Kara Ben Nemsi
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Kara Ben Nemsi (arabisch Kara: „schwarz“, phonetische Anlehnung an „Karl“; Ben Nemsi: „Sohn der Deutschen“) nennt sich der Ich-Erzähler in Karl Mays Orient-Romanen.
Er verkörpert dabei einen jungen Deutschen, der meist zusammen mit Begleitern wie seinem Diener und Führer Hadschi Halef Omar oder dem englischen Lord Sir David Lindsay durch Nordafrika, den Nahen Osten, den Sudan und den Balkan zieht und bei seinem Kampf für Frieden und Gerechtigkeit allerlei Abenteuer erlebt. Äußere Kennzeichen sind für Kara Ben Nemsi sein Pferd Rih und seine westlichen Schusswaffen, deren Kraft in den Gebieten, die er bereist, weitgehend unbekannt sind.
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[Bearbeiten] Old Shatterhand
Kara Ben Nemsi und der beide Teile Amerikas durchstreifende Old Shatterhand sind ein und dieselbe, durch den Ich-Erzähler Karl May geschaffene und autobiographisch beeinflusste Person. Dies wird unter anderem in dem Roman Im Reiche des silbernen Löwen I (jetzt auch unter dem Titel: Der Löwe der Blutrache) deutlich, wo sich der Erzähler als Old Shatterhand in den USA befindet und dort einen Bekannten aus dem Orient trifft, dem sich Old Shatterhand als „Kara Ben Nemsi“ zu erkennen gibt, oder in Satan und Ischariot II (jetzt auch unter dem Titel Krüger Bei), wo Old Shatterhand nach Tunis reist.
[Bearbeiten] Entwicklung des Namens und Deutung des Begriffs „Nemsi“
May führt die Begriffe „Nemsi“ und „Nemsistan“ in seiner 1878 erschienenen, dritten Orienterzählung Die Rose von Sokna ein. Dort übersetzt er die von einem Karawanenführer beziehungsweise dem arabischen Diener des dort noch unbenannten Ich-Erzählers verwendeten Worte mit „Deutscher“ und „Deutschland“. Die Namensgebung „Kara Ben Nemsi“ findet in den 1880/81 erschienenen „Reise-Erinnerungen aus dem Türkenreiche von Karl May“ Giölgeda padishanün (später Durch die Wüste) durch den Diener Hadschi Halef Omar statt, der diesen Namen bei einer Vorstellung spontan erfindet:
- Der brave Mensch hatte mich einmal nach meinem Namen gefragt und wirklich das Wort Karl im Gedächtnisse behalten. Da er es aber nicht auszusprechen vermochte, so machte er rasch entschlossen ein Kara daraus und setzte Ben Nemsi, Nachkomme der Deutschen, hinzu. (Giölgeda padishanün, 1880/81)
Aus einer späteren Stelle der Erzählung, wo er Nemtsche-schimakler („Nördliche Deutsche“) und Nemtsche-memleketler („Österreicher“) verwendet geht hervor, dass May mit dem Begriffspaar „nemsi/deutscher“ eher eine Zugehörigkeit zu einem deutschen Staat im Sinne des Deutschen Bundes als zum derzeit erst wenige Jahre alten Deutschen Reich meinte.
Wenn es nicht um den Namen geht und in späteren Werken, verwendet May in seinen Orient-Erzählungen gerne die Bezeichnungen Almani und Belad el Alman/Almanja für „Deutscher“ und „Deutschland“:
- „Das Land heißt Belad el Alman; ich bin also ein Almani oder, wenn Du das Wort vielleicht gehört haben solltest, ein Nemsi und heiße Kara Ben Nemsi. Mein Vaterland liegt weit über dem Meere drüben.“ (Krüger Bei, 1894/95)
Belad el Alman („Land der Deutschen“) wird auch direkt mit Kaiser Wilhelm I. und damit dem Deutschen Reich in Verbindung gebracht:
- „Ich habe von dem Belad el Alman gehört. Es regiert da ein großer Sultan, welcher Wi-hel (Wilhelm) heißt und die Franzosen besiegt hat. Diese sind unsere Feinde; darum ist jeder Almani unser Freund, und meine Leute werden sich freuen, Dich zu sehen. Natürlich bist Du auch ein Krieger?“ (Eine Befreiung, 1894)
Im heutigen Arabisch wäre „Nemsi“ (richtiger wäre jedoch Nemsawi) ein Österreicher und „Almani“ ein Deutscher.
In späteren Werken bevorzugt May offensichtlich die direkte Ableitung von Kara aus seiner Bartfarbe anstatt aus seinem Vornamen:
- Was meinen Namen betrifft, so wurde ich nicht bei meinem eigentlichen, sondern, wie auf meinen früheren Reisen, Kara Ben Nemsi genannt. Kara heißt „schwarz“ und Ben Nemsi „Sohn der Deutschen“. Ich trug einen dunklen Bart und war ein Deutscher; daher dieser Name. (Eine Befreiung, 1894)
[Bearbeiten] Kara Ben Nemsi in den Werken Karl Mays
Angegeben sind die Band-Nummern der Buch-Erstausgaben. Die Zuordnung der Werke zu den Bänden ist für die hier angegebenen bis heute gleich geblieben.
- Durch Wüste und Harem (heute Durch die Wüste) (Band 1, 1892)
- Durchs wilde Kurdistan (Band 2, 1892)
- Von Bagdad nach Stambul (Band 3, 1892)
- In den Schluchten des Balkan (Band 4, 1892)
- Durch das Land der Skipetaren (Band 5, 1892)
- Der Schut (Band 6, 1892)
- Im Lande des Mahdi 1. Band (heute Menschenjäger) (Band 16, 1896)
- Im Lande des Mahdi 2. Band (heute Im Lande des Mahdi) (Band 17, 1896)
- Im Lande des Mahdi 3. Band (heute Im Sudan) (Band 18, 1896)
- Satan und Ischariot 2. Band (heute Krüger Bei) (Band 21, 1897)
- Am Jenseits (Band 25, 1899)
- Im Reiche des silbernen Löwen 1. Band (heute Der Löwe der Blutrache) (Band 26, 1898)
- Im Reiche des silbernen Löwen 2. Band (heute Bei den Trümmern von Babylon) (Band 27, 1898)
- Im Reiche des silbernen Löwen 3. Band (heute Im Reiche des silbernen Löwen) (Band 28, 1902)
- Im Reiche des silbernen Löwen 4. Band (heute Das versteinerte Gebet) (Band 29, 1903)
Weiterhin tritt Kara Ben Nemsi in Band 60, Allah il Allah auf. Es handelt sich hierbei um eine starke Überarbeitung eines Handlungsabschnittes aus Karl Mays Kolportage-Roman Deutsche Herzen, deutsche Helden (1885–1888). Dieser Kara Ben Nemsi ist im Original die Hauptfigur Oskar Steinbach. Die Erwähnungen in Band 61, Der Derwisch, einer weiteren starken Überarbeitung aus Deutsche Herzen, deutsche Helden stammen ebenfalls nicht aus Mays Feder.
Franz Kandolfs In Mekka, als Fortsetzung zu Mays Am Jenseits geschrieben, verwendet natürlich neben anderen von May zu Beginn eingeführten Personen auch Kara Ben Nemsi, um den von May selbst nicht vollendeten Roman zum Abschluss zu bringen.
Im Roman Die Sklavenkarawane (1893, heute Band 41) kommt Kara Ben Nemsi, im Gegensatz zum gleichnamigen Film, nicht vor.
[Bearbeiten] Karl-May-Filme mit Kara Ben Nemsi
In verschiedenen auf Karl Mays Werk basierenden Filmen, die oft nicht viel mehr als die Mayschen Personen und Motive aufgreifen, tritt der Name selbstverständlich auch auf:
- Auf den Trümmern des Paradieses (1920) mit Carl de Vogt
- Die Todeskarawane (1920) mit Carl de Vogt
- Die Teufelsanbeter (1921) mit Carl de Vogt
- Durch die Wüste (1936) mit Fred Raupach
- Die Sklavenkarawane (1958) mit Viktor Staal
- Der Löwe von Babylon (1959) mit Helmuth Schneider
- Der Schut (1964) mit Lex Barker
- Durchs wilde Kurdistan (1965) mit Lex Barker
- Im Reiche des silbernen Löwen (1965) mit Lex Barker
Im ZDF-Versuchsprogramm während der Funkausstellung 1963 wurden einige halbstündige Folgen einer 6-teiligen Serie mit dem Titel Mit Karl May im Orient ausgestrahlt. Kara Ben Nemsi wurde dabei von Harry Walter, einem Darsteller der Karl-May-Spiele Bad Segeberg gespielt, Hadschi Halef Omar von Osman Ragheb. Die Qualität der Folgen soll so bescheiden gewesen sein, dass man auf eine Wiederholung nach Eröffnung des regulären Sendebetriebs des ZDF verzichtete.
Im Fernsehen (ZDF) lief unter dem Titel Kara Ben Nemsi Effendi von 1973 bis 1975 eine 26-teilige Serie. Hauptdarsteller war Karl-Michael Vogler, den Hadschi Halef Omar spielte Heinz Schubert. Die Musik der Serie stammt von Martin Böttcher. In den Kinofilmen der 1960er-Jahre wurde Kara Ben Nemsi von dem US-amerikanischen Schauspieler Lex Barker verkörpert.