Karl Maria Hettlage
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Karl Maria Hettlage (* 28. November 1902 in Essen, † 3. September 1995) war Zentrums-Politiker, SS-Hauptsturmführer, Büroleiter und Berater in Etatangelegenheiten (Finanzchef) in Albert Speers Behörde Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt mit Dienststelle im heutigen Ernst-Reuter-Haus, habilitierter Jurist, Vorstandsmitglied der Commerzbank, seit Frühjahr 1959 Staatssekretär in der Bundesregierung Konrad Adenauers unter dem damaligen Finanzminister Franz-Josef Strauß.
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[Bearbeiten] vor 1945
Hettlage ging in Eschweiler, wo sein Vater Carl Hettlage von 1911 bis 1920 Bürgermeister ist, zur Schule und studierte in Köln und Münster Jura. In Münster wurde er Mitglied der katholischen Studentenverbindung V.K.D.St. Saxonia im CV. Er promovierte zum Dr. jur. In der Folge wurde er Regierungsassessor in Köln, um 1930 zum Geschäftsführer und Finanzdezernenten des Deutschen Städtetages zu werden. Nach 1933 arbeitete er für das NS-Regime in verschiedenen Positionen, um schließlich ab 1941 beim Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt (GBI) und im Rüstungsministerium zu arbeiten.
Unter Hettlages Verantwortung entstand jene Kartei von Mietwohnungen in Berlin, die von Juden bewohnt waren. Diese Kartei wurde vom GBI benutzt, um durch Kündigung "freie" Mietwohnungen für Abrissmieter zu bekommen, deren Häuser und Wohnungen den Umplänen Berlins zur neuen Hauptstadt Germania weichen sollten. Eine typische Karteikartennummer war z.B. III KA 437 4948. Es handelte sich um die III. (dritte) Aktion, KA steht für Kündigungsanordnung, 437 war die Referenznummer in die Akten des Generalbauinspektors für die Wohnung der Familie Bendix in der Schwäbischen Straße in Berlin-Schöneberg und 4948 war die Personennummer eines Familienmitglieds der Familie Bendix.
Die Kartei war später Grundlage für die Erstellung der Deportationslisten durch die Gestapo. Bei den späteren so genannten Aktionen war nicht mehr die Wohnungskündigung der Vorbote der Verschleppung - mit der Möglichkeit unterzutauchen für jene, die dazu in der Lage waren -, sondern die Verhaftung, z.B. in der Fabrikaktion.
Hettlage war für Speer auch im Beirat der Mittelwerke tätig neben Personen wie Hans Kammler, Walter Dornberger (Peenemünde), Gerhard Degenkolb (Maschinenfabrik Duisburg). In der Geschäftsführung arbeiteten Kurt Kettler (Borsig), Otto Foerschner, SS-Sturmbannführer Buchenwald, Wehrwirtschaftsführer Otto Bersch (so genannter Wehrwirtschaftsführer aus Wien), Georg Rickhey (DEMAG).
Von Hettlage stammt das Verdikt über Speer: Sie sind Hitlers unglückliche Liebe.
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[Bearbeiten] Karriere
- 1925 Referendariat und zeitweise Beschäftigung im Auswärtigen Amt, Eintritt in den preußischen Staatsdienst
- 1929 Heirat mit Margarete Brenken, Kinder: Peter, Jan Bernt, Birgitta und Karin
- 1930 Eintritt als Regierungsassessor in den Dienst der Kölner Stadtverwaltung
- 1930 Habilitierung an der Kölner Universität mit dem Thema Finanz- und Lastenausgleich als Verfassungsproblem, dann Privatdozent
- 1930 geschäftsführend im Deutschen Gemeindetag
- 1931 Beigeordneter des Deutschen Gemeindetages in der Finanzabteilung, Finanzdezernent
- 1932-1933 und erneut 1933 für das Zentrum Mitglied im Preußischen Landtag
- 26. Juni 1933 Gründungsmitglied der Akademie für Deutsches Recht. Zielsetzung der Akademie ist die Umsetzung nationalsozialistischen Programms auf dem Gebiet des Rechts. Präsidenten: Dr. Hans Frank, Dr. Otto Georg Thierack. Weitere Mitglieder: Prof. Dr. Friedrich Berber, Dr. Ernst Féaux de la Croix Ressortleiter im Finanzministerium der BRD und Urheber der Verhaftung des Hans Deutsch, Prof. Dr. Reinhard Höhn (Bad Harzburger Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft), Prof. Dr. Maximilian Mikorey, Prof. Dr. Hans Carl Nipperdey (späterer Bundesarbeitsgerichtspräsident), Kurt Freiherr von Schröder (Bankier).
- 1934 Stadtkämmerer von Berlin bis 1938 (schon vorher kommissarischer Amtsinhaber)
- 1936 Ernennung zum nichtbeamteten, außerordentlicher Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, Mentor Johannes Popitz
- ab 1938 Vorstandsmitglied der Commerz- und Privatbank bis 1951
- 17. Mai 1941 Eröffnung der (noch nicht ganz fertigen) italienischen Botschaft. Für den GBI vertritt Hettlage Speer, der auf dem Obersalzberg weilt.
- Leiter des Amtes für Wirtschaft und Finanzen des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion. In dieser Funktion Anordnung zur Gründung der Mittelwerk GmbH am 24. September 1943 (Sitz in Berlin, Gründungskapital von einer Million Reichsmark, Handelsregister 93 HRB9645)
- 1943 Mitglied im Beirat der Mittelwerk GmbH
- bis 1945 Speers Vertreter
[Bearbeiten] nach 1945
- ab 1949 verschiedene Dozenturen für Rechts- und Finanzwissenschaften; verschiedene Aufsichtsrats-Mitgliedschaften
- 29. November 1951 Antrittsvorlesung des neuernannten ordentlichen Professors für Öffentliches Recht in Mainz. Thema der Vorlesung Wirtschaftswirklichkeit und Verfassungsgesetz
- Mitgliedschaft im Deutschen Institut für Urbanistik
- 1956 Dekan der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
- 1958 Leiter der Haushaltsabteilung des Bundesministeriums der Finanzen als Nachfolger des Ministerialdirektors Vialon (Verfechter der so genannten Schäffer'schen Juliusturm-Politik)
- 18. März 1959 - 1962 beamteter Staatssekretär im Finanzministerium als Nachfolger Hartmanns. Vertretung des häufig erkrankten Ministers Etzel. Differenzen mit dem neuen FDP-Finanzminister Starke.
- 1962-1967 Mitglied der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) in Luxemburg in der Nachfolge von Potthoff. Hettlage schied bei der Zusammenlegung der Führungsgremien der EWG, der Euratom und EGKS zur neuen Superkommission aus.
- 1965 - 1967 Präsident des ifo Institut für Wirtschaftsforschung e. V.
- 1966 Mitglied im Wissenschaftsrat,
- Weitere Mitgliedschaften:
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- Wissenschaftlicher Beirat des Bundesministeriums der Finanzen.
- Vorsitzender des Verwaltungsrates der Treuhandverwaltung für das Deutsch-Niederländische Finanzabkommen,
- Vorstand der Wirtschaftsberatungs-AG,
- Beirat der Fritz-Thyssen-Stiftung,
- stellv. Vorstandsvorsitzender der Treuhand-Vereinigung AG,
- Studienstiftung des Deutschen Volkes
-
- 1967 - 1969 beamteter Staatssekretär im Finanzministerium, berufen durch den damaligen Finanzminister Franz-Josef Strauß. Dort beteiligte sich Hettlage an der Finanzreform der CDU-SPD-Koalition.
- 1967 Auszeichnung mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband
[Bearbeiten] Zitate
- Sie sind Hitlers unglückliche Liebe. zu Albert Speer
- Ich selbst frage mich oft rückschauend, wie ich eigentlich als intelligenter und um Charakter bemühter Mensch jene Jahre durchgestanden habe. nach 1945 zu Albert Speer
- Bei der Stadt Berlin haben sich die Ausgaben nach den Einnahmen zu richten, bei uns ist es umgekehrt. (zitiert nach Erinnerungen von Albert Speer, S. 155, dort zitiert nach der Chronik, vom 29. April (unüberprüft))
- Die ärgsten, wenn auch oft arglosesten Feinde der Währung sitzen auf den Bänken des Parlaments. (nach 1945)
- Traumfabrik des Staatsrechts
- Traditionskompanie Preußens im liberal-demokratischen Verfassungsstaat rheinisch-bayerischer Prägung - über den Abschnitt Finanzwesen im Grundgesetz
[Bearbeiten] Veröffentlichungen
- Karl Maria Hettlage, Wilhelm Loschelder und Werner Zschintzsch: Die Gemeindefinanzverordnung vom 2. November 1932 nebst der Stellenplanverordnung vom 2. November 1932, der ersten und zweiten Verordnung über die Durchführung der Gemeindefinanzverordnung vom 17. Dezember 1932 und vom 28. Januar 1933. Kommentar, R.Müller, Eberswalde-Berlin, 1933, 452 Seiten
- Karl Maria Hettlage, Wilhelm Loschelder, Wolfgang Spielhagen: Das preussische Gemeindefinanzgesetz vom 15. Dezember 1933 mit den Durchführungsverordnungen und Ausführungsanweisungen; Kommentar von Karl Maria Hettlage, Wilhelm Loschelder [und] Wolfgang Spielhagen, R.-Müller, Eberswalde-Berlin, 1934, 429 Seiten
- Karl Maria Hettlage, Wilhelm Loschelder: Kommentar zu den Rechtsgrundlagen des Gemeindewirtschaftsrechts, drei Bände
- Karl Maria Hettlage: Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, Referat auf der Staatsrechtslehrertagung 1955 in Hamburg zusammen mit Theodor Maunz als Zweitreferenten
- Rudolf Zorn, Hans Constantin Paulssen, Karl Maria Hettlage: Der öffentliche Dienst und die Wirtschaft. Wunsch und Wirklichkeit., bei Lutzeyer, Baden-Baden, 1960
- Karl Maria Hettlage: Führungsauslese und Massengesellschaft, in Die Hochschule zwischen gestern und morgen. Analysen und Perspektiven., herausgegeben von Heinrich Drimmel bei Herder, Wien, 1966
- Karl Maria Hettlage, Wolfgang Mansfeld, Klaus Heller, Wilhelm Weisser: Zwang durch leere Kassen, in Deutsches Industrieinstitut: Vortragsreihe, bei Deutsche Industrieverlags-Gesellschaft Jg. 16, 1966., Nr. 14
- Karl Maria Hettlage: Grundfragen einer Neuordnung des deutschen Finanzrechts, in Finanzwissenschaft und Finanzpolitik, bei Mohr, Tübingen, 1964
- Mitarbeit an einer fünfbändigen Geschichte der deutschen Verwaltung
[Bearbeiten] Literatur
- CARBONELL Mauve, "Karl-Maria Hettlage, un expert au service de l'Europe et des Allemagnes", in "Revue d'histoire de l'intégration européenne", 12(2006), no 1, p. 67-85
- Vernehmung Hettlages in World War II Papers, SZ/BBSU/79 Speer interrogation reports Nos. 16-19, 1945, Solly Zuckerman-Archive
- Prof. Dr. Klaus Vogel aus München: Karl Maria Hettlage zum 90. Geburtstag, in: AöR 117 (1992) S. 644 - 645. In diesem Glückwunsch wird Hettlage als Verkörperung von Sekundärtugenden gewürdigt, welche in ihrer fundamentalen Bedeutung für das Gemeinwesen aber jetzt [1992] zum Glück wiedereingesehen würden. Wörtlich: „(hoffentlich ist es dafür nicht schon zu spät): Zuverlässigkeit, Pflichtbewußtsein, Bereitschaft zum Einsatz für das Gemeinwohl. Mit dieser Haltung kann er auch heute noch Vorbild sein.“
- Nachruf: Zum Gedenken an Karl Maria Hettlage, in: AöR 120 (1995) S. 631 - 632
[Bearbeiten] Weblinks
- Chronologie der so genannten Judenentmietung und Buchauszug von Susanne Willems
Personendaten | |
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NAME | Hettlage, Karl Maria |
ALTERNATIVNAMEN | Hettlage, Karl M. |
KURZBESCHREIBUNG | Deutscher Wirtschaftswissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 28. November 1902 |
GEBURTSORT | Essen |
STERBEDATUM | 1995 |