Kurt Schwitters
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Kurt Schwitters (* 20. Juni 1887 in Hannover; † 8. Januar 1948 in Ambleside) war ein deutscher Maler, Dichter, Werbegrafiker und Universalkünstler der Merzkunst.
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[Bearbeiten] Leben

Nach konventionellen und expressionistischen Anfängen wurde Schwitters 1919 durch seine "Merz-Bilder" berühmt. Mit "Merz" bezeichnete er seine Technik, aus Zeitungsausschnitten, Reklame und Abfall Collagen zu erstellen. Als Gegenprojekt zu dem eher destruktiven Dadaismus sollten diese ab 1919 entstandenen Bilder und Skulpturen für einen Wiederaufbau stehen, was Schwitters in die Nähe des Konstruktivismus rückt. Der Begriff Merz entstand angeblich bei einer Collage aus "Commerzbank" und hat Assoziationen zu "Kommerz", "ausmerzen", "Scherz", "Nerz", "Herz" und dem Monat "März", der für den Frühlingsanfang steht. Der Merzbau (eine grottenartige Collage-Skulptur mit Erinnerungsstücken), an dem Schwitters über beinahe zwanzig Jahre in seinem Haus in Hannover arbeitete (hauptsächlich in der Wohnung der Eltern), wurde ebenso wie viele seiner Arbeiten bei einem Bombenangriff zerstört. Eine Rekonstruktion ist im Sprengel-Museum in Hannover zu besichtigen.
Wegen seiner dezidiert unpolitischen Haltung und seinem eher spielerischen Kunstbegriff waren die Beziehungen zum Berliner Club Dada gespannt. Schwitters arbeitete jedoch zeitweise eng mit Hans Arp, Hannah Höch und Raoul Hausmann zusammen und unterhielt Kontakte zu Konstruktivisten wie dem Holländer Theo van Doesburg und dem Russen El Lissitzky. Er gab unregelmäßig eine Zeitschrift "Merz" heraus und arbeitete als Werbe- und Gebrauchsgrafiker unter anderem für Stadt Hannover und den Schreibwarenhersteller Pelikan. Seine bekannteste Arbeit war die typographische Gestaltung für die Dammerstocksiedlung in Karlsruhe. Um 1928 wurde er Mitglied im Deutschen Werkbund. Den größten Teil seines Lebensunterhaltes sicherten ihm (nach dem Tod des Vaters 1931) Mieteinkünfte aus vier Häusern in Hannover. 1932 trat Schwitters der SPD bei.
Als Lyriker und Schriftsteller hinterließ Kurt Schwitters ebenfalls ein umfangreiches Werk. In seiner Jugend von Expressionisten wie August Stramm beeinflusst, markiert auch für den Dichter Schwitters das Jahr 1919 den Durchbruch zu einem eigenständigen Stil mit dem Gedicht "An Anna Blume". Bekannt wurde auch das groß angelegte Lautgedicht "Sonate in Urlauten" (oder "Ursonate"), das die Sonatenform nachbildet. Von diesem Text ist auch eine Tonaufzeichnung von Schwitters erhalten, dessen Vortragsqualitäten oft gerühmt wurden. Mit phonetischen oder typografischen Gedichten versuchte Schwitters, verschiedene Kunstgattungen zu verschmelzen. Seine erzählenden und dramatischen Texte sind experimentierfreudig und oft humoristisch.
Von den Nationalsozialisten als "entartet" verfemt, emigrierte er Januar 1937 nach Norwegen, wo er schon in den Jahren zuvor die Sommermonate verbracht hatte. In Norwegen entstanden 2 weitere Merzbauten, in Lysaker (zerstört 1951) und auf der Insel Hjertøya (bei Molde). Nach dem deutschen Überfall auf Norwegen floh er 1940 nach England. Er wurde interniert in Douglas, Isle of Man, und wohnte zuerst in London. Dort machte er Bekanntschaft mit Jack Bilbo, der Werke Schwitters in seiner The Modern Art Gallery ausstellte. Ab 1945 lebte er in Ambleside, im nordenglischen Lake District. In Elterwater konstruierte er einen letzten Merzbau (Merz barn), eine Arbeit, die er allerdings nicht zu Ende brachte. Mit seinem Gesundheitszustand stand es schon seit 1944 nicht zum Besten, als er einen Schlaganfall nach einer schweren Grippe erlitt. 1946 hatte er einen körperlichen Zusammenbruch und zog sich auch noch einen Oberschenkelhalsbruch zu. Er verstarb am 8. Januar 1948 in Kendal in der Grafschaft Westmorland. Todesursache war ein Lungenödem und eine Herzmuskelentzündung. Er wurde auf dem Friedhof St. Mary’s im nahegelegenen Ambleside beerdigt. Weder in Norwegen noch in England gelang es ihm, heimisch zu werden. Nach einer Überführung 1970 befindet sich seine Grabstätte (auch die seines Sohnes Ernst) auf dem Stadtfriedhof Engesohde (Abteilung 6) seiner Heimatstadt Hannover. Auf diesem Friedhof spielt übrigens auch sein 1946 im Exil entstandenes satirisches Stück "Das Familiengrab". Der Grabstein trägt das Motto "Man kann ja nie wissen". Einige seiner Werke wurden zum Beispiel postum auf der documenta 1 (1955), der documenta II (1959) und der documenta III im Jahr 1964 in Kassel gezeigt. Zum Andenken an Kurt Schwitters sind zwei staatliche Oberschulen nach ihm benannt worden. Zum einen in Hannover und zum anderen in Berlin-Pankow. In Wittmund wurde eine Straße nach ihm benannt. Seine Heimatstadt Hannover ehrte ihn mit der Benennung des Platzes vor dem Sprengel-Museum mit seinen Namen.
[Bearbeiten] Werke
[Bearbeiten] Kunst
- 1919, "Merzbild 9b, Das große Ichbild", Museum Ludwig, Köln
- 1919, "Konstruktion für edle Frauen", Los Angeles County Museum of Art
- 1919, "Das Undbild", Staatsgalerie Stuttgart
- 1921, "Merzbild 32a, Das Kirschbild", Museum of Modern Art, New York
- 1930, "Maraak, Variation I", Guggenheim Collection, Venedig
- 1930, "Merzbild P", Sprengel-Museum, Hannover
- 1942, "Aerated IX", (Assemblage; 88x104 cm; Stiftung Insel Hombroich)
- über 130 Werke der Schwitters-Sammlung des Sprengel-Museum Hannover in ihrer Zeit. Projektleitung: Norbert Nobis. Hannover: Schlüter 1996. 1 CD-ROM. + Begleitheft. (M-Art-Edition. 1)
Zahlreiche Schwitters-Bilder sind auch im Museum Insel Hombroich bei Neuss zu sehen.
[Bearbeiten] Literatur
- Das literarische Werk. Hrsg. von Friedhelm Lach. 5 Bände. Köln: DuMont, 1974-1981.
- 1. Lyrik. 1974.
- 2. Prosa 1918-1930.
- 3. Prosa 1931-1948.
- 4. Schauspiele und Szenen.
- 5. Manifeste und kritische Prosa.
- Der Nachlass von Kurt und Ernst Schwitters. Kurt-und-Ernst-Schwitters-Stiftung. Bearb. von Isabel Schulz. Hannover: Kurt-und-Ernst-Schwitters-Stiftung 2002.
- KUWITTER. Grotesken, Szenen, Banalitäten, Hamburg: Nautilus 2004, ISBN 3-89401-132-7
[Bearbeiten] Sekundärliteratur
- Bernd Scheffer: Anfänge experimenteller Literatur: das literarische Werk von Kurt Schwitters. Bonn: Bouvier 1978. ISBN 3-416-01396-4
- John Elderfield: Kurt Schwitters. Düsseldorf: Claassen 1987. ISBN 3-546-42483-2
- Gerhard Schaub (Hrsg.): Kurt Schwitters: "Bürger und Idiot". Beiträge zu Werk und Wirkung eines Gesamtkünstlers. Mit unveröffentlichten Briefen an Walter Gropius. Berlin: Fannei und Walz 1993. ISBN 3-927574-19-8
- Gwendolen Webster: Kurt Merz Schwitters. A biographical study. Cardiff: University of Wales Press 1997. ISBN 0-7083-1438-4
- Klaus Stadtmüller: Schwitters in Norwegen. Arbeiten, Dokumente, Ansichten. Hannover: Postskriptum 1997. ISBN 3-922382-73-8
- Karin Orchard, Isabel Schulz: Kurt Schwitters. Werke und Dokumente. Verzeichnis der Bestände im Sprengel-Museum Hannover. Katalog. Hannover: Sprengel-Museum 1998. ISBN 3-89169-132-7
- Walter Fähnders/Helga Karrenbrock: "Ich sage nämlich das Gegenteil, aber nicht immer". Die Avantgarde-Manifeste von Kurt Schwitters. In: Manifeste: Intentionalität. Hrsg. von Hubert van den Berg und Ralf Grüttemeier. Amsterdam u. Atlanta: Rodopi 1998, S. 57-90. ISBN 90-420-0318-9
- Ernst Nündel: Kurt Schwitters mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Aufl. Reinbek: Rowohlt 1999. (Rowohlts Monographien. 296) ISBN 3-499-50296-8
- Dietmar Elger: Der Merzbau von Kurt Schwitters. Eine Werkmonographie. 2. Aufl. Köln : König 1999. (Kunstwissenschaftliche Bibliothek. Bd. 12) ISBN 3-88375-362-9
- Karin Orchard/Isabel Schulz: Kurt Schwitters Catalogue raisonné. Hrsg. von Sprengel Museum Hannover im Auftrag der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, der Norddeutschen Landesbank, der Stadtsparkasse Hannover und der Kurt und Ernst Schwitters Stiftung, Ostfildern-Ruit, Bd.1, 2000: ISBN 3-7757-0926-6 / Bd.2, 2003: ISBN 3-7757-0988-6 / Bd.3, 2006: ISBN 3-7757-0989-4
- Manfred Engel: Collage als Karnevalisierung. Schwitters Merzkunst. In: Bachtin im Dialog. Festschrift für Jürgen Lehmann. Hrsg. von Markus May und Tanja Rudtke. Heidelberg: de Gruyter 2006, S. 271–296. ISBN 978-3825352790
[Bearbeiten] Philatelie
- 1987: Briefmarke im Wert von 80 Pfennig, herausgegeben von der Deutschen Bundespost zum 100-jährigen Geburtstag von Kurt Schwitters.
[Bearbeiten] Audiovisuelles
[Bearbeiten] Tonträger
- Ursonate. Orig. performance by Kurt Schwitters. Mainz: WERGO Schallplatten 1994. 1 CD, mono, AAD + Beiheft. (Music of our century)
- Kurt Schwitters: Von der Gurgel bis zur Zehe. Vorgetragen von Bernd Rauschenbach. Zürich : Kein & Aber 2003. 1 Doppel-CD. + 1 Begleith. ISBN 3-03-691142-1
- Kurt Schwitters: Ursonate. Gesprochen von Jaap Blonk. Aalsmaar (NL): Bastamusic 2004. 2 CDs. 61 Minuten.
- weitere Aufnahmen der Ursonate siehe: Ursonate
[Bearbeiten] Video
- Ernst Schwitters erzählt: Kurt Schwitters - Rückwärts von naH, DuMont Buchverlag, Köln, 1988
[Bearbeiten] Weblinks
Wikisource: Kurt Schwitters – Quellentexte |
- http://www.kurt-schwitters.org/ - Umfassende Seite zu Kurt Schwitters mit den kompletten Texten der Ursonate, "An Anna Blume" u.v.m.
- www.ub.fu-berlin.de/ - Linksammlung der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin
- Umfangreiche literaturwissenschaftliche Arbeit über die Dichtungen von Kurt Schwitters
- Cut & Paste: A History of Photomontage
- Armitt Library, Ambleside
- Merzbau 3D
- Schwitters' Merzbarn
- Schwitters in the Lake District
- Schwitters Publikation Merz
- Kurt Schwitters - His life, His work
- Littoral Arts Projects
- http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/7934/1.html - Können Stare das Urheberrecht verletzen? Der Konzeptkünstler Wolfgang Müller behauptet, die Stare auf der norwegischen Insel Hjertoya haben die Ursonate von Schwitters kopiert und bekommt umgehend Ärger mit den Rechtsinhabern.
- UbuWeb Sound Poetry: Kurt Schwitters
- http://www.kurt-schwitters-os.de/ - Link zu einer nach Kurt Schwitters benannten Berliner Oberschule mit interessanten Informationen
- http://www.kurt-schwitters-gym.de/ - Kurt-Schwitters-Gymnasium in Hannover-Misburg
Personendaten | |
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NAME | Schwitters, Kurt |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Maler, Werbegrafiker und Universalkünstler des Dadaismus |
GEBURTSDATUM | 20. Juni 1887 |
GEBURTSORT | Hannover |
STERBEDATUM | 8. Januar 1948 |
STERBEORT | Kendal |