Neuschwabenland
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Neuschwabenland ist ein ca. 600.000 km² großes Territorium auf dem Kontinent Antarktika. Neuschwabenland wurde im antarktischen Sommerhalbjahr 1938/1939 durch Bodenexpeditionen zu Fuß abgesteckt, aber auch durch Erkundungs- und Markierungsflüge der vom Mutterschiff Schwabenland mitgeführten beiden Flugboote vom Typ Dornier-Wal namens Boreas und Passat für das Deutsche Reich in Besitz genommen. Diese Expedition erfolgte unter Befehl von Kapitän Alfred Ritscher. Das Gebiet liegt heute im als Königin-Maud-Land bezeichneten Norwegischen Antarktisterritorium, dessen rechtlicher Status aufgrund des Antarktisvertrages ungeklärt ist.
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Inbesitznahme durch das Deutsche Reich
Dabei wurde das Gelände mit den beiden vom Dampfkatapult der Schwabenland aus gestarteten Flugbooten Dornier Do J II auf etwa 600.000 km² überflogen. Mit Reihenbildkameras wurden etwa 11.000 detaillierte Luftaufnahmen gemacht und zur hoheitsrechtlichen Inbesitznahme mehrere 100 Hakenkreuz-Fall-Flaggen abgeworfen bzw. von Bodentrupps in den Felsboden eingesetzt. Außerdem erbaute die Expedition eine provisorische Basisstation und berichtete, dass im Bereich der Schirmacher Seen aufgrund deren Süßwassers eine geringe Vegetation besteht, die wegen geothermischer Boden-Hitze im Habitat Bestand hat. Mitte Februar 1939 verließ dann die Schwabenland wieder das antarktische Eis. Auf der zweimonatigen Heimreise wurde das redundante kartographische Material gesichtet und vorausgewertet. Von Kapitän Ritscher ist bekannt, dass er eine weitere Expedition mit verbesserten leichteren Flugzeugen auf Kufen vorbereitete, die aufgrund des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs jedoch nie durchgeführt wurde.
Zusätzliche Berichte zur Logistik
Unabhängig davon sind jedoch unbestätigte Gerüchte im Umlauf, denen zufolge zwei Expeditionsteilnehmer, Ingenieur-Assistent Heinz Siewert und Schiffszimmermann Richard Wehrend, auch nach dieser Expedition weiter auf der Schwabenland Dienst taten und diese im vierteljährlichen Rhythmus zwischen „Neuschwabenland” und Heimathafen ständig pendelte, um Ausrüstungsgegenstände und ganze Bergbaueinrichtungen in die Antarktis zu befördern. Dazu sollen Gleisanlagen und Loren, aber auch eine große Fräse gehört haben, mit der es möglich gewesen wäre, Tunnelsysteme ins Eis zu bohren, ähnlich wie die USA später im „Kalten Krieg” Bunker bauten. Von daher erklärt sich die immer noch virulente Geschichte vom Absetzen reichsdeutscher Kräfte in die Antarktis, angeblich sogar mit mehreren Reichsflugscheiben. Der Darstellung bei Heinz Schön zufolge ist jedoch die Verwendung der Schwabenland im Anschluss an die Expedition „lückenlos geklärt” [1] und die obige Behauptung nicht durch die verfügbaren Quellen gedeckt.
Aufgabe der Besitzansprüche durch die BRD
Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland übt seit 1952 das mit der Entdeckung verbundene Recht zur geographischen Namensgebung aus, erhebt jedoch keine Gebietsansprüche. Auch weitere deutsche Benennungen nach Expeditionsteilnehmern, vor allem der Gebirgsketten, finden sich im Norden der Antarktis auf den alten Karten. Durch den Antarktisvertrag von 1957 wird die Küste nach den norwegischen Prinzessinnen Martha, Astrid und Ragnhild bezeichnet, häufig taucht jedoch auch (teilweise zusätzlich) der deutsche Name in Karten auf.
Spätere Entwicklung
1946/1947 wurde von Admiral Byrd die „Operation Highjump“ durchgeführt, welche zum Großteil am entgegengesetzten Ende des Kontinents Antarktika stattfand. Die Expedition sollte insgesamt acht Monate dauern. Man wollte dadurch die Tauglichkeit amerikanischen Militärmaterials in der enormen Kälte, der es bei einem möglichen Krieges gegen die Sowjetunion ausgesetzt gewesen wäre, erforschen. Diese Expedition wird dennoch von Verschwörungstheoretikern oft im Zusammenhang mit Neuschwabenland gesehen, da Byrd knapp 4.000 Soldaten und mehrere Kriegsschiffe samt einem kompletten Versorgungssystem zur Verfügung hatte und die Unternehmung angeblich wegen „Verlusten“ abgebrochen werden musste, was oft als Beweis für Kampfhandlungen mit deutschen Truppen angesehen wird. Admiral E. Byrd wurde 1938 von der deutschen Polarschiffahrtsgesellschaft nach Hamburg zur „Urania“ eingeladen. Er stellte dort den Film „Mit Byrd zum Südpol“ vor. Unter den 82 geladenen Gästen befanden sich auch 54 Mitglieder der Schiffsbesatzung der Schwabenland, jenes Schiffes welches 1938 zur Expedition nach Antarktika aufbrach.
Während der norwegischen Antarktisexpedition 1956 bis 1960 wurde das Gebiet topographisch neu aufgenommen und erhielt nun norwegische Bezeichnungen. Im Ergebnis entstand die Kartenserie „Dronning Maud Land 1:250.000“.
1961 dann errichtete die Sowjetunion auf dem Schelfeis in der Nähe der Schirrmacheroase ihre Forschungsstation „Lasarev“. Später setzte man diese Station in die Oase selbst um und sie firmierte nun unter dem Namen „Novolasarevskaja“. Eine weitere photogrammetrische Aufnahmereihe wurde geschossen und es wurde eine Kartenserie im Maßstab 1:100.000 aufgelegt.
In unmittelbarer Nähe dieser sowjetischen Station erbaute die DDR 1976 die Georg-Forster-Station, die Ausgangsbasis für umfangreiche geodätische, geophysikalische, glaziologische, meteorologische und Forschungen in der Schirrmacheroase selbst sowie in den südlich gelegenen Gebirgsketten des Wohltatmassivs diente. Sie wurde 1996 aus Kostengründen vollständig abgebaut.
Seit 1981 betreibt Indien im Gebiet der Schirrmacheroase eine eigene Antarktisforschung. 1983 baute Neu-Delhi seine Schelfeis-Station „Dakshin Gangotri“ auf, die später, aufgrund großer Akkumulationsraten, aufgegeben werden musste und seit 1989 von der neuen Station „Maitri“ abgelöst wurde, die nun in der Schirrmacheroase drei Kilometer von „Novalaserevskaja“ entfernt steht.
Die bedeutendste Station auf Antarktika, neben weiteren kleineren anderer Länder, ist mit Abstand die Amundsen-Scott-Südpolstation der USA direkt neben dem geographischen Südpol, die mit großen Frachtflugzeugen von Südamerika aus versorgt wird - diese Flugzeuge sind auch für den halbjährlichen Personalwechsel der dortigen rein zivilen Besatzung verantwortlich.
Quellen
- ↑ Schön, H. (2004): Mythos Neuschwabenland. Für Hitler am Südpol. Die deutsche Antarktisexpedition 1938/39., S. 148
Literatur
- Brunk, K. (1986): Kartographische Arbeiten und deutsche Namengebung in Neuschwabenland, Antarktis. - Bisherige Arbeiten, Rekonstruktion der Flugwege der Deutschen Antarktischen Expedition 1938/39 und Neubearbeitung des deutschen Namensgutes in Neuschwabenland. Deutsche Geod. Komm., Reihe E, Nr. 24; Frankfurt am Main.
- Ritscher, A. et al (1939): Vorbericht über die Deutsche Antarktische Expedition 1938/39. - Ann. Hydrogr. u. Marit. Meteorol. 67, August-Beiheft. Darin: Übersichtstafel von dem Arbeitsgebiet der Deutschen Antarktischen Expedition 1938-39: Neuschwabenland: 1:1.500.000 - 1. Ausgabe Mai/Juni 1939.
- Ritscher, A. (Hrsg.) (1942): Deutsche Antarktische Expedition 1938/39 mit dem Flugzeugstützpunkt der Lufthansa A.G. M.S. „Schwabenland”. Wissenschaftliche und fliegerische Erlebnisse. - 1. Bd. Textteil, Bilder- und Kartenteil, Koehler & Amelang; Leipzig. Darin Geßner, W.: Die deutschen luftphotogrammetrischen Arbeiten in Neu-Schwabenland. Teil II, A, 115-125. Vorläufige Übersichtskarte des Arbeitsgebietes der Deutschen Antarktischen Expedition 1938/39. Neu-Schwabenland 1:1.500.000. - Auswertung der Luftaufnahmen und kartographische Bearbeitung: Hansa Luftbild GmbH Berlin (Leitung H. Richter). 1939. - 2. Ausg. 1942(nur teilweise Änderung der Höhenwerte gegenüber 1. Ausgabe von 1939).
- Schön, H. (2004): Mythos Neuschwabenland. Für Hitler am Südpol. Die deutsche Antarktisexpedition 1938/39. Selent: Bonus-Verlag, ISBN 3-935962-05-3
Koordinaten: 72° 00' S, 5° 00' O