar über Klassenkörpertheorie besuchte, wandte er sich nach der Rückkehr nach Paris im Cartan-Seminar den dort aktuellen Themen Funktionentheorie mehrerer Veränderlicher und algebraischer Geometrie zu, die er mit Hilfe von Jean Lerays Garbentheorie und den Methoden der algebraischen Topologie (Kohomologietheorie) auf ein neues Fundament stellte. Zunächst geschah das für gerade erzielte Resultate von Cartan und Oka in der Funktionentheorie mehrerer Variabler. Arbeiten über Verallgemeinerungen des Riemann-Roch Theorems (die gleichzeitig Hirzebruch und Kodaira vorantrieben) 1953 führten ihn schliesslich ab 1954 zur Algebraischen Geometrie. Aus den Diskussionen im Cartan Seminar Mitte der 50er Jahre entstand dann später der Grundstein für Alexander Grothendiecks Theorie der Schemata, auf dem Grothendieck und seine Schule die Algebraische Geometrie neu aufbaute. Zwei der bekanntesten Artikel von Serre aus dieser Zeit sind FAC (Faisceaux Algébriques Cohérents, über die Kohomologie kohärenter Modulgarben) von 1955 und GAGA (Géometrie Algébrique et Géométrie Analytique) von 1956. Mit "analytischer Geometrie" ist dabei die Funktionentheorie mehrerer komplexer Variabler gemeint. Bekannt ist der Dualitätssatz von Serre.
Während der 1950er und 1960er Jahre bis zu Grothendiecks Ausstieg, der sich Ende der 60er Jahre abzeichnete, diskutierten die beiden intensiv miteinander. Serre - der in einem Interview angab nie ein größeres oder kleineres Programm verfolgt zu haben - vermutet dahinter letztlich, dass die Zahlentheorie und Theorie der Modulformen usw. zu komplex wurde, als dass sie in Grothendiecks "big picture" passte.
Von 1959 an beschäftigte er sich vornehmlich mit Zahlentheorie, u.a. dem Ausbau der Galoiskohomologie für die Klassenkörpertheorie sowie den Galoisdarstellungen in der Theorie der elliptischen Kurven über den rationalen Zahlen. Hier formulierte er die Serre-Vermutung in der Theorie der "zweidimensionalen" Darstellungen der "absoluten Galoisgruppe". Das Objekt der Begierde ist diese absolute Galoisgruppe eines Zahlkörpers, das heisst die Gruppe seiner Automorphismen, über die aber wenig bekannt ist. Deshalb werden spezielle Darstellungen (Wirkungsorte) dieser Gruppe untersucht, z.B. in den "n-Torsionspunkten" (rationale Punkte der Kurve, die n-fach "addiert" - nach der Sekanten-/Tangentenmethode von Poincare - Null ergeben) elliptischer Kurven. Da diese geometrisch (da zweifach periodisch) von der Gestalt eines Torus sind, spricht man von "zweidimensionaler Darstellung". Serre fand, dass die Theorie umso reichhaltiger ist, je höher die Ordnung n der Torsionspunkte ist (open image theorem).
Er initiierte außerdem zusammen mit Nicholas M. Katz die Theorie der p-adischen Modulformen.
Sein Buch "A course in Arithmetic" bringt auf knappem Raum sowohl eine Diskussion quadratischer Formen als auch der Theorie der Modulformen (mit Anwendung auf Gitter). Er erhielt dafür den Steele-Preis.
Serre leistete auch einen wichtigen Beitrag in der Beweiskette, die von Gerhard Frey über Ken Ribet bis Andrew Wiles zum Beweis der Fermat-Vermutung führte.
Aus seiner Freundschaft mit Armand Borel resultierte auch sein Interesse für Lie Gruppen und ihre Algebren, diskrete Gruppen und ihre Geometrie und Darstellungstheorie von Gruppen. Es war dann nur natürlich, dass er auch die Gesammelten Werke von Ferdinand Georg Frobenius herausgab.
[Bearbeiten] Auszeichnungen und Ehrungen
- 1954 Fields-Medaille
- 1985 Balzan-Preis
- 1995 Steele-Preis
- 2000 Wolf-Preis
- 2003 Abel Preis
- Ritter der französischen Ehrenlegion
- Commandeur des Ordre Nationale du Mérite
- Mitglied einer Reihe wissenschaftlicher Akademien (u.a. Fellow of the Royal Society)
[Bearbeiten] Zitate
Präzision kombiniert mit Informeller Kürze - das ist das Ideal in Büchern ebenso wie in Vorlesungen (Interview mit Leong, Chong 1986)
[Bearbeiten] Literatur
von Jean-Pierre Serre:
- Oeuvres, 1988-1995, 4 Bde.
- Linear representations of finite groups, Springer 1996 (deutsch vieweg 1972)
- A course in arithmetic, Springer 1996 (zuerst frz.1970)
- Galois cohomology, Springer 2002 (englische Ausgabe des College de France Kurses 1962/3)
- Topics in Galois theory, 1992
- Local algebra, Springer 2000 (engl.Ausgabe von Corps Locaux, 1962)
- Algebre locale- multiplicites 1965
- Algebraic groups and class fields, Springer 1988 (engl. Ausgabe von Groupes algebriques et corps des classes 1959)
- Lectures on the Mordell-Weil theorem, vieweg 1997, 3.ed.
- Trees, Springer 1980 (frz.Original Arbres, amalgames, SL(2) 1977)
- Abelian l-adic representations and elliptic curves, Benjamin, New York 1968
- Lie algebras and Lie groups, Springer 1992 (zuerst Lectures Harvard 1964)
- Complex semisimple lie algebras, Springer 1987
- Grothendieck-Serre correspondence, 2003, American Mathematical Society (Colmez ed., die zahlreichen Telefongespräche der beiden insbesondere während ihrer gleichzeitigen Anwesenheit in Paris sind allerdings nicht erfasst)
- Interview mit Leong, Chong in Mathematical Intelligencer 1986, Nr.4, online hier: [1]
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Jean-Pierre Serre im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- "Erstmalige Verleihung des Abel-Preises Auszeichnung von Jean-Pierre Serre für sein Gesamtwerk" (pdf.)
- Biographie McTutor
- Serre "Une theoreme de dualite", Commentarii Math.Helvetici 1955, sein Dualitätssatz
- Serre "Proprietes galoisiennes des points d ordre fini des courbes algebriques", Inventiones Mathematicae 1972
- Seine Arbeiten zum Riemann-Roch Theorem mit Borel im Bull.Soc.Math.France 1958, GAGA von 1956, und diverse Beiträge zu den Cartan, "Lie", Chevalley-Seminaren u.a. sind online hier: [2]
Personendaten | |
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NAME | Serre, Jean-Pierre |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Mathematiker |
GEBURTSDATUM | 15. September 1926 |