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Karl Lueger

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Karl Lueger (1844-1910)
Karl Lueger (1844-1910)

Karl Lueger [luˈeːɡər] (* 24. Oktober 1844 in Wien, † 10. März 1910 in Wien) war ein österreichischer Politiker.

Er war von 1897 bis 1910 Wiener Bürgermeister. Lueger bediente sich antisemitischer Propaganda, um Wahlen zu gewinnen und wird neben Karl Hermann Wolf und Georg von Schönerer als einer der Politiker gesehen, von denen sich der junge Hitler das politische Handwerk abgeschaut hat. Trotz seiner Kaisertreue, die in der von ihm gegründeten Christlichsozialen Partei zum Ausdruck kam, verweigerte ihm Kaiser Franz Joseph viermal in Folge die Ernennung als Bürgermeister. Erst nach der Bitte Papst Leo XIII., Lueger ins Amt zu berufen, gab der Monarch schließlich sein Einverständnis.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

Lueger wurde in Wien-Wieden geboren; sein Geburtshaus befindet sich am heute westlichen Teil des Hauptgebäudes der Technischen Universität. Lueger stammte aus ärmlichen Verhältnissen und besuchte die Theresianische Ritterakademie, dem heutigen Theresianum in Wien als Externer. Danach studierte er Rechtswissenschaft und wurde 1870 zum Dr.jur.utr. promoviert. Er war Mitglied der katholischen Studentenverbindung K.A.V. Norica Wien im ÖCV.

Ab 1874 war Lueger als Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei tätig und galt als Anwalt der „kleinen Leute“. Dem Vorbild des jüdischen Arztes und Bezirkspolitikers Ignaz Mandl folgend, der in Luegers Wohnbezirk, der Wiener Landstraße, als Abgott der „kleinen Leute“ galt, ging Lueger in die Politik.

[Bearbeiten] Politik

Von 1875 bis 1876 und 1878 bis 1910 war er Wiener Gemeinderat. 1885 und 1891 wurde er für den fünften Bezirk Wiens in den Reichsrat gewählt. Seit 1890 saß er im niederösterreichischen Landtag.

1891 gründete er die österreichische Christlichsoziale Partei (CS). Die CS verknüpfte, gestützt auf das kleine und mittlere Bürgertum, reformerische Ziele mit antisemitischen und antiliberalen Parolen.

1888 schlossen sich Deutschnationale und Christlichsoziale bei den Wiener Gemeinderatswahlen zu einer Wahlgemeinschaft zusammen, die später als „Vereinigte Christen“ bekannt wurde. Auffallend an dieser Bewegung war das starke Hervortreten des niederen Klerus. Die soziale Frage, die Existenzmöglichkeit der Kleingewerbetreibenden beschäftigte das Denken dieser jungen Kapläne. Sie glaubten, die soziale Frage durch eine Lösung der „Judenfrage“ klären zu können. Eine Verbesserung der Lebenslage der Handwerker war für sie nur durch eine antijüdische Gesetzgebung gegenüber den Wiener Juden zu bewerkstelligen.

Der Führer dieser neuen antisemitischen Partei wurde Karl Lueger, der sich erst 1887 endgültig zum Antisemitismus bekehrte. Er hatte erkannt, damit leichter politische Karriere machen zu können. Der spätere „größte deutsche Bürgermeister“ (Adolf Hitler) hatte als „Meister der Phrase“ rasch erfasst, wie leicht man die Masse mit der Judenhetze verblenden konnte. Treffend wird ihm daher auch der Ausspruch: „Wer ein Jude ist, bestimme ich!“ zugeschrieben.

„Da kommt dieser Mann und schlachtet - weil ihm sonst alle anderen Künste mißlangen - vor der aufheulenden Menge einen Juden. Auf der Rednertribüne schlachtet er ihn mit Worten, sticht ihn mit Worten tot, reißt ihn in Fetzen, schleudert ihn dem Volk als Opfer hin. Es ist seine erste monarchisch-klerikale Tat: Der allgemeinen Unzufriedenheit den Weg in die Judengassen weisen; dort mag sie sich austoben. Ein Gewitter muß diese verdorbene Luft von Wien reinigen. Er läßt das Donnerwetter über die Juden niedergehen. Und man atmet auf. Allein er nimmt auch noch die Verzagtheit von den Wienern. Man hat sie bisher gescholten. Er lobt sie. Man hat Respekt von ihnen verlangt. Er entbindet sie jeglichen Respektes. Man hat ihnen gesagt, nur die gebildeten sollen regieren. Er zeigt, wie schlecht die Gebildeten das Regieren verstehen. Er, ein Gebildeter, ein Doktor, ein Advokat, zerfetzt die Ärzte, zerreißt die Advokaten, beschimpft die Professoren, verspottet die Wissenschaft; er gibt alles preis, was die Menge einschüchtert und beengt, er schleudert es hin, trampelt lachend darauf herum, und die Schuster, die Schneider, die Kutscher, die Gemüsekrämer, die Budiker jauchzen, rasen, glauben das Zeitalter sei angebrochen, das da verheißen ward mit den Worten: selig sind die Armen am Geiste.“ (Felix Salten: Das österreichische Antlitz. 1910)

[Bearbeiten] Lueger als Antisemit

Luegers Politik war unter anderem von Karl von Vogelsang und Prinz Aloys von und zu Liechtenstein beeinflusst. Der eher propagandistische und religiös motivierte Antisemitismus Luegers unterschied sich von dem völkisch-rassistisch ausgerichteten seines Intimfeindes Georg von Schönerer, den er zu seinen Vorbildern zählte, obwohl er dessen „alldeutsche“ Politik mit ihren großdeutschen Bestrebungen ansonsten bekämpfte. Spätere antisemitische Schriften von Edouard Drumont und Adolf Hitler führten sowohl Schönerer als auch Lueger als Impulsgeber an.

„Jedenfalls lernte ich langsam den Mann und die Bewegung kennen, die damals Wiens Schicksal bestimmten: Dr. Karl Lueger und die christlich-soziale Partei. Als ich nach Wien kam, stand ich beiden feindselig gegenüber. Der Mann und die Bewegung galten in meinen Augen als ‚reaktionär‘. Das gewöhnliche Gerechtigkeitsgefühl aber mußte dieses Urteil in eben dem Maße abändern, in dem ich Gelegenheit erhielt, Mann und Werk kennenzulernen; und langsam wuchs die gerechte Beurteilung zur unverhohlenen Bewunderung. Heute sehe ich in dem Manne mehr noch als früher den gewaltigsten deutschen Bürgermeister aller Zeiten.“ (Adolf Hitler: Mein Kampf, Seite 54-65)

[Bearbeiten] Lueger als Volkstribun

1895 wurde Lueger zunächst zum Vizebürgermeister der Stadt Wien unter Bürgermeister Raimund Grübl und später, als Grübl sein Amt niederlegte, dessen Nachfolger als Bürgermeister. Lueger hatte hierzu schon am 29. Mai die nötige Mehrheit (70 Stimmen), lehnte die Wahl aber ab. Der Gemeinderat wurde aufgelöst, womit auch Luegers Ratsmandat erlosch. Nach einer agitativen Kampagne wurde Lueger dann aber wieder in den Rat und am 29. Oktober auch zum Bürgermeister Wiens (93 Stimmen) gewählt. Da diese Wahl jedoch keine kaiserliche Bestätigung fand, musste nun am 13. November erneut gewählt werden. Auch hier wurde Lueger deutlich gewählt und fand erneut keine Zustimmung des Kaisers Franz Joseph I., der die Gleichberechtigung aller Bürger vor dem Gesetz unter einem Bürgermeister Lueger nicht gewährleistet sah. Nach der erneuten Auflösung des Rates fand schließlich eine weitere Wahl am 18. April 1896 auch kein Wohlwollen des Regenten, der auf Anraten des Ministerpräsidenten Badeni, hoher Aristokraten und seiner Freundin Katharina Schratt handelte. Nach einer Audienz beim Kaiser am 27. April verzichtete Lueger dann freiwillig auf das Amt. Der am 6. Mai gewählte Josef Strobach wurde vom Kaiser bestätigt, Lueger fand als Vizebürgermeister Zustimmung. Erst am 8. April 1897 wurde Lueger dann erneut zum Bürgermeister gewählt und auch vom Kaiser bestätigt.

Wien, Dr.-Karl-Lueger-Gedächtniskirche (Karl-Borromäus-Kirche)
Wien, Dr.-Karl-Lueger-Gedächtniskirche (Karl-Borromäus-Kirche)

In Luegers Zeit als Bürgermeister fallen die Kommunalisierung der Gas- und Stromversorgung und der Verkehrsmittel, der Ausbau einer zweiten Hochquell-Wasserleitung, die Anlage einer Grüngürtellandschaft und die Einrichtung der Sozialfürsorge.

Nach seinem Tod nahmen hunderttausende Österreicher, darunter auch Hitler, an seiner Beisetzung teil. Lueger liegt im Gruftraum der Karl-Borromäus-Kirche, besser bekannt als Dr.-Karl-Lueger-Gedächtniskirche, auf dem Zentralfriedhof Wien begraben.

Nach Lueger ist ein Teil der Wiener Ringstraße benannt (Dr.-Karl-Lueger-Ring), an dem das Burgtheater und das Rathaus liegen; ein großes Denkmal steht auf dem Karl-Lueger-Platz.

[Bearbeiten] Aus einer Rede Luegers

Aus einer Rede des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger (in der am 20. Juli 1899 abgehaltenen Versammlung des christlich-sozialen Arbeitervereins in Wien):

„Hier in unserem Vaterlande Österreich liegen die Verhältnisse so, daß sich die Juden einen Einfluß erobert haben, der mit über ihre Zahl und Bedeutung hinausgeht. (Zwischenruf: Sehr wahr!) In Wien muß der arme Handwerker am Samstag nachmittag betteln gehen, um die Arbeit seiner Hände zu verwerten, betteln muß er beim jüdischen Möbelhändler. (Sehr richtig!) Der Einfluß auf die Massen ist bei uns in den Händen der Juden, der größte Teil der Presse ist in ihren Händen, der weitaus größte Teil des Kapitals und speziell des Großkapitals ist in Judenhänden und die Juden üben hier einen Terrorismus aus, wie er ärger nicht gedacht werden kann. Es handelt sich uns darum, in Österreich vor allem um die Befreiung des christlichen Volkes aus der Vorherrschaft des Judentums. (Lebhaftes Bravo! Redner mit erhobener Stimme:) Wir wollen auf dem Boden unserer Väter freie Männer sein und das christliche Volk soll dort herrschen, wo seine Väter geblutet haben. (Tosender Beifall.) Aller Zwist, auch der bei uns in Österreich herrscht, ist darum durch die Juden entfacht, alle Anfeindungen unserer Partei rühren daher, weil wir der Herrschaft der Juden endlich einmal zu Leibe gerückt sind. Darum sind Juden, Sozi und Deutschnationale jetzt so an der Arbeit, um den verhaßten Mann zu stürzen (Hoch Lueger!) und ihre Fahnen wieder auf dem Rathausturm aufzupflanzen. (Bravo!)“ (Aus: Weiningers Nacht, Europa-Verlag, Wien 1989)

[Bearbeiten] Curiosa

Der Nimbus und die Popularität Luegers auch nach seinem Tod spiegelt sich beispielhaft im so genannten „Lueger-Lied“ wider („Der Doktor Lueger hat mir einmal die Hand gereicht“), einem Chanson aus der der Operette „Essig und Öl“ von Robert Katscher (1932), das in der Interpretation von Hans Moser berühmt wurde.

Das Mammutdrama „Lueger, der grosse Österreicher“ von Hans Naderer wurde 1934 als Ausdruck des austrofaschistischen Regimes am Wiener Volkstheater aufgeführt und auf Wunsch von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg und Kardinal Innitzer in einer groß angelegten Werbekampagne propagiert.

1943 entstand in den Wiener Rosenhügelstudios der NS-Propagandafilm „Wien 1910“ (Karl Lueger, Bürgermeister von Wien) unter der Regie von E. W. Emo mit Rudolf Forster (Lueger), Heinrich George (Georg Ritter von Schönerer), Rosa Albach-Retty, Lil Dagover und O. W. Fischer

Billy Wilder, in Wien aufgewachsener Hollywood-Regisseur, wurde, nachdem ihm der „Oscar“ für sein Lebenswerk zuerkannt worden war, mit 81 Jahren auch von einer späten Ehrung aus der Heimat eingeholt. In Los Angeles übergab ihm der österreichische Generalkonsul die Ehrenmedaille der Hauptstadt in Gold. Artig erkundigte sich Wilder, der 1933 vor den Nazis flüchten musste, wer denn jetzt Bürgermeister sei in Wien. Beim Namen Helmut Zilk zeigte er sich erleichtert: „Na, Hauptsach', der Lueger ist es nicht mehr.“ („Der Spiegel“ Nr.19/1988)

[Bearbeiten] Literatur

  • Leopold Tomola: Unser Bürgermeister Dr. Karl Lueger. Festschrift. Gerlach & Wiedling, Wien 1904
  • Felix Salten: Das österreichische Antlitz. Essays. S.Fischer 1910
  • Richard Kralik: Karl Lueger und der christliche Sozialismus. Vogelsang, Wien 1923
  • Richard Soukup: Lueger und sein Wien. ÖVP, Wien 1953 Verherrlichungsschrift der österreichischen Volkspartei
  • Rudolf Kuppe: Karl Lueger und seine Zeit. Österreichische Volksschriften, Wien 1933
  • Rudolf Kuppe: Karl Lueger. Persönlichkeit und Wirken. Hollinek, Wien 1947
  • Kurt Skalnik: Dr. Karl Lueger. Der Mann zwischen den Zeiten. 1954 (deutlich von Lueger eingenommene, die antisemitischen Tendenzen herunterspielende Darstellung)
  • Heinrich Schnee: Karl Lueger. Leben und Wirken eines großen Sozial- und Kommunalpolitikers. Umrisse einer politischen Biographie. Duncker & Humblot, Berlin 1960
  • Rudolf Spitzer: Des Bürgermeisters Lueger Lumpen und Steuerträger, Wien 1988
  • Brigitte Hamann: Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators. Piper, München 1996 ISBN 3-492-03598-1
  • Johannes Hawlik: Der Bürgerkaiser. Karl Lueger und seine Zeit. Herold, Wien 1985 ISBN 3-7008-0286-2

[Bearbeiten] Weblinks


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