Sieben Weise von Griechenland
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Sieben Weisen bezeichnen in der griechischen Antike eine Gruppe von bis zu 22 legendären griechischen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus dem 7./6. Jh.v.Chr.
Denken, Leben und Wirken dieser Weisen galt den antiken Hellenen als vorbildhaft und grundlegend für individuelles und gemeinschaftliches Wohlergehen.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Zugehörigkeit
Der Altphilologe Bruno Snell schreibt in seinem Buch über die Sieben Weisen:
- „Es ist keine Schande nicht zu wissen, wer all die Sieben Weisen waren, obwohl natürlich jedermann von ihnen hat läuten hören.“
Weiter meint Snell, niemand brauche sich einer Unbildung zu schämen, wenn seine Vorstellungen von den Sieben Weisen etwas nebelhaft sind, denn selbst im Altertum war nicht immer ganz klar, wer eigentlich dazu gehört. Thales, Bias, Pittakos und Solon finden sich in allen Aufzählungen. Die übrigen Namen variierten.
Moderne Philosophen wie Ernst Bloch oder Wilhelm Capelle rechnen die Sieben Weisen den Vorsokratikern zu.
Der italienische Schriftsteller Luciano De Crescenzo schreibt in seinem Buch über die Vorsokratiker:
- „Die Sieben Weisen waren zweiundzwanzig, nämlich: Thales, Pittakos, Bias, Solon, Kleobulos, Chilon, Periandros, Myson, Aristodemos, Epimenides, Leophantos, Pythagoras, Anacharsis, Epicharm, Akusilaos, Orpheus, Peisistratos, Pherekydes, Hermioneos, Lasos, Pamphilos und Anaxagoras.“
Der Grund für diese Anzahl war, dass sich die Verfasser der Philosophiegeschichten nur über die ersten vier Namen (Thales, Pittakos, Bias und Solon) einig waren. DeCrescenzo nennt sie salopp „die Spieler der Nationalmannschaft der Philosophen“, während die übrigen drei „Mitspieler“ von der „Reservebank“ geholt wurden, auf der achtzehn Spieler zur Auswahl saßen.
Im Übrigen wurden auch politische Persönlichkeiten in die Liste aufgenommen, um sich bei ihnen einzuschmeicheln.
[Bearbeiten] Zugehörigkeit nach Platon
Platon nennt in seinem Dialog Protagoras (343 a) – dem ältesten schriftlichen Zeugnis – folgende sieben Weisen:
- Thales von Milet, Kaufmann, Mathematiker und Naturphilosoph,
- Bias von Priene, Tyrann seiner Heimatstadt,
- Solon von Athen, Dichter, Philosoph und verdienter Politiker,
- Pittakos von Mytilene, Tyrann von Lesbos,
- Kleobulos von Lindos, Tyrann von Rhodos,
- Myson von Chenai, ein Bauer, und
- Chilon von Sparta, Mitglied des obersten Kontrollorgans, des Ephorats.
[Bearbeiten] Weitere Persönlichkeiten
Darüber hinaus wurden von unterschiedlichen Autoren folgende Persönlichkeiten zu den Sieben Weisen gezählt:
- Periandros von Korinth, Herrscher seiner Heimatstadt,
- Anacharsis der Skythe, ein Adliger und Beispiel eines weisen Barbaren,
- Aristodemos
- Epimenides der Kreter, Verfasser einer Götterlehre und Wundertäter,
- Leophantos
- Pythagoras von Samos,
- Epicharm
- Akusilaos aus Argos,
- Orpheus, Peisistratos von Athen,
- Peisistratos
- Pherekydes von Syros,
- Hermioneos,
- Lasos aus Hermione,
- Pamphilos und
- Anaxagoras.
Diese Überschreitung der Anzahl hängt mit der traditionell gerechten Wertschätzung für die Weisheit und Tüchtigkeit vieler Vorfahren zusammen und ist daher kein Widerspruch hinsichtlich des Zweckes dieser Bezeichnung. Die Astrologie der Antike kennt sieben das Geschick bestimmende Planeten. So sollte die Zahl Sieben vor allem die schicksalhafte Bedeutung dieser politisch und geistig wirkenden Gründungsväter anzeigen.
[Bearbeiten] Maximen
Luciano De Crescenzo erzählt eine Anekdote über die sieben „Tabellenführer der Weisheit“, die einen gemeinsamen Ausflug zum Orakel des Apollon in Delphi machten und dort vom ältesten Priester mit ehrenvoll empfangen wurden. Dieser ließ er sich die Gelegenheit nicht entgehen und bat jeden, eine Maxime an die Tempelwand zu schreiben.
Chilon von Sparta schrieb über dem Eingang den berühmten Spruch: „Erkenne dich selbst.“
Kleobulos schrieb rechts davon sein Motto „Alles mit Maß“ und Periandros links vom Portal: „Das Schönste auf der Welt ist die Ruhe“.
Solon wählte aus Bescheidenheit ein Eckchen und schrieb: „Lerne zu gehorchen, und du wirst lernen zu befehlen.“ Thales schrieb auf die Außenmauer des Tempels, sodass alle Pilger es sofort sehen mussten: „Gedenke der Freunde“.
Der exzentrische Pittakos meißelte vor dem Dreifuß der Pythia den Satz „Gib das Verwahrte zurück“ in den Boden.
Bias von Priene aber weigerte sich und meinte, es sei besser für alle, wenn er nichts schreibe. Erst auf das Drängen seiner Kollegen schrieb er den pessimistischen Satz „Die meisten sind schlecht.“
Dank der Maximen drang der Ruf der Sieben Weisen von Stadt zu Stadt. Ihre Worte dienten der Erziehung und sie wurden von den Rednern in der Politik oder vor Gericht zitiert.
[Bearbeiten] Gnome
Neben ihren Verdiensten um die Polis, das Gemeinwesen, der sie jeweils angehörten, wurden die Sieben Weisen vor allem auch wegen ihrer knapp formulierten Weisheiten, den Gnomen, geachtet und geschätzt. Folgende, und viele andere mehr, wurden sowohl im häuslichen als auch im öffentlichen Bereich gerne zitiert.
[Bearbeiten] Thales
- Γνῶθι σεαυτόν.
- Gnōthi seauton.
- „Erkenne dich selbst!“
- Weitere Sprüche
- Nicht dein Äußeres schmücke, sondern sei schön in deinem Tun.
- Was du den Eltern Gutes tust, das erwarte selbst im Alter von deinen Kindern.
- Sei nicht faul, selbst wenn du Geld hast.
- Besser beneidet als bemitleidet.
[Bearbeiten] Solon
- Μηδὲν ἄγαν.
- Mēden agān.
- „Nichts im Übermaß!“
- Weitere Sprüche
- Sitze nicht zu Gericht, sonst wirst du dem Verurteilten ein Feind sein.
- Fliehe die Lust, die Unlust gebiert.
- Hab nicht mehr Recht als deine Eltern.
- Lerne zu gehorchen und du wirst zu herrschen wissen.
[Bearbeiten] Chilon
- Ἐγγύα πάρα δ᾽ἄτα.
- Engya para d'ata.
- „Bürgschaft - schon ist Unheil da.“
- Weitere Sprüche
- Zu den Festen der Freunde geh langsam, zu ihrem Unglück schnell.
- Lass deine Zunge nicht deinem Verstand vorauslaufen.
- Beweg nicht beim Reden die Hand; das sieht aus, als wärst du verrückt.
- Bei Unrecht versöhn dich, bei Frechheit wehr dich.
[Bearbeiten] Pittakos
- Γίγνωσκε καιρόν.
- Gignōske kairon.
- „Erkenne den rechten Zeitpunkt!“
- Weitere Sprüche
- Was du vorhast, sage nicht; denn gelingt's dir nicht, wirst du verlacht.
- Was du dem Nächsten verdenkst, tu selber. nicht.
- Sprich nicht schlecht von deinem Freund und nicht gut. von deinem Feind, denn solches wäre unlogisch.
- Zuverlässig ist das Land, unzuverlässig das Meer.
[Bearbeiten] Bias
- οἱ πλειστoι κακoί.
- Hoi pleistoi kakoi.
- „Die Meisten sind schlecht.
- Weitere Sprüche
- Sieh in den Spiegel: wenn du schön aussiehst, musst du auch Schönes tun; wenn hässlich, musst du den Mangel der Natur durch Edelsein ausgleichen.
- Geh langsam ans Werk; aber was du begonnen, bei dem harre aus.
- Gewinne durch Überredung, nicht durch Gewalt.
- Was du Gutes hast, schreib den Göttern zu, nicht dir.
[Bearbeiten] Kleobulos
- Μέτρον ἄριστον.
- Metron ariston.
- „Maßhalten ist das Beste.“
- Weitere Sprüche
- Viel hören und nicht viel reden.
- Den Gegner des Volks als Feind ansehen.
- Aus gleichem Stande heiraten; aus besserem Stand gewinnst du Herren, keine Verwandten.
- Im Glück nicht stolz, im Unglück nicht niedrig sein.
[Bearbeiten] Periander
- Μελέτη τὸ πᾶν.
- Meletē τo pān.
- „Habe das Ganze im Sinn!“
- Weitere Sprüche
- Alles ist Übung.
- Die Lüste sind vergänglich, die Tugenden unsterblich.
- Schimpfe so, dass du schnell wieder Freund werden kannst.
- Halte dich an alte Gesetze, aber an frische Speisen.
[Bearbeiten] Platons Kommentar
Platon meint in seinem Dialog Protagoras (343a) zu diesen Sprüchen:
- „Solche Sprüche reden zu können, ist nur dem Weisen gegeben!“
[Bearbeiten] Das Gastmahl der sieben Weisen
Einen wesentlichen, politischen Einfluss hatte der tradierte Weisheitsschatz der Sieben Weisen auf die Entwicklung von Vorstellungen über den besten Staat. Plutarch beschreibt diese Bedeutung in seinem Dialog Das Gastmahl der sieben Weisen.
[Bearbeiten] Frage nach dem besten Staat
Auf die Frage nach dem besten Staat antworteten die Sieben Weisen unterschiedlich:
- Solon: „Der, in dem ein Verbrecher genau so von allen, denen er nichts getan hat, wie von dem einen, dem er etwas getan hat, angeklagt und bestraft wird.“
- Bias: „In dem alle das Gesetz wie einen Tyrannen fürchten.“
- Thales: „Der weder allzu Reiche noch allzu Arme hat.“
- Anacharsis: „In dem man alles andere gleich achtet, aber nach der Tugend den Vorzug und nach der Schlechtigkeit den Nachteil bemisst.“
- Kleobulos: „Wo die Bürger einen Tadel mehr fürchten als das Gesetz.“
- Pittakos: „Wo es nicht möglich ist, dass die Schlechten herrschen, und es nicht möglich ist, dass die Guten nicht herrschen.“
- Chilon: „Der am meisten auf Gesetze, am wenigsten auf Redner hört.“
[Bearbeiten] Frage nach dem besten Haus
Auf die Frage nach dem besten Haus antworteten sechs der Sieben Weisen:
- Solon: „Wo der Erwerb des Geldes keine Ungerechtigkeit, sein Bewachen kein Misstrauen, sein Ausgeben keine Reue bringt.“
- Bias: „Wo der Herr von sich aus so ist wie draußen wegen der Gesetze.“
- Thales: „Wo der Herr am meisten Muße haben kann.“
- Kleobulos: „Wo der Herr mehr hat, die ihn lieben als die ihn fürchten.“
- Pittakos: „Das nichts Überflüssiges begehrt und nichts Nötiges entbehrt.“
- Chilon: „Das am meisten dem von einem König regierten Staat gleicht.“
[Bearbeiten] Bedeutung
Die Überzeugung, es bedürfe Weiser, um das Staatswesen bestens regeln zu können, hat sich bis in unsere Zeit gehalten. Die Bezeichnung Die sieben Weisen wird für Beratergremien unterschiedlichster Art verwendet. Beispielsweise gab es bis vor kurzem den alljährlichen Wirtschaftsbericht der „Sieben Weisen“ oder ein Projekt der Expo02, „Die sieben Weisen“: Eine Gruppe von sieben Wissenschaftlern, Künstlern und Vertretern politischer Gremien erhielten den Auftrag, das Denken, Fühlen und Handeln von Schweizer Bürgern zu erforschen.
[Bearbeiten] Quellen
[Bearbeiten] Primärquellen
- Platon: Protagoras in Sämtliche Werke, Bd. I, Hamburg 1994.
- Plutarch: Moralphilosophische Schriften. Ditzingen 1997.
[Bearbeiten] Sekundärquellen
- Hans Lamer und Paul Kroh: Wörterbuch der Antike. Mit Berücksichtigung ihres Fortwirkens. Kroener-Verlag, 2002. ISBN 978-3520096104
- Bruno Snell: Leben und Meinungen der Sieben Weisen. Griechische und lateinische Quellen. München: Heimeran-Verlag, 1952
- Herwig Görgemanns: Die griechische Literatur in Text und Darstellung. Bd. I (hg. von Joachim Latacz) Archaische Periode. Stuttgart 1998, 2. Auflage.
- Wilhelm Capelle : Die Vorsokratiker – Fragmente und Quellenberichte. Kröner-Verlag, 1968, ISBN 3520119080
[Bearbeiten] Weblinks
- www.hellenica.de (Die sieben Weisen)
- www.antikreisen.de (Die sieben Weisen)