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Schlacht von Vittorio Veneto - Wikipedia

Schlacht von Vittorio Veneto

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Schlacht von Vittorio Veneto (oder “Dritte Piaveschlacht”) wurde vom 24. Oktober 1918 bis zum 3. bzw. 4. November 1918 in Nordostitalien ausgetragen. Sie führte zum Waffenstillstand von Villa Giusti bei Padua und zur Niederlage Österreich-Ungarns im Krieg gegen Italien (Erster Weltkrieg).

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Oktober 1917 bis Oktober 1918

In der Schlacht von Karfreit (12. Isonzoschlacht, Oktober/November 1917) war es Österreich-Ungarn und Deutschland gelungen, die Italiener in den Julischen Alpen vernichtend zu schlagen und sie zum Rückzug vom Isonzo zum Piave zu zwingen. Auf dem Monte Grappa und am Piave kam der Vorstoß der Mittelmächte teils wegen des italienischen Widerstandes auf dem Grappa-Eckpfeiler, teils wegen des schlechten Wetters und des hochwasserführenden Piave, teils wegen eigener Zögerlichkeiten zum Stehen (Erste Piaveschlacht, Dezember 1917).

Angesichts der zunehmenden eigenen Probleme versuchte Österreich-Ungarn in der Zweiten Piaveschlacht im Juni 1918 mit aller Entschlossenheit, Italien definitiv zu besiegen und den Krieg schnellstmöglich zu beenden. Dies scheiterte am italienischen Widerstand.

Von Juli bis Oktober 1918 ging der Krieg an der Italienfront mit z.T. hoher Intensität weiter. Im Sommer gab es schwere Kämpfe, u.a. auf dem Monte Mantello, dem Monte Cornone, dem Col Tasson, dem Monte Corno und dem Col del Rosso. Handstreichartige Gefechte fanden bis in den Oktober hinein von der schweizer Grenze bis zur Adria statt, die sich an verschiedenen Stellen, so bei Papadopoli am Piave, auf dem Grappa-Massiv und auf der Hochfläche von Asiago manchmal zu schweren Kämpfen entwickelten. Bemerkenswert waren auch die Operationen der Luftstreitkräfte beider Seiten. Italienische Flieger bombardierten wiederholt den Kriegshafen von Pola und andere österreichische Stützpunkte in Dalmatien. Darüber hinaus griff man auch östlich des Piave an, darunter Villach und Lienz. Eine Staffel unter dem Kommando von Gabriele d'Annunzio flog im August 1918 bis nach Wien und warf knapp 400.000 Flugblätter über der Stadt ab. Die österreichischen Flieger bombardierten Ziele zwischen Ravenna und Rimini, wiederholt waren auch Treviso, Padua und Venedig (21., 23., 27. 28. August) Ziele österreichischer Luftangriffe.

[Bearbeiten] Planung der Schlacht von Vittorio Veneto

[Bearbeiten] Vorüberlegungen

Anfang September 1918 begann die italienische Führung mit Planungen für einen begrenzten Angriff im Tiefland. Man dachte an einen Brückenkopf östlich des Piave, zwischen dem Monte Cesen und Susegana, von wo aus man im Frühjahr 1919 eine Großoffensive starten wollte. Diese Planungen wurden wegen des Drucks der anderen Entente-Mächte und der italienischen Regierung bald aufgegeben. Angesichts der Niederlagen der Mittelmächte an anderen Fronten und den Forderungen Ludendorffs und anderer nach einem Waffenstillstand, verlangte man nach einer schnellen Entscheidungsschlacht, für welche die Planungen Ende September, Anfang Oktober ausgearbeitet wurden. Doch die Lage der Italiener war im Spätsommer 1918 bei weitem nicht so, wie manche sich das vorstellten.

Der französische oberste Befehlshaber Foch forderte von Italien eine sofortige Offensive. Von den 300.000 US-Soldaten, die monatlich (ab Juni 1918) in Frankreich eintrafen und an der Westfront den Krieg entschieden, wollte Foch aber keinen einzigen an Italien abgeben, wo das italienische Heer seit der Schlacht von Karfreit in der Unterzahl war (56 zu 65 Divisionen). Ab März 1918 hatten Großbritannien und Frankreich insgesamt noch fünf Divisionen in Italien, dazu kam eine tschechische Division und ein amerikanisches Regiment, das zum großen Teil aus italienischen Auswanderern bestand. Foch war darüber hinaus auch unglücklich darüber, dass er im Frühjahr 1918 (in einem für ihn kritischen Moment) ein italienisches Korps mit zwei Divisionen an der Westfront annehmen musste. Daneben verfügte er über 70.000 italienische Arbeiter, die unter Militärjurisdiktion stehend den französischen Nachschub sicherten. Fochs Druck auf die Italiener und seine gleichzeitige Ablehnung aller ihrer Forderungen konnte nur einen Verzicht auf einen Großangriff zur Folge haben. Aber ein begrenzter Angriff konnte aus Sicht der Italiener nur zu Ergebnissen führen, wie man sich schon von den ersten elf Isonzoschlachten kannte, wobei nicht auszuschließen war, dass man sich wie bei Karfreit zwei blaue Augen holte. Spätestens seit der Zweiten Piaveschlacht im Juni 1918 waren die Italiener auf den Geschmack des Vorteils gekommen, den die Österreicher seit Beginn des Krieges hatten: nämlich auf die für die Verteidiger (bes. im 1. Weltkrieg) sehr vorteilhafte Wirkung der neuen Maschinenwaffen (MG), insbesondere wenn diese aus überhöhten Verteidigungsstellungen zum Einsatz kamen und offen angreifende Verbände ohne weiteres niedermähen konnten. Grundsätzlich wünschte sich die italienische Führung eher einen erneuten österreichischen Großangriff wie im Juni 1918, um bei einer solchen Gelegenheit einen von langer Hand geplanten entscheidenden Gegenangriff zu starten.

Anlass zu italienischem Optimismus gab es wegen der Erfolge der Entente in Frankreich, wo die Deutschen im Juli und August 1918 schwere Niederlangen einstecken mussten, aber auch wegen der Lage in Österreich-Ungarn, besonders was die K.u.K. Armee betraf, die immer mehr an Nachschubproblemen und allgemeiner Auszehrung litt. Insgesamt schien diese Entwicklung der Lage trotz aller Bedenken das Wagnis eines Angriffs zu rechtfertigen. Politisch und zeitlich passte er im Oktober 1918 aus italienischer Sicht noch ins Bild. Die strategische Entscheidung Fochs, Italien nicht zu unterstützen und den Schwerpunkt an der Westfront zu belassen, war militärisch fragwürdig, denn die schnelle Konzentration auf das schwächere Österreich-Ungarn und eine eventuell folgende Bedrohung Deutschlands aus dem Süden hätte Berlin womöglich schneller und nachhaltiger zur Kapitulation gezwungen, als es der reine Frontalangriff im Westen auszurichten vermochte. Politisch war die Entscheidung Fochs im Sinne Frankreichs überaus korrekt, da man der Italienfront auf keinen Fall eine für das französische Prestige abträgliche Rolle zukommen lassen wollte. (Umgekehrt könnte man ähnliches bezüglich der Südfront auch über Deutschland und Österreich-Ungarn sagen. Die Italiener befürchteten eine solche strategische Entscheidung bis zum Schluss).

[Bearbeiten] Militärische Planungen

Zentrale Zielsetzung der Schlacht von Vittorio Veneto war die Trennung der österreichischen Kräfte im Trentino von denen am unteren Piave. Die Trennung durch einen sichelartigen Schnitt auf Vittorio Veneto (das damals noch Vittorio hieß und erst unter Benito Mussolini 1923 in Vittorio Veneto umbenannt wurde) und darüber hinaus sollte die österreichische Gebirgsfront (die eine ständige Bedrohung für die italienischen Verbände im Tiefland südöstlich des Grappa waren) zum Einsturz bringen und in der Folge, mangels Verbindungen nach Norden, auch die Piavefront im Tiefland. Von den beiden österreichischen Armeen (6. und 5.), die zwischen dem Grappa und der Adria standen, hatte die nördlicher gelegene 6. Armee (Alano bis Ponte della Priula) den strategisch ungünstigsten Nachschubkanal (Vittorio Veneto-Conegliano-Sacile). Vittorio Veneto zu erreichen, bedeutete diese Nachschublinie zu durchtrennen und die 6. Armee zu lähmen. Um den Vorstoß auf Vittorio Veneto zu ermöglichen, sollte am Piave an der kritischsten österreichischen Stelle angegriffen werden, nämlich an der “Grenze” zwischen der 5. und der 6. Armee. Die Ziele nach Vittorio Veneto waren Feltre, also die Gegend im Rücken des Grappa-Massivs, wodurch dieses fallen musste, und die Täler Val Cismon und Valsugana, von wo aus das ganze Trentino bedroht werden konnte. Daneben wollte man über das Cadore-Tal (Belluno) auch nach Norden vorstoßen. Die italienischen Verbände wurden umfassend auf diesen Angriff vorbereitet, insbesondere auf die schwierige Überquerung des im Oktober Hochwasser führenden Piave (wie schon 1917 nach Karfreit) und auf das Halten großer Brückenköpfe östlich des Flusses (um schwierige Rückzugsgefechte wie die der Österreicher im Juni 1918 zu verhindern). Besondere Aufmerksamkeit schenkte man auch dem Nachschub. Zur besseren Führung der Großverbände wurden zwischen der Brenta und der Piavemündung Mitte Oktober neue Armeekommandos eingerichtet. Bis zum 15. Oktober erfolgten alle italienischen Truppenbewegungen fast ausschließlich nachts und unter strenger Geheimhaltung. Ab dem 15. Oktober konnte der Angriff beginnen, doch der ständige Regen und das Hochwasser zwangen zu einer Verschiebung. Am 18. Oktober verschlechterte sich das Wetter so sehr, dass eine Verschiebung um eine Woche unvermeidlich wurde.

Auf österreichischer Seite standen vom Stilfser Joch bis zur Piavemündung 63 Divisionen, 39 davon an vorderster Front. Zwischen Brenta und Ponte di Piave hatte Österreich-Ungarn 23 Divisionen, wovon 5 in Reserve gehalten wurden. Weitere 10 standen im rückwärtigen Gebiet bereit. Die italienischen Angriffskräfte bestanden aus 19 Divisionen, dazu kamen zwei britische und eine französische Division. 15 Infanteriedivisionen, 4 Kavalleriedivisionen und die tschechische Division bildeten die Reserve.

[Bearbeiten] Verlauf der Schlacht

Karte der US-Bundesregierung
Karte der US-Bundesregierung

Das italienische Artilleriefeuer begann zwischen Brenta und Piave am 24. Oktober 1918 um 03.00 Uhr (vgl. Karfreit 1917). Um 07.15 Uhr griff die Infanterie bei Nebel und dann Regen an. Die Wetterbedingungen erschwerten das Artilleriefeuer auf beiden Seiten, nicht aber den Nahkampf der Infanterie, der sofort mit äußerster Erbitterung geführt wurde. Auf dem Grappa-Massiv besetzten die Italiener zunächst den Monte Asolone, von dem man sich aber recht bald wegen österreichischer Gegenangriffe wieder zurückziehen musste. Auf dem Monte Pertica und dem Monte Pressolan spielten sich ähnliche Szenen ab. Das italienische Oberkommando ließ die Angriffe auf dem Grappa-Stock trotz des hartnäckigen Widerstands immer wieder wiederholen, um dort österreichische Truppen zu binden, die somit nicht am Piave eingesetzt werden konnten. Dort war der Angriff für die Nacht zum 25. Oktober vorgesehen, doch die Wetterbedingungen machten eine mehrtägige Verschiebung notwendig (in den frühen Morgenstunden des 24. Oktobers hatten britische und italienische Truppen bei Papadopoli befehlsgemäß einige Piave-Inseln besetzt). Zwischen Pederobba und Sant’Andrea di Barbarana lag der Pegelstand an den sonst flachsten Stellen bei etwa zwei Metern, das Wasser floss mit über drei Metern pro Sekunde. In der Zwischenzeit kämpfte man auf dem Grappa-Massiv mit aller Härte um den Col della Berretta, den Monte Pertica, den Monte Asolone u.a., nicht ohne Konsequenzen für die Österreicher, die dort nun ihre Reserven konzentrieren mussten.

Am Abend des 26. Oktobers begannen die italienischen Pioniere mit dem Bau von elf Brücken über den Piave (Molinello, 7 zwischen Fontana del Buoro und Priula, 3 bei Papadopoli). Zwischen Vidor und Nervesa, im Bereich der beiden italienischen Sturmdivisionen, konnten einige Brücken wegen des Hochwassers und des österreichischen Artilleriebeschusses nicht gebaut werden. Nur auf insgesamt sechs Brücken konnte der Piave überquert werden, ansonsten kamen Boote zum Einsatz.

Am Morgen des 27. Oktobers entstanden bei Valdobbiadene, Sernaglia und Cimaldolmo drei Brückenköpfe. Kurz darauf zerstörte das Hochwasser und die österreichische Artillerie mehrere Brücken, was die italienischen Brückenköpfe in erhebliche Bedrängnis brachte. Dennoch konnten diese in nördlicher und westlicher Richtung ausgebaut werden. Am Nachmittag des 27.10. begannen die Österreicher mit einem Gegenangriff, den die italienischen Strumtruppen bis in die Nacht hinein von den Brückenköpfen heraus zurückschlugen. Den ganzen 28. Oktober über arbeiteten die Italiener an ihren Brücken und kämpften gegen das Hochwasser und das österreichische Artilleriefeuer (z.T. Gasangriffe). Zwischen Falzè und Nervesa stand am Ende des Tages wiederum keine einzige Brücke, was zu einer Lücke zwischen der 8. und der 10. italienischen Armee führte. Ein komplettes Korps (XVIII.) wurde über die Brücken der 10. Armee geschickt, um auf Conegliano vorzustoßen und somit einem zentralen Korps (VIII., General Caviglia) am 29.10. die Flussüberquerung und den weiteren Vorstoß zu ermöglichen. Den Italienern gelang nun die Trennung der österreichischen Verbände und am 29. Oktober auch der Vorstoß auf Vittorio Veneto. Auch in den Bergen gelang bei Quero trotz des österreichischen Widerstands und des schwierigen Geländes ein entscheidender Durchbruch.

Auf dem Grappa-Massiv begannen die Österreicher am 27. Oktober eine Gegenoffensive. Acht Angriffe auf den Monte Pertica wurden von den Italienern in sechsstündigem Kampf abgewehrt. Auf dem Gipfel des Berges lagen danach Massen von toten Soldaten beider Seiten. Auch an den folgenden beiden Tagen kam es zu heftigen Kämpfen mit Artillerieeinsätzen. Die österreichischen Truppen kämpften auf dem Grappa-Massiv so verbissen (erneut mit dem Ziel, vom Grappa ins Tiefland durchzubrechen und die italienische Piavefront von hinten aufzurollen), dass sie zu vergessen schienen, was um sie herum und besonders am Piave geschah. Dort brach am 30. Oktober der österreichische Widerstand zusammen, woraufhin die Italiener gemäß ihrem Plan weiter vordrangen und die auf dem Grappa heldenhaft kämpfenden österreichischen Verbände in eine unhaltbare Situation brachten. Von einer Umfassung bedroht zogen sich die Österreicher in der Nacht vom 30. auf den 31. Oktober vom Grappa zurück.

An der Piavemündung erhielt nun auch die 3. italienische Armee, die unter dem Kommando von Herzog Emanuel von Aosta stand, den Angriffsbefehl. Auch hier kämpften die österreichischen Verbände zunächst mit aller Entschlossenheit, doch dann war der italienische Vormarsch nicht mehr aufzuhalten. Die Schlacht von Vittorio Veneto im engeren Sinn endete spätestens am 31. Oktober 1918 mit der völligen militärischen Niederlage Österreich-Ungarns. Danach taten die Italiener, was jede Armee nach einer kriegsentscheidenden Schlacht tun muss: sie nahmen die Verfolgung auf. Natürlich waren sie vor allem auch daran interessiert, vor Abschluss des Waffenstillstandsvertrages zumindest noch die alte Frontlinie von 1917 zu erreichen, wenn möglich noch Trient und Triest zu besetzen und im (für die Italienier) günstigsten Fall die gewünschten neuen Landesgrenzen in Südtirol und Istrien zu erreichen.

[Bearbeiten] Waffenstillstand von Villa Giusti

Sich vor Abschluss eines Waffenstillstandsvertrages noch in eine möglichst vorteilhafte Position zu bringen ist in der Militärgeschichte keine Neuigkeit. Auch die Österreicher gingen in die Verhandlungen mit dem Ziel, schnellstmöglich eine Einstellung der Kampfhandlungen herbeizuführen, um auf diese Weise eine für Österreich-Ungarn möglichst günstige Waffenstillstandslinie “einzufrieren”, von der man sich trotz der völligen militärischen Niederlage erst nach etlichen Monaten zurückzuziehen gedachte. Auf italienischer Seite gab es kritisierenswerte Vorgänge, die in Zusammenhang mit Verzögerungstaktiken standen. Diese können jedoch nicht immer herhalten als Ablenkung oder Entschuldigung für das, was auf österreichischer Seite in der Zeit vom 30. Oktober bis zum 3. November 1918 zwischen Padua, Trient und Wien geschah. Das Chaos und die verantwortungslose Vorgehensweise der Regierung in Wien war so gravierend und hatte an sich solch negative Auswirkungen auf Österreich-Ungarn, dass italienische Verzögerungsversuche völlig nebensächlich erscheinen müssen.

Österreichische Parlamentäre übergaben bereits am 29. Oktober 1918 in der Nähe des Gardasees ein schriftliches Waffenstillstandsersuchen. Am folgenden Tag traf eine österreichische Delegation unter General Viktor Weber von Webenau mit einer von General Pietro Badoglio geführten italienischen Delegation in Padua zusammen. Die österreichische Seite war beauftragt worden, schnellstmöglich einen Waffenstillstand auszuhandeln, der nicht den Charakter einer Kapitulation haben sollte. Die Italiener übergaben die aus Paris übermittelten Bedingungen der Entente (kurz darauf schickte Paris die genauen Klauseln, zu denen noch italienische Zusatzklauseln kamen), welche in der Substanz eine Kapitulation Österreich-Ungarns verlangten, was Webenau angesichts der Vorgaben aus Wien nicht akzeptieren konnte. Mit der harten Kapitulationsforderung konfrontiert und zugleich an die (angesichts der militärischen Lage) völlig unrealistischen Vorstellungen Wiens über einen Waffenstillstand gebunden, blieb Webenau nichts anderes übrig, als drei seiner Delegationsmitglieder (Schneller, Liechtenstein, Ruggera) nach Trient zu schicken, um den dortigen General Waldstätten um neue Verhandlungsvorgaben zu bitten. Dieser verwies auf die Führung in Wien. Auf einem ersten Treffen zwischen Kaiser Karl, seinen Ministern und Generalen traf man keine Entscheidung, sondern richtete eine Erklärung an die Völker Österreich-Ungarns. Auch auf folgenden Sitzungen wurden keine Entscheidungen getroffen, sondern Zuständigkeiten bezüglich des Waffenstillstands von einem Gremium zum anderen geschoben.

Während in Wien niemand Verantwortung übernehmen wollte, wartete man in Trient und Padua vergeblich auf klare Anweisungen. Österreichische Soldaten starben oder gerieten auf erniedrigende Weise in Gefangenschaft, weil die Führung in Wien Webenau in Padua allein ließ. Als die Italiener ungeduldig wurden und drohten, die Verhandlungen abzubrechen, trafen in Trient widersprüchliche Telegramme aus Wien ein. Zunächst akzeptierte man die Bedingungen der Entente und Italiens, dann widerrief der Kaiser sein Einverständnis. In der Zwischenzeit hatte man den österreichischen Truppen (3. November) aufgrund eines dieser Telegramme den Befehl gegeben, das Feuer einzustellen. Am Ort der Waffenstillstandsverhandlungen wusste man nicht nur nichts von der einseitigen österreichischen Feuereinstellung (nicht alle Verbände stellten das Feuer ein, weil sie nichts davon wussten oder wissen wollten), sondern auch sonst nichts von den Telegrammen, die zwischen Wien und Trient unterwegs waren. Als Webenau nach Entsendung eines weiteren Delegationsmitglieds nach Trient endlich die konfusen Telegramme zu Augen bekam, brachten ihn diese keinen Schritt weiter. Schließlich musste er allein eine Entscheidung treffen und unterschrieb den Waffenstillstandsvertrag. Die erste italienische Zusatzklausel legte eindeutig fest, dass die Kampfhandlungen 24 Stunden nach Vertragsunterseichnung einzustellen waren, um alle Einheiten auf beiden Seiten der Front über die Waffenstillstandsmodalitäten unterrichten zu können. Die Italiener hielten dies für vernünftig, die Österreicher für eine Verzögerungstaktik.

Die Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrages am 3. November 1918 um 15.00 Uhr legte die Einstellung der Kampfhandlungen rechtlich für beide Seiten bindend auf den 4. November um 15.00 Uhr fest. Die Ergebnisse der Beschlüsse von Padua (wohin die Vertreter Österreich-Ungarns auf Bitte ihrer Regierung gekommen waren) waren nicht nur formalrechtlich, sondern auch in der Substanz für beide Seiten entscheidend. Demzufolge erfüllten die italienischen Truppen bis zum 4. November 1918, 15.00 Uhr, befehlsgemäß und rechtmäßig ihre Pflicht. Italien kann (wie auch Weber von Webenau) nicht, auch nicht teilweise oder unterschwellig, die Schuld zugeschoben werden für die Art und Weise, wie die österreich-ungarischen Soldaten Anfang November 1918 den Krieg beenden mussten. Die Verantwortung liegt dort, wo noch vor der Unterzeichnung des Waffenstillstands einseitig der Befehl zur Feuereinstellung gegeben wurde. Bei der Kritik am italienischen Freudentaumel und manchem damit in Zusammenhang stehenden Fehlverhalten sollte man nicht vergessen, welches Regiment Österreich-Ungarn von November 1917 bis Oktober 1918 im Friaul und anderen besetzten italienischen Gebieten geführt hat.

Kurz nach dem Krieg veröffentlichte die neue österreichische Führung u.a. in der “Wehrzeitung” ihre Bewertung der Geschehnisse. Man gestand offiziell ein, dass die Front zwischen Etsch und Adria in den ersten Novembertagen, noch vor der Unterzeichnung des Waffenstillstands bzw. der einseitigen Feuereinstellung, völlig zusammengebrochen war; dass die österreichischen Forderungen nach einer Einstellung der Kampfhandlungen zeitgleich mit der Unterzeichnung des Waffenstillstands ungerechtfertigt weil technisch nicht realisierbar waren; dass sich das österreichische Oberkommando völlig im Ton vergriffen hatte, um der Weltöffentlichkeit weis zu machen, dass Italien ungerechtfertigter Weise versucht habe, soviele Gefangene wie nur möglich zu machen, um einen militärischen Sieg zu konstruieren, den es so überhaupt nicht gegeben habe. Auf diese Weise sollte Österreich-Ungarns Position bei späteren Verhandlungen verbessert werden.

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