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Pergamonaltar - Wikipedia

Pergamonaltar

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Teilrekonstruktion des Pergamonaltars im Pergamonmuseum
Teilrekonstruktion des Pergamonaltars im Pergamonmuseum
Detail des Reliefs
Detail des Reliefs

Der Pergamonaltar ist ein Monumentalaltar, der in der Mitte des 2. vorchristlichen Jahrhunderts von Eumenes II., einem der Herrscher des Pergamenischen Reiches, auf dem Burgberg von Pergamon errichtet wurde. Der Außenfries bildet den Kampf der Giganten gegen die griechischen Götter ab. Das Hochrelief stellt also das für die griechische Mythologie zentrale Motiv der Gigantomachie dar. Der Fries im Inneren des Pergamon-Altars stellt den Telephos-Mythos dar.

1878 begann Carl Humann im Auftrag der Berliner Museen auf dem Burgberg von Pergamon mit den Ausgrabungen, die bis 1886 dauerten. Die Funde wurden anschließend von Pergamon nach Berlin überführt. Um den Altar und andere Fundstücke besser präsentieren zu können, wurde eigens ein Museum errichtet. In dem 1930 vollendeten Bau, dem heutigen Pergamonmuseum, ist der Pergamonaltar bis heute als das zentrale Stück der Antikensammlung auf der Museumsinsel zu finden.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Der Altar in der Antike

Überlebensgroßes Bildnis, wohl Attalos I., aus der frühen Regierungszeit Eumenes II.
Überlebensgroßes Bildnis, wohl Attalos I., aus der frühen Regierungszeit Eumenes II.

[Bearbeiten] Historischer Hintergrund

Das von Philetairos zu Beginn des 3. Jahrhunderts v. Chr. gegründete Pergamenische Reich war zunächst ein Teilgebiet des seleukidischen Reiches. Erst Attalos I., Nachfolger und Neffe des Eumenes, ging den Schritt der völligen Selbstständigkeit und proklamierte sich nach dem Sieg über die Kelten 278 v. Chr. zum König. Der Sieg über die keltischen Galater, die das pergamenische Reich bedrohten, festigte ihn in seiner Macht, die er nun zu konsolidieren versuchte. Durch Eroberungen in Kleinasien auf Kosten der geschwächten Seleukiden konnte er sein Reich kurzzeitig vergrößern. Auch ein Gegenschlag der Seleukiden unter Antiochos III., der bis vor die Tore Pergamons führte, konnte die pergamenische Selbstständigkeit nicht beenden. Da die Seleukiden im Osten wieder erstarkten, wandte sich Attalos nach Westen, nach Griechenland, und konnte fast ganz Euböa einnehmen. Sein Sohn Eumenes II. drängte den Einfluss der Galater weiter zurück. Er regierte zusammen mit seinem Bruder und Mitregenten Attalos II., der ihm auch auf dem Thron nachfolgen sollte. 188 v. Chr. konnte Eumenes II. durch ein Bündnis mit Rom den Frieden von Apameia schließen und somit den Einfluss der Seleukiden in Kleinasien verringern.

[Bearbeiten] Die Stiftung und Anlage des Altars

Wie die meisten jungen Dynastien suchten sich die Attaliden zu legitimieren. Stiftertum und Bautätigkeit waren dazu seit alters her ein probates Mittel. Ihre Bauten und Monumente stellten somit nicht nur Kunstwerke dar, sondern hatten auch politische Dimensionen.

Modell des Altars im Pergamonmuseum
Modell des Altars im Pergamonmuseum

Ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis des Pergamonaltars ist der Grund der Errichtung. Lange ging man davon aus, dass der Altar 184 v. Chr. nach einem Sieg Eumenes’ II. über die keltischen Tolistoagier unter ihrem Führer Ortiagon gestiftet wurde.[1] Doch nimmt die neuere Forschung das Jahr 166 v. Chr. als Stiftungsdatum an. Über eine lange Zeit unterhielten die Römer und die Attaliden ein sehr gutes Verhältnis. Beide hatten mit den Makedonen einen gemeinsamen Gegner. Doch dieses Verhältnis kühlte sich im Laufe der 180er Jahre v. Chr. ab, da Eumenes II. zu einem mächtigen König geworden war und die Römer ihre Welt in Freunde – was letztlich Untergebene oder Abhängige bedeutete – oder Feinde einteilte. 168 v. Chr. stachelten die Römer sogar die Kelten zum Kampf gegen das pergamenische Reich an. Wider Erwarten konnten sich die Attaliden nicht nur gegen die Kelten behaupten, sondern schlugen sie vernichtend. Dieses Ereignis soll sich in den beiden Friesen des Pergamonaltars widerspiegeln. Am äußeren Fries ist der Kampf zwischen den griechischen Göttern gegen die ungeschlachten Giganten dargestellt. Unschwer ist hier die Assoziation des Kampfes der zivilisierten griechischen gegen die barbarische Welt – in diesem Fall der Kelten – zu erkennen.[2] Der innere Fries, der Telephosfries, zeigt seinerseits die Legende des Telephos und sollte die Überlegenheit Pergamons gegenüber den Römern zeigen. So wurde der Gründer Roms, Romulus, nur von einer Wölfin, Telephos, auf den sich die Attaliden zurückführten hingegen von einer Löwin gestillt[3].

Modell der pergamemischen Oberstadt
Modell der pergamemischen Oberstadt
Eingang zum pergamenischen Athena-Tempel, Rekonstruktion im Berliner Pergamonmuseum
Eingang zum pergamenischen Athena-Tempel, Rekonstruktion im Berliner Pergamonmuseum

Schon Attalos I. begann, die Akropolis von Pergamon umzugestalten. Im Laufe der Zeit entstand so neben der ursprünglichen Burg, in der mehrere Paläste, eine Bibliothek in Athenaheiligtum und in späterer Zeit ein Trajaneum errichtet wurden, auf dem Hügelkopf ein Dionysostempel und ein nach Dionysos benanntes Theater, ein Heroon, die Obere Agora der Stadt und eben der später als Pergamonaltar benannte Große Altar.

Für den Großen Altar wurden die Vorgängerbauten planiert und die Terrasse, auf der sich der Altar befand, durch Substruktion erweitert. Zur besseren Nutzbarkeit wurden mehrere Terrassen angelegt. Wie für einen griechischen Tempel üblich, wurde ein in sich geschlossener Bereich geschaffen. Der Weg von der pergamenischen Unterstadt zur Oberstadt führte direkt am heiligen Altarbezirk vorbei, zu dem an der Ostseite ein Zugang bestand. Somit sahen Besucher in der Antike als erstes die Ostseite des großen Altars, auf der die griechischen Hauptgötter abgebildet waren, zunächst die reche Seite des Ostfrieses, wo die Götter Hera, Herakles, Zeus, Athena und Ares kämpften. Doch der Blick des Besuchers reichte auch darüber hinaus. Im Hintergrund befand sich nicht nur die Wand einer weiteren Terrasse, an der vermutlich viele Statuen standen; man sah auch auf den schon 150 Jahre früher errichteten, schlichten dorischen Athenatempel, der eine Terrasse höher stand. Die Westseite des Altars mit einer Freitreppe lag trotz des Höhenunterschiedes in derselben Flucht wie der Athena-Tempel. In seiner freien Anlage war der Altar so konzipiert, dass Besucher ihn umschreiten konnten. Dabei ergaben sich zweifelsohne weitere konzipierte Blickachsen.[4]

Der fast quadratische, mächtige Unterbau ist 36,44 Meter breit und 34,20 Meter tief und erstreckt sich über fünf Stufen. Der Aufbau besteht aus einer Sockelzone, einem 2,30 Meter hohen Fries mit Hochreliefplatten sowie einem mächtigen, vorkragenden Gesims. Der Fries ist zusammen 120 Meter lang und damit nach dem Parthenonfries der längste erhaltene Fries der griechischen Antike. An der Westseite wird er von einer etwa 20 Meter breiten Treppe unterbrochen, die den Unterbau durchschneidet und zu einem mit Säulen umzogenem Oberbau führt. An den Seiten der Freitreppe gibt es an beiden Seiten Vorsprünge (Risalite), die ebenso aufgebaut und verziert sind wie der übrige umlaufende Fries. Der Oberbau hat nur eine relativ geringe Tiefe. Die umgebenden Säulen weisen profilierte Basen und ionische Kapitelle auf. Auf dem Dach standen viele Statuen: Pferde in Viergespannform, Löwengreifen, Kentauren und Götterfiguren sowie unfertige Wasserspeier. Die obere Halle wirkte lichter, da hier die Säulen in einem weiteren Abstand standen. Im inneren Altarhof war ursprünglich eine weitere Säulenhalle geplant, auf die jedoch verzichtet wurde. In Augenhöhe war ein Fries angebracht, der das Leben des mythischen Stadtgründers Telephos zeigte.[5]

Der Große Altar ist jedoch kein Tempel. Es wird vermutet, dass der Athena-Tempel der kultische Bezugspunkt für den Großen Altar war. Möglicherweise fungierte er nur als Opferort. Dafür sprechen einige Statuenbasen und Weihinschriften im Altarbezirk, deren Stifter Athena nannten. Eine weitere Möglichkeit ist, dass Zeus und Athena gleichermaßen verehrt wurden. Möglich ist auch eine Eigenständigkeit des Altars. Anders als Tempel, zu denen immer ein Altar gehörte, gehörte zu einem Altar nicht zwangsläufig ein Tempel.[6] Aus den wenigen Resten der Weihinschrift lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren, für welche Gottheit der Altar gestiftet wurde.

Ebenso unklar ist die Form der hier vollzogenen Opfer. Aus den Resten des Altars lässt sich zumindest schließen, dass er eine hufeisenartige Form hatte. Offenbar war es ein Wangenaltar mit einer oder mehreren Stufen. Möglicherweise wurden hier Schenkel von Opfertieren verbrannt. Möglich ist ebenso, dass der Altar nur zur Libation – also der Darbringung von Opfern in Form von Weihrauch, Wein und Früchten – diente.[7] Wahrscheinlich durften nur Priester, Angehörige des Königshauses und hohe auswärtige Gäste den Altar betreten.

[Bearbeiten] Antiker Nachhall

Der Römer Lucius Ampelius überliefert, wahrscheinlich im 2. Jahrhundert, in seinem liber memoralis („Merkbüchlein“) im Abschnitt über die Weltwunder, die miracula mundi:

In Pergamon gibt es einen großen marmornen Altar, 40 Fuß hoch, mit sehr großen Skulpturen. Er enthält auch eine Gigantomachie.[8]

Neben einer Bemerkung des Pausanias[9], der in einem Nebensatz die Opfergewohnheiten in Olympia mit denen in Pergamon vergleicht, ist es die einzige schriftliche Erwähnung des Altars in der gesamten Antike. Das ist umso verwunderlicher, als bei den Schriftstellern der Antike viel zu derartigen Kunstwerken geschrieben wurde und Ampelius den Altar immerhin zu den Weltwundern zählt. Das Fehlen schriftlicher Quellen zum Altar aus der Antike wird unterschiedlich interpretiert. Doch liegt eine mögliche Erklärung auf der Hand: Der hellenistische Altar galt den Römern als unwichtig, da er nicht in der klassischen Epoche der griechischen, vor allem attischen, Kunst entstanden war. Nur diese Kunst und die spätere Rückbesinnung auf diese Werte galt als bedeutend und erwähnenswert. Diese Sichtweise wurde ab dem 18. Jahrhundert, vor allem seit dem Wirken Johann Joachim Winckelmanns auch besonders von den deutschen Forschern vertreten.[10] Die einzige bildliche Darstellung des Altars stammt von Münzen aus der römischen Kaiserzeit. Sie stellten den Altar in stilisierter Form dar.

Laokoon-Gruppe
Laokoon-Gruppe
Alkyoneus und Athena
Alkyoneus und Athena

Dennoch ist unstrittig, dass der Große Altar von Pergamon eines der bedeutendsten Werke, wenn nicht der Höhepunkt der hellenistischen Kunst darstellt. Die ignorierende Geringschätzung des Altars mutet aus heutiger Sicht seltsam an, stammt doch auch die Laokoongruppe – eine der Skulpturen, die heute zusammen mit einigen wenigen Kunstwerken als besonders herausragendes Zeugnis der antiken Kunst genannt wird und schon in der Antike als Meisterwerk aller Kunst angesehen wurde[11] angesehen wurde – auch aus einer pergamenischen Werkstatt und entstand ungefähr zur selben Zeit wie der Altar [12]. Interessant ist dabei, dass der gigantische Gegner der Göttin Athena, Alkyoneus, in Haltung und Darstellung dem Laokoon sehr ähnelte. Als er gefunden wurde, soll ein Ausruf „Jetzt haben wir auch einen Laokoon![13] zu hören gewesen sein.

[Bearbeiten] Die Wiederentdeckung

[Bearbeiten] Von der Antike bis zu den Ausgrabungen im 19. Jahrhundert

Spätestens als in der Spätantike das Christentum die heidnischen Religionen abgelöst und verdrängt hatte, wurde der Altar überflüssig. Im siebten Jahrhundert wurde die Akropolis Pergamons zum Schutz vor den Arabern stark befestigt. Dabei wurde unter anderem auch der Pergamonaltar zum Zweck des Materialgewinns teilweise zerstört. Dennoch fiel die Stadt 716 vorübergehend an die Araber und wurde daraufhin als bedeutungslos aufgegeben; Erst im 12. Jahrhundert kam es zu einer Wiederbesiedlung. Im 13. Jahrhundert fiel Pergamon an die Türken.[14]

Zwischen 1431 und 1444 besuchte der italienische Humanist Cyriacus von Ancona Pergamon und berichtete darüber in seinen commentaria (Tagebüchern). 1625 bereiste William Petty; der Kaplan des 21. Earls of Arundel die Türkei. Auch er besuchte Pergamon und brachte von dort zwei Reliefplatten des Altars mit nach England. Die Stücke gerieten nach der Auflösung der Sammlung des Earls in Vergessenheit und wurden erst in den 1960er Jahren wieder entdeckt[15]. Beide Platten fehlen somit bis heute in der Berliner Rekonstruktion. Weitere frühe Reisende während des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts waren beispielsweise der französische Diplomat und Altertumsforscher Comte de Choiseul-Gouffier, der englische Architekt Charles Robert Cockerell sowie die beiden Deutschen Otto Magnus von Stackelberg und Otto Friedrich von Richter. Choiseul-Gouffier schlug als erster Ausgrabungen in Pergamon vor, die anderen drei Reisenden fertigten Zeichnungen von der Akropolis der Stadt an.

1864/65 kam Carl Humann erstmals nach Pergamon. Der deutsche Ingenieur war mit geografischen Untersuchungen beauftragt und besuchte in den folgenden Jahren immer wieder die Stadt. Er setzte sich für den Erhalt der Altertümer auf dem Burgberg ein und versuchte, Partner für eine Ausgrabung zu finden. Das war auch deshalb wichtig, weil die damaligen Bewohner Bergamas, wie Pergamon nun hieß, den Altar und die anderen oberirdischen Ruinenstätten als Steinbruch nutzten, Reste der antiken Bebauung plünderten, um neue Gebäude zu errichten, und den Marmor sogar zu Kalk brannten. 1871 kamen der Berliner Altphilologe und Archäologe Ernst Curtius und mehrere andere deutsche Forscher auf Einladung Humanns nach Pergamon. Er veranlasste den Versand einiger Fundstücke, darunter zwei Fragmente des Altars, nach Berlin. Die Altarreliefs beschrieb er als „Schlacht mit Männern, Rossen, wilden Thieren[16]. Zunächst wurden die Stücke zwar ausgestellt, fanden aber nur wenig Beachtung. Erst der 1877 zum Direktor der Skulpturensammlung der Königlichen Museen in Berlin berufene Alexander Conze brachte die Stücke mit der Überlieferung bei Ampelius zusammen und erkannte ihre Bedeutung. Nun traf es sich gut, dass die deutsche Regierung nach der Reichseinigung 1871 bestrebt war, mit anderen Großmächten auch kulturell mitzuhalten:

Von besonderer Bedeutung ist es, daß die Sammlungen der Museen, welche bisher sehr arm an griechischen Originalwerken waren [...] nunmehr in den Besitz eines Werkes griechischer Kunst von der Ausdehnung gelangen, welche etwa nur in der Reihe der attischen und kleinasiatischen Skulpturen des Britischen Museums gleich oder nahe kommen.[17]
Leere Altarbasis in Pergamon, 2005
Leere Altarbasis in Pergamon, 2005

Umgehend nahm Conze mit Humann Kontakt auf, der zu der Zeit in der Türkei für ein Straßenbauunternehmen tätig war. Nun ging alles schnell. Die deutsche Regierung kümmerte sich um eine Grabungslizenz in der Türkei und im September 1878 begannen die von Humann und Conze geleiteten Ausgrabungen. Große Teile der Akropolis wurden bis 1886 untersucht und in den folgenden Jahren auch wissenschaftlich aufgearbeitet und publiziert. Durch ein Abkommen[18] zwischen der osmanischen und der deutschen Regierung kamen die Reliefplatten des Pergamonaltars und einige weitere Stücke ab 1879 nach Berlin und in den Besitz der Antikensammlung. Dabei war man sich auf deutscher Seite sehr wohl bewusst, dass man ein Kunstwerk von seinem angestammten Platz entfernte, und war mit dieser Situation selbst nicht vollständig glücklich:

Wir sind nicht fühllos dagegen gewesen, was es heißt, die Reste eines großen Denkmals seinem Mutterboden zu entreißen zu uns hin, wo wir ihnen das Licht und die Umgebung nie wieder bieten können, in die hinein sie geschaffen wurden, und in denen sie einst voll wirkten. Aber wir haben sie der immer vollständigeren Zerstörung entrissen. Damals war noch kein Hamdy Bey in Sicht, den bald warme Freundschaft mit Humann verband, und wir konnten damals noch nicht denken, was mit seiner Hilfe inzwischen möglich geworden ist, daß die am Orte verbleibenden Ruinen vor den Steinräubern der modernen Stadt [...] würden beschützt werden können [...]“[19].

[Bearbeiten] Der Pergamonaltar in Berlin

Zunächst konnten die Stücke nicht in einem angemessenen Ausstellungsrahmen präsentiert werden, sie wurden in einem überfüllten Alten Museum gezeigt, wobei vor allem der Telephosfries nicht angemessen präsentiert werden konnte (die einzelnen Platten wurden nur an die Wand gelehnt gegenüber dem Altar ausgestellt). Deshalb wurde eigens ein neues Museum errichtet. Ein erstes von Fritz Wolff errichtetes „Pergamonmuseum“ wurde 1897 bis 1899 erbaut, 1901 mit der Enthüllung eines Bildnisses Carl Humanns von Adolf Brütt eröffnet und war bis 1908 in Benutzung. Es wurde jedoch nur als Interimslösung angesehen und deshalb auch nur „Interimsbau“ genannt. Ursprünglich waren vier archäologische Museen, darunter ein eigenes Pergamonmuseum geplant gewesen. Doch musste das erste Museum wegen Fundamentschäden abgerissen werden. Es war ursprünglich auch nur für die Funde vorgesehen, die nicht in den anderen drei archäologischen Museen präsentiert werden konnten, und somit von vornherein zu klein für den Altar. Nach Abriss des Museums wurde der Telephosfries mit anderen Antiken in den Kolonnaden an der Ostseite des Neuen Museums eingemauert, jedoch wurden Fenster offen gelassen, durch die man die Kunstwerke anschauen konnte.

Der Neubau von Alfred Messel wurde bis 1930 errichtet. Dieses neue Pergamonmuseum präsentierte den Altar in etwa so, wie er auch heute noch ausgestellt wird. Im zentralen Saal des Museums erfolgte eine Teilrekonstruktion und an den umgebenden Wänden wurde der Fries angebracht. Der Telephosfries ist wie im Originalbau über die Freitreppe zu erreichen, er ist jedoch in einer verkürzten Form wiedergegeben. Es ist bis heute unklar, warum beim Bau und der Altarrekonstruktion darauf verzichtet wurde, den Altar komplett zu rekonstruieren. Theodor Wiegand, zu dieser Zeit Museumsdirektor, orientierte sich in seiner Ausstellungskonzeption an den Vorstellungen Wilhelm von Bodes, dem ein großes „Deutsches Museum“ im Stile des British Museums vorschwebte. Dabei war offenbar kein Gesamtkonzept vorhanden und die Präsentation des Altars musste beim Konzept eines großen Architekturmuseums, das exemplarisch Beispiele aller altorientalischen und mediterranen Kulturen versammelte, zurückstehen. Bis zum Kriegsende wurde nur der Ostteil des Museums mit den drei großen Architektursälen „Pergamonmuseum“ genannt.[20]

1939 wurde das Museum kriegsbedingt geschlossen, zwei Jahre später wurden die Reliefs abgenommen und ausgelagert. Beim Kriegsende gelangten die Altarteile, die im Bunker am Berliner Zoo gelagert waren, in die Hände der Roten Armee und wurden als Beutekunst in die Sowjetunion verbracht. Dort wurden sie bis 1958 in den Magazinen der Eremitage in Leningrad gelagert. 1959 wurde ein großer Teil der Sammlung an die DDR zurückgegeben, darunter auch die Altarreste. Unter der Leitung des Museumsdirektors Carl Blümel wurde nur der Altar wieder so präsentiert wie vor dem Krieg, die anderen Antiken wurden, nicht zuletzt, da das Alte Museum noch zerstört war, neu geordnet. Im Oktober desselben Jahres wurde das Museum wieder eröffnet. 1982 wurde ein neuer Eingangsbereich geschaffen, der nun einen Museumsbesuch mit dem Pergamonaltar beginnen ließ, nachdem bis dahin der Eingang im Westflügel lag und man zunächst durch das Vorderasiatische Museum gehen musste. 1990 kamen auch neun Köpfe des Telephosfrieses, die kriegsbedingt in den Westteil Berlins verbracht worden waren, ins Pergamonmuseum zurück.

Natürlich taten diese Aktivitäten dem Kunstwerk alles andere als gut; auch stellte sich heraus, daß die früheren Restaurierungen selbst Probleme verursacht hatten: Bügel und Klammern, die einzelne Fragmente miteinander verbanden und auch als Verankerungen der Friese und Skulpturteile in der Wand dienten, waren aus Eisen, das zu rosten begonnen hatte. Der Rost breitete sich aus und drohte, den Marmor von innen zu sprengen. Eine Restaurierung wurde nach 1990 unumgänglich. Zunächst wurde der Telephosfries aufgearbeitet,[21] der in den 1980er Jahren teilweise nicht zugänglich war. Dem schloss sich die Restaurierung der Gigantomachie an. Zunächst wurde der Westteil, anschließend der Nord- und Südteil und schließlich der Ostfries restauriert. Zum Winckelmanntag, dem 9. Dezember 2003, wurde der komplett restaurierte Fries der Öffentlichkeit übergeben. Die Rekonstruktion kostete mehr als drei Millionen Euro.[22] Somit befindet sich der Pergamonaltar derzeit in einer wissenschaftlich aktuell rekonstruierten Form.

1998 und erneut 2001 forderte der türkische Kulturminister Istemihan Talay die Rückgabe des Altars und anderer Artefakte. Allerdings hatte die Forderung keinen offiziellen Charakter und wäre nach heutigem Ermessen auch nicht durchsetzbar.[23]

[Bearbeiten] Das Kunstwerk

Die Gigantomachie stellt den Kampf der Götter gegen die Kinder der Urgöttin Gaia, die schlangenfüßigen Giganten, dar. Nachdem die neuen Götter unter der Führung des Zeus und unter Mithilfe der Gaia die alten Götter um Kronos entmachtet hatten, wandte sich Zeus entgegen seiner Versprechen gegen mehrere Kinder der Gaia. Deshalb stiftete sie mehrere ihrer Kinder – die Giganten und die Hekatoncheiren – dazu an, die Götter zu stürzen. Den Göttern wurde weisgesagt, dass sie nur mit Hilfe Sterblicher siegen könnten. Deshalb nahmen Herakles und Dionysos am Kampf teil, die beide von sterblichen Müttern geboren wurden.

Die Götter sind entsprechend ihrer göttlichen Wesen und mythischen Attribute dargestellt. Götter, die von der Physis leben wie der Göttervater Zeus, werden ebenso dargestellt. Die Beschreibung der einzelnen Seiten erfolgt immer von links nach rechts.

[Bearbeiten] Ostfries

Wie schon erwähnt, sahen Besucher des Altars beim Betreten des Altarbezirkes zuerst die Ostseite. Hier waren auch fast alle wichtigen olympischen Götter versammelt. Links beginnt die Darstellung mit der Dreigestaltigen Göttin Hekate. Sie kämpft in ihren drei Inkarnationen mit einer Fackel, mit einem Schwert und einer Lanze gegen den Giganten Klytios. Ihr am nächsten agiert Artemis. Die Göttin der Jagd kämpft ihrer Funktion entsprechend mit Pfeil und Bogen gegen einen Giganten, der möglicherweise Otos sein soll. Ihr Jagdhund tötet einen weiteren Giganten durch einen Genickbiss. Artemis zur Seite kämpft ihre Mutter Leto mit einer Fackel gegen einen tierhaften Giganten, auf Letos anderer Seite kämpft ihr Sohn und Zwillingsbruder der Artemis, Apollon. Auch er ist wie seine Schwester mit Pfeil und Bogen bewaffnet und hat den ihm zu Füßen liegenden Ephialtes erschossen.

Die nächste Reliefplatte ist fast nicht mehr vorhanden. Nur ein Teil eines Flügelfragmentes eines Giganten ist erhalten. An dieser Stelle wird Demeter vermutet. Ihr folgt Hera, die auf einem vierspännigen Streitwagen in die Schlacht zieht. Die vier geflügelten Pferde werden als die Personifikationen der vier Winde Notos, Boreas, Zephyros und Euros identifiziert. Zwischen Hera und seinem Vater Zeus kämpft Herakles, der nur noch anhand eines Fragmentes, das eine Tatze seines Löwenfelles zeigt, identifiziert werden kann. Zeus ist physisch besonders präsent und agil. Er kämpft mit geschleuderten Blitzen, gesendetem Regen und zusammengezogenen Wolken nicht nur gegen zwei junge Giganten, sondern auch den Anführer der Giganten, Porphyrion. Auch das folgende Kampfpaar zeigt eine besonders wichtige Szene des Kampfes. Athene, die pergamenische Stadtgöttin, trennt den Giganten Alkyoneus vom Boden, aus dem die Mutter der Giganten, Gaia auftaucht. Alkyoneus war der Sage nach solange unsterblich, wie er mit dem Erdboden verbunden blieb, wo er von der Kraft seiner Mutter durchströmt wurde. Den Abschluss der Ostseite bildet der Kriegsgott Ares, der mit einem Zweigespann in die Schlacht fährt. Seine Pferde bäumen sich vor einem geflügelten Giganten auf.

[Bearbeiten] Südfries

Hier beginnt die Darstellung des Kampfes mit der großen kleinasiatischen Muttergottheit Rhea/Kybele. Sie reitet mit Pfeil und Bogen auf einem Löwen in den Kampf. Links oben ist der Adler des Zeus mit einem Blitzbündel in den Krallen zu sehen. Daneben kämpfen drei Götter gegen einen mächtigen, stiernackigen Giganten. Die erste Göttin ist nicht zu identifizieren, es folgt Hephaistos, der einen Doppelhammer über dem Kopf hebt, und ein weiterer, nicht zu identifizierender, kniender Gott, der dem Giganten einen Spieß in den Leib stößt.

Es folgen die Gottheiten des Himmels. Eos, Göttin der Morgenröte, reitet in die Schlacht. Sie reißt ihr Pferd zurück und ist mit einer Fackel bewaffnet, die sie nach vorn stößt. Als nächstes taucht Helios mit seinem vierspännigen Wagen aus dem Meer auf und fährt mit einer Fackel bewaffnet in die Schlacht. Sein Ziel ist ein ihm im Weg stehender Gigant, einen weiteren hat er überrollt. Inmitten ihrer Kinder folgt Theia, die Mutter der Tages- und Nachtgestirne. Neben ihrer Mutter reitet mit dem Rücken zum Betrachter die Mondgöttin Selene auf ihrem Maulesel über einen Giganten hinweg.

Im letzten Drittel der Südseite kämpft ein nicht eindeutig zu identifizierender jugendlicher Gott, der möglicherweise Aither darstellen soll. Er hält einen Giganten mit Schlangenbeinen, Menschenkörper, Löwenpranken und Löwenkopf im Würgegriff. Der nächste Gott trägt sichtbare Alterszüge. Es wird vermutet, dass es sich um Uranos handelt. Zu seiner Linken ist seine Tochter Themis, die Göttin der Gerechtigkeit. Am Ende – oder Anfang, je nach Sichtweise – befinden sich die Titanin Phoibe mit einer Fackel und ihre Tochter Asteria mit einem Schwert. Beide werden von einem Hund begleitet.

[Bearbeiten] Nordrisalit der Westseite

Am Nordrisalit des Altars sind die Meeresgottheiten versammelt. Am Kopfende kämpfen Triton, dargestellt mit menschlichem Oberkörper, Flügeln, Fischleib und Pferdevorderbeinen, sowie seine Mutter Amphitrite gegen mehrere Giganten. Am Aufgang zum Altar, begrenzt von den Treppenspuren, sind die Paare Nereus und Doris sowie Okeanos und die fast nicht mehr vorhandene Tethys im Kampf dargestellt.

[Bearbeiten] Südrisalit der Westseite

Am Südrisalit sind mehrere Naturgottheiten und mythologische Wesen versammelt. An der Frontseite greift Dionysos, begleitet von zwei jugendlichen Satyrn, in den Kampf ein. Ihm zur Seite steht seine Mutter Semele, die einen Löwen in den Kampf führt. An der Treppe sind drei Nymphen dargestellt. Hier ist auch die einzige bekannte Künstlerinschrift THEORRETOS am Gesims gefunden worden.

[Bearbeiten] Nordfries

An der Stelle, wo der Nordfries an den Ostfries anschließt, beginnt Aphrodite den Reigen der Götter an dieser Seite und befindet sich damit, da man den Fries ohne Kanten sehen muss, an der Seite ihres Liebhabers Ares. Die Göttin der Liebe zieht eine Lanze aus einem getöteten Giganten. Neben ihr kämpfen ihre Mutter, die Titanin Dione, und ihr Sohn Eros. Die beiden nächsten Figuren sind in der Deutung nicht ganz sicher. Wahrscheinlich sind hier die Zwillinge Kastor und Polydeukes dargestellt. Kastor wird von hinten von einem Giganten gepackt und in den Arm gebissen, woraufhin ihm sein Bruder zur Hilfe eilt.

Die anschließende Gruppe von drei Kampfpaaren wird dem Kriegsgott Ares zugeordnet. Wer dargestellt ist, ist unklar. Zunächst holt ein Gott mit einem Baumstamm aus, in der Mitte stößt eine geflügelte Göttin ihr Schwert in einen Gegner und zum Schluss kämpft ein Gott gegen einen gepanzerten Giganten. Die darauf folgende Gottheit wurde lange Zeit als Nyx identifiziert, mittlerweile geht man jedoch davon aus, dass es eine der Erinyen, der Rachegöttinnen, ist. Sie hält ein von Schlangen umwundenes Gefäß schleuderbereit in der Hand. Als nächstes kämpfen zwei weitere Personifikationen. Die drei Moiren (Schicksalgöttinnen) erschlagen mit Bronzekeulen die Giganten Agrios und Thoas.

Die vorletzte Kampfgruppe zeigt eine „Löwengöttin“, die man als Keto deutet. Diese Gruppe folgt nicht direkt auf die Moiren, es gibt eine Lücke, die ein weiteres Kampfpaar vermuten lässt. Hier werden die Graien, Kinder der Keto, vermutet. Keto war Mutter mehrerer Ungeheuer, so auch eines Wals (griechisch: „Ketos“), der links zu ihren Füßen auftaucht. Den Abschluss der Seite bildet der Meeresgott Poseidon, der mit einem Seepferdgepann aus dem Meer auftaucht. Hier schließt sich der Nordrisalit mit den Meeresgottheiten an.

[Bearbeiten] Telephosfries

Da im Innenbereich des Altars nur ein begrenzter Platz zur Verfügung stand, wurde für den Telephosfries im Innenraum eine weniger tiefe Friesform gewählt als beim Gigantenfries. Auch war der Fries kleiner und in seiner Anlage kleinteiliger. Die Höhe betrug 1,58 Meter. Ursprunglich war der Fries bemalt, davon sind jedoch keine nennenswerten Reste erhalten. Technisch hatte er einige Neuheiten der Entstehungszeit zu bieten. Die Figuren wurden in der Tiefe gestaffelt, architektonische Elemente deuten Handlungen in geschlossenen Räumen an und die Landschaftsdarstellungen wirken idyllisch.[24] Diese Darstellungsweise neuer Raumverhältnisse sollte für den Späthellenismus und die römische Zeit prägend sein.

Nach der Restaurierung Mitte der 1990er Jahre wurde festgestellt, dass die bislang angenommene chronologische Aufstellung nicht in allen Fällen richtig war. Deshalb wurde die Aufstellung neu angeordnet. Die Nummerierung der 51 im Pergamonmuseum befindlichen Reliefplatten wurde jedoch nach altem Muster beibehalten. Die Neusortierung ergab beispielsweise, daß die bislang angenommene erste Platte nun hinter Platte 31 angeordnet wurde. Nicht alle Platten sind erhalten, so dass es einige Lücken in der Darstellung der Geschichte gibt.

Der Fries erzählt in chronologischer Reihenfolge die auch aus schriftlichen Quellen überlieferte Geschichte des Telephos, eines Heroen der griechischen Mythologie.

[Bearbeiten] Statuenbesatz

Drei nicht näher zuordenbare Figuren aus dem Altarbereich, heute im Pergamonmuseum
Drei nicht näher zuordenbare Figuren aus dem Altarbereich, heute im Pergamonmuseum

Auf dem Dach standen diverse kleinere Götterstatuen, Pferdegespanne, Kentauren und Löwengreifen, die bis heute von den Archäologen in ihrer Funktion und Anordnung nicht eindeutig beschrieben werden konnten. Auch an der Nordmauer des Altarbezirkes fand sich ein 64 Meter langes Postament, das reich mit Statuen geschmückt war. Es ist bis heute unklar, wie groß die Ausstattung mit Bronze- und Marmorstatuen im Altarbereich wirklich war. Doch kann man mit Gewissheit sagen, dass sie außergewöhnlich reichhaltig war und für einen großen Aufwand durch die Stifter stand. Über dem Gigantenfries befand sich in der zweiten Etage, die auch den Telephosfries beherbergte, eine umlaufende Säulenhalle. Zwischen den Säulen standen möglicherweise weitere Statuen. Dafür sprechen etwa 30 gefundene Skulpturen von Frauen, die möglicherweise die Städte des pergamenischen Reiches personifizierten. Auf dem eigentlichen Opferherd werden keine Statuen oder anderer Besatz vermutet, möglicherweise wurde jedoch in römischer Zeit ein Baldachin errichtet.[25]

[Bearbeiten] Beziehungen zu anderen Kunstwerken

An vielen Stellen kann man am Altarfries Vorbilder anderer griechischer Kunstwerke erkennen. So erinnert Apollon in seiner idealisierten Haltung und Schönheit an eine berühmte, etwa 150 Jahre vor dem Fries entstandene klassische Statue des Bildhauers Leochares, die heute in einer Kopie aus römischer Zeit (Apollo von Belvedere) überliefert ist. Die Hauptgruppe aus Zeus und Athena erinnert in ihrer Darstellung der auseinanderstrebenden Kämpfer an die Darstellung des Kampfes zwischen Athena und Poseidon am Westgiebel des Parthenon. Diese Rückgriffe sind nicht zufällig, da sich Pergamon als eine Art neues Athen sah.[26]

Der Fries selbst hatte auch Einfluss auf spätere Arbeiten in der Antike. Bekanntestes Beispiel ist die schon erwähnte Laokoon-Gruppe, die, wie Bernard Andreae nachweisen konnte, etwa zwanzig Jahre nach dem Relief in Pergamon geschaffen wurde. Die Künstler der Statuengruppe standen noch in direkter Tradition der Schöpfer des Reliefs oder waren gar an der Frieschöpfung beteiligt.[27]

[Bearbeiten] Die Künstler

Es ist eine bislang viel diskutierte aber ungeklärte Frage, wieviele Künstler an diesem Mamutprojekt, der Schaffung des Gigantenfrieses, mitwirkten. Ebenso umstritten ist, inwieweit die Persönlichkeit einzelner Künstler im Kunstwerk wiederzufinden ist. Unbestritten ist, dass zumindest der Entwurf des Frieses von nur einem einzelnen Künstler stammt. Dieser Entwurf muss, bei Sicht auf die bis ins feine Detail stimmige Arbeit, schon in der Anlage bis ins kleinste Detail ausgearbeitet gewesen sein; nichts ist dem Zufall überlassen.[28] Doch treten solche Fragen meist bei der Betrachtung in den Hintergrund. Schon in der Anlage der Kampfgruppen fällt auf, dass nicht eine dieser Gruppen identisch ist und beispielsweise die Frisuren und das Schuhwerk der Göttinnen in allen Fällen variieren. Alle Kampfpaare sind individuell zusammengestellt. Somit erschließt sich ein selbstständiger Chrakter eher aus den geschaffenen Figuren selbst als aus den persönlichen Stilen der Künstler.

In der Forschung wurden bislang zwar durchaus Unterschiede festgestellt, die auf verschiedene Künstler zurück gehen, doch bei der Stimmigkeit des Gesamtwerkes muss immer wieder darauf hingewiesen werden, dass diese Unterschiede bei der Gesamtbetrachtung nahezu nicht ins Gewicht fallen.[29] Künstler aus vielen Teilen Griechenlands, sicher weiß man aus Inschriften von Künstlern aus Athen und Rhodos, haben sich demnach dem Entwurf eines einzelnen leitenden Künstlers unterworfen. Die Bildhauer durften den von ihnen gestalteten Abschnitt des Frieses an der unteren Fußleiste signieren, doch sind nur wenige dieser Inschriften überliefert. Somit kann daraus kein Rückschluss auf die Menge der beteiligten Künstler gezogen werden. Nur eine Inschrift vom Südrisalit ist so überliefert, dass sie zugeordnet werden kann. Da es hier keine Fußleiste gab, wurde der Name, Theorretos, nahe der dargestellten Gottheit eingemeißelt. Bei der Betrachtung der Inschriften wurde anhand des Schriftbildes festgestellt, dass es eine ältere und eine jüngere Bildhauergeneration gab, weshalb die Stimmigkeit des Gesamtwerks umso höher einzuschätzen ist.[30]

[Bearbeiten] Rezeption

Das Deutsche Reich, das die Ausgrabungen ja nicht zuletzt aus Prestigegründen förderte, begann schnell, den Altar und andere archäologische Zeugnisse zu vereinnahmen. Bei der „Jubiläumsausstellung der Berliner Akademie der Künste“ im Mai und Juni 1886 wurden auf einem 13.000 Quadratmeter großem Gelände auch die archäologischen Errungenschaften der jüngsten Ausgrabungen in Olympia – hier gab es jedoch kein Fundmaterial zu präsentieren, da der griechische Staat keine Genehmigung zur Ausfuhr der Kunstschätze gegeben hatte – und Pergamon gezeigt. Man baute dafür einen „Tempel von Pergamon“ nach. Auf einem maßgenauen Nachbau der Westfront des Altarsockels mit ausgewählten Kopien der Friese – darunter Zeus- und Athena-Gruppe – wurde ein dem Zeustempel von Olympia nachempfundener Eingangsbereich für ein Gebäude errichtet. In diesem Bau präsentierte man ein Modell der Stadt Pergamon im 2. nachchristlichen Jahrhundert nach dem damaligen Wissensstand.[31]

Wohl das augenfälligste Beispiel für die Rezeption des Altars ist das Museum selbst, in dem sich der Altar heute befindet. Das nach Plänen von Alfred Messel von 1912 bis 1930 erbaute Pergamonmuseum ist in seiner Anlage eine ins Gigantische übersteigerte Form der Vorderfront des Altars.[32]

Für die weitere Betrachtung, ja für die Beschäftigung mit dem Kunstwerk an sich, wurde die Rekonstruktion im Pergamonmuseum bedeutend. Hier wurde nicht die antike Hauptseite im Osten für die Teilrekonstruktion des Baus genutzt, sondern die gegenüber liegende Westseite mit der Treppe. Diese Rekonstruktion inklusive der Anbringung der restlichen Friese an den restlichen Wänden des zentralen Ausstellungsraumes wurde nicht unkritisch gesehen. Kritiker sprachen von einem „umgestülpten Ärmel“ und von „Theatralik“[33].

Im nationalsozialistischen Deutschland nahm man sich später diese Form der Architektur zum Vorbild. Wilhelm Kreis wählte für seine Soldatenhalle beim Oberkommando des Heeres in Berlin (1937/38) und für ein nie realisiertes Kriegerehrenmal am Fuß des Olymp in Griechenland eine Bauform, die der des Altars recht ähnlich war. Bei der Soldatenhalle sollte der Fries jedoch auf die Frontseite des Risalits beschränkt werden. Die Friese des Bildhauers Arno Breker wurden jedoch nie geschaffen. Der Rückgriff auf diese Architekturform hatte nicht zuletzt mit den ideologischen Vorstellung der Nationalsozialisten zu tun. Ein Altar erinnerte an Opferbereitschaft und Heldentod. Sowohl der Pergamonaltar wie auch diese beiden Zeugnisse nationalsozialistischer Architektur waren „Kultbauten“. Auch die Botschaft des Altarfrieses vom Sieg des Guten über das Böse konnten sich die Nationalsozialisten so zu eigen machen[34].

Peter Weiss unternimmt in seinem Roman Die Ästhetik des Widerstands den Versuch einer marxistischen Lesart des Reliefs. Es ist der bedeutendste Niederschlag des Altars in der belletristischen Literatur. Weiss versucht nicht, den Fries in seiner eigentlichen Bedeutung zu interpretieren, sondern lässt seine Protagonisten aus dem Widerstand gegen die Nationalsozialisten mit Hilfe von Kunstwerken ihre eigenen Standpunkte ergründen. Im Rückgriff wird die Betrachtung auch auf die Entstehung, die Geschichte bis zur Wiederauffindung und die Rekonstruktion im Museum ausgedehnt.[35]

[Bearbeiten] Literatur

  • Hans-Joachim Schalles: Der Pergamon-Altar zwischen Bewertung und Verwertbarkeit, Fischer, Frankfurt am Main 1991 ISBN 3-596-23935-4
  • Max Kunze, Volker Kästner: Antikensammlung II. Der Altar von Pergamon. Hellenistische und römische Architektur. Henschelverlag, 2. Auflage, Berlin 1990, ISBN 3-362-00436-9.
  • Bernard Andreae: Laokoon und die Kunst von Pergamon : die Hybris der Giganten, Fischer, Frankfurt am Main 1991 ISBN 3-596-10743-1
  • Rudolf Fellmann (Hrsg.): Antike Welt auf der Berliner Museumsinsel. von Zabern, Mainz 1990 (Sonderheft der Antiken Welt), ISBN 3-8053-1186-9.
  • Die Antikensammlung im Pergamonmuseum und in Charlottenburg. Auch nur Antikensammlung Berlin, von Zabern, Mainz 1992, ISBN 3-8053-1187-7.
  • Max Kunze: Der Pergamonaltar. Seine Geschichte, Entdeckung und Rekonstruktion. von Zabern, Mainz 1995, ISBN 3-8053-1468-X.
  • Mechthild Amberger-Lahrmann: Anatomie und Physiognomie in der hellenistischen Plastik. Dargestellt am Pergamonalter, Steiner, Stuttgart 1996 (Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse / Akademie der Wissenschaften und der Literatur ; Jg. 1996, Nr. 10) ISBN 3-515-06978-X
  • Wolf-Dieter Heilmeyer (Hrsg.): Der Pergamonaltar. Die neue Präsentation nach Restaurierung des Telephosfrieses. Wasmuth, Tübingen 1997, ISBN 3-8030-1045-4.
  • Wolfgang Radt, Walter Eder, Albrecht Berger: Pergamon. In: Der Neue Pauly. Bd. 9 (2000), Sp. 543–561.
  • Hans-Joachim Schalles: Pergamonaltar. In: Der Neue Pauly. Bd. 15/2 (2002), Sp. 211–215.
  • Huberta Heres, Volker Kästner: Der Pergamonaltar, von Zabern, Mainz 2004 ISBN 3-8053-3307-2

[Bearbeiten] Weblinks

commons:Hauptseite
Commons
Commons: Pergamonaltar – Bilder, Videos und/oder Audiodateien

[Bearbeiten] Fußnoten

  1. Bernard Andreae: Datierung und Bedeutung des Telephosfrieses im Zusammenhang mit den übrigen Stiftungen der Ataliden von Pergamon, in: Wolf-Dieter Heilmeyer (Hg.): Der Pergamonaltar. Die neue Präsentation nach Restaurierung des Telephosfrieses, Wasmuth, Tübingen 1997, S. 67 (in Folge als Andreae: Telephosfries zitiert).
  2. Andreae: Telephosfries, S. 68.
  3. Andreae: Telephosfries, S. 68
  4. Zur Konzeption siehe Max Kunze: Der Pergamonaltar, S. 19.
  5. Zum Aufbau und den Maßen siehe Kunze/Kästner: Antikensammlung II, S. 47.
  6. Die Antikensammlung Berlin, Mainz 1992, S. 25.
  7. Zur Altarverwendung und zur möglichen Opferweise siehe Kunze: Der Pergamonaltar, S. 19.
  8. 8,14: Pergamo ara marmorea magna, alta pedes quadraginta, cum maximis sculpturis; continent autem gigantomachiam, zitiert nach Die Antikensammlung Berlin, S. 23.
  9. Pausanias, V, 13,8.
  10. Die Antikensammlung Berlin, S. 23.
  11. Das große Kunstlexikon von P.W. Hartmann, [1]
  12. Bernard Andreae: Laokoon oder die Gründung Roms, von Zabern, Mainz 1988 (Kulturgeschichte der Antiken Welt, Bd. 39).
  13. Zitiert nach Kunze, Kästner: Antikensammlung II, S. 33.
  14. Zu Pergamon in der byzantinischen Zeit siehe Wolfgang Radt und Albrecht Berger in Der Neue Pauly, Bd. 9 (2000), Sp. 551 und 561.
  15. eines der beiden Fragmente, die Rückansicht eines Giganten, fand man 1962 an der Hauswand eines Gebäudes im englischen Worksops, die zweite Platte, einen toten Giganten zeigend, fand sich 1968 verbaut in einer gotischen Ruine in Fawley Court, siehe dazu: Michael Vickers: The Thunderbolt of Zeus: Yet More Fragments of the Pergamon Altar in the Arundel Collection, in American Journal of Archaeology, Vol. 89, No. 3 (Jul., 1985), S. 516-519
  16. Zitiert nach Kunze/Kästner: Antikensammlung II, S. 27.
  17. Der preußische Kultusminister in einem Brief an den König, zitiert nach Kunze/Kästner: Antikensammlung II, S. 28.
  18. Die osmanische Regierung wollte zunächst eine Teilung der Funde (2/3 zu 1/3 zu Gunsten Deutschlands) durchsetzen, doch konnte in den Verhandlungen 1878/79, auf die selbst Bismarck Einfluss nahm, gegen die Zahlung von 20.000 Goldmark ein Vertrag ausgehandelt werden, der die Funde allein dem Deutschen Reich überließ. Zu Hilfe kamen die aktuelle innenpolitische Schwäche des Osmanischen Reiches und der Dank für die Vermittlerrolle, die Bismarck beim Berliner Kongress eingenommen hatte. Siehe Kunze, Kästner: Antikensammlung II, S. 30; Schaller: Pergamonaltar, Sp. 211.
  19. Alexander Conze, zitiert nach Kunze, Kästner: Antikensammlung II, S. 30.
  20. Heilmeyer: Aufstellungsgeschichte im 20. Jahrhundert. Die Aufstellungen von 1901, 1030 und 1955, in: Derselbe: Der Pergamonaltar. Die neue Präsentation nach Restaurierung des Telephosfrieses, S. 17
  21. Ausführlich beschrieben in: Wolf-Dieter Heilmeyer: Der Pergamonaltar. Die neue Präsentation nach Restaurierung des Telephosfrieses
  22. Berliner Zeitung Online vom 25. Januar 2003.
  23. [2].
  24. Max Kunze: Der Pergamonaltar. Seine Geschichte, Entdeckung und Rekonstruktion. von Zabern, Mainz 1995, S. 45-47; ausführliche Darstellungen in: Wolf-Dieter Heilmeyer (Hrsg.): Der Pergamonaltar. Die neue Präsentation nach Restaurierung des Telephosfrieses. Wasmuth, Tübingen 1997
  25. Zum Statuenbesatz siehe Kunze: Pergamonaltar, S. 21
  26. Die Antikensammlung im Pergamonmuseum und in Charlottenburg, von Zabern, Mainz 1992, S. 35f.
  27. Bernard Andreae: Laokoon oder die Gründung Roms
  28. Die Antikensammlung im Pergamonmuseum und in Charlottenburg, von Zabern, Mainz 1992, S. 36
  29. Die Antikensammlung im Pergamonmuseum und in Charlottenburg, von Zabern, Mainz 1992, S. 36
  30. Die Antikensammlung im Pergamonmuseum und in Charlottenburg, von Zabern, Mainz 1992, S. 36
  31. Schalles: Pergamonaltar, Sp. 212-214.
  32. Schalles: Pergamonaltar, Sp. 211-212.
  33. Schalles: Pergamonaltar, Sp. 214.
  34. Schalles: Pergamonaltar, Sp. 214-215.
  35. Schalles: Pergamonaltar, Sp. 215.
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