Ständeaufstand in Böhmen (1618)
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Der Ständeaufstand in Böhmen war ein Widerstand des böhmischen Adels im Kampf um den über hundert Jahre währenden politische Übermacht der Habsburger in Böhmen. Er war aber auch Folge der mitteleuropäischen religiösen, wirtschaftlichen und politischen Krise zu Beginn des 17. Jahrhunderts.
Ende des 15. Jahrhunderts existierten in Böhmen zwei religiöse Lager. Die Anhänger der Lehre des Abendmahlskelches (Hussiten, später Böhmische Brüder oder Brüderunität), die inzwischen einen Großteil der Gläubigen in Böhmen zählte sowie die Katholiken. Die Brüderunität und deren Vertreter wurden durch die römische Kirche immer wieder unter Bann gestellt und deren Wirken verboten. Deren Kirchen wurden geschlossen, die Bücher verbrannt.
1609 erließ Kaiser Matthias ein Dekret, in dem er als Dank für die Unterstützung der böhmischen Stände im Kampf gegen Rudolf, die Religionsfreiheit verbriefte und den Glaubenszwang durch Landsherren untersagte. Zum Schutz der nichtkatholischen Gläubigen wurde ein Defensorkollegium eingerichtet, das aus 10 Bürgerlichen, 10 Rittern und 10 Vertretern des Herrenstandes bestand.
Als 1612 Matthias seinen Sitz nach Wien verlegte, kam es in Böhmen durch seine Statthalter zur Stärkung der katholischen Kräfte. 1615 verschärfte sich dann die religiöse aber auch politische Situation in ganz Europa. Die Waffenruhe zwischen dem protestantischen Niederlande und dem erzkatholischen Spanien hielt nicht mehr, offene kriegerische Auseinandersetzungen waren vorhersehbar. Auch die Thronnachfolge für den inzwischen schwer erkrankten Matthias in Böhmen war von vornherein mit Konflikt belastet. In Frage kam ein spanischer Thronfolger der Habsburger ein gewisser Oñara, aber auch Friedrich aus der Habsburger Linie in Steiermark. Die Habsburger Machthaber entschlossen sich schließlich für den kompromisslosen Vorkämpfer gegen Häretiker Ferdinand
Der böhmische Adel erkannte diese Entscheidung nicht an. Sie wollte weiterhin in ihrer Wahl die freie Hand behalten und die Rechte der Stände aufrecht halten. Beschlüsse der Ständeversammlung sollte auch der böhmische König akzeptieren. Die ersten Auseinandersetzungen mit dem neuen Herrscher belasteten das Verhältnis gleich vom Beginn an. Die Böhmen weigerten sich aber auch gegen die neuerliche höhere Steuerbelastung und Einschränkungen in Glaubensfragen.
1617 mündete der innere Konflikt in offene Feindschaft. Als die Katholische Liga in Braunau eine evangelische Kirche schloss und auf dem erzbischöflichen Ländereien in Klostergrab ein nichtkatholische Kirche abgerissen wurde, versammelten sich die Adeligen im März 1618 und verfassten ein an Matthias gerichtetes Protestschreiben. Dieser verbot daraufhin weitere Standesversammlungen.
Der Ungehorsam der protestantischen böhmischen Stände hielt an. Am 21. Mai 1618 trafen sie sich im Prager Karolin. Nicht dabei waren Vertreter der Königsstädte. Aus einer zunächst ruhig verlaufenden Versammlung wurde schließlich nach einer Rede von Heinrich Matthias von Thurn eine tumultartige Veranstaltung.
Am 23. Mai 1618 begaben sich einige der Teilnehmer, darunter Matthias Thurn, Albrecht Smiřický, Graf Andreas Schlick, Wenzel von Ruppa, Brüder Říčan, Brüder Kinsky, Bruder des Wilhelms von Slawata, Colonna von Fels und Wilhelm von Lobkowicz schließlich auf die Prager Burg. Nach einem langen Streitgespräch mit den dort weilenden Statthaltern Ladislaus von Sternberg, Diepold von Lobkowicz, Jaroslav Borsita von Martinic und Wilhelm Slavata, hielten sie ein improvisiertes Gericht ab und warfen die kaiserlichen Statthalter Slavata und Martinitz aus den Burgfenstern, die sich dabei nur leicht verletzte und mit einem Schrecken davonkamen.
Nach der Defenestration wählten die Aufständischen am 24. Mai 1618 aus ihren Reihen ein dreißigköpfiges Direktorium und enthoben die bisherigen Regenten ihrer Macht. Das Direktorium bestand aus jeweils zehn Vertretern des jeweiligen Standes. Zum Vorsitzenden wurde Wenzel Wilhelm von Ruppau gewählt, Matthias Thurn wurde Oberbefehlshaber der Armee, mit deren er Aufbau kurz danach begonnen hatte.
Damit kam es auch zum endgültigen Bruch mit den Herrschern in Wien, das auf die Situation in Prag zunächst konzeptlos und verwirrt reagierte. Der von Ereignissen überraschte Kaiser Matthias, kein Mann schneller Entschlüsse wusste nicht weiter, der designierte Nachfolger, Erzherzog Ferdinand bewarb sich zum gleichen Zeitpunkt in Pressburg um die Stephanskrone. Der erste Minister Melchior Khlesl war ratlos.
Der Hintergrund dieser Tat, der Wunsch der Böhmen nach religiöser Freiheit, fand wenig Resonanz im Bürgertum und beim Volk. Die Rebellen handelten ohne Absprache aus eigenem Impuls heraus ohne die Vertreter der restlichen Stände hinzuzuziehen. Die innere Schwäche, an der die Bewegung von Anfang litt, versuchten sie durch Anknüpfung von Kontakten mit der Protestantischen Union in Niederlande und Kalvinisten in England zu kompensieren. Gleichzeitig erhoffte sie sich von dort militärische aber auch finanzielle Unterstützung, jedoch mit nur wenig Resonanz. Lediglich Mähren schloss sich am 2. Mai 1619 dem Widerstand an.
In der Anfangsphase wurde von den Adeligen die Vorherrschaft der Habsburger noch anerkannt. Nichtsdestotrotz begannen sie mit der Vertreibung der Jesuiten und Konfiszierung des katholischen Vermögens zur Finanzierung ihrer Feldzüge.
Nach dem Tod des Kaisers Maximilian im März 1619 verweigerten sie dem Nachfolger Ferdinand von der Steiermark gänzlich die Gefolgschaft, zudem sich die Lage für die Rebellen durch innere Krise im Haus der Habsburger besserte. Karl der Ältere von Žerotín wurde als Verwalter Mährens zur Übergabe seiner Macht an den kämpferischen Ladislav Velen von Zerotein gezwungen.
Am 31. Juli 1619 wurde die neue Verfassung verabschiedet. Böhmen wurde zu einer Konföderation gleichberechtigter Länder, angeführt von einem wählbaren Herrscher. Dieser Konföderation schloss sich auch ein Teil des österreichischen Adels an. Am 19. August 1619 wurde Ferdinand endgültig abgesetzt und am 26. August 1619 der Anführer der deutschen Kalvinisten Friedrich von der Pfalz zum König gewählt. Das Direktorium hoffte dabei, Engländer für ihre Sache zu gewinnen, aber auch Dänen und den holländischen Statthalter Maurice von Oranien.
Im Machtkampf konnten sich die Aufständischen zu Beginn durchsetzen. Teilweise bedrohten sie auch die Vormachtstellung der Habsburger in Wien, die in sich noch zerstritten war. Die böhmische Sache und politische Schwäche Wiens nutzte auch Gabriel Bethlen, der in die Slowakei einfiel. Unter seinem Einfluss beschloss das ungarische Parlament im Januar 1620 sich der böhmischen Konföderation anzuschließen.
Aber Unstimmigkeiten in eigenen Reihen, Eifersüchteleien und mangelnde finanzielle Unterstützung durch den böhmischen Adel hemmte den Erfolg der Rebellen.
Der habsburgische Kaiser vergewisserte sich indes der finanziellen und ideellen Unterstützung der spanischen Krone, des Papstes und vor allem der katholischen Liga. Ferdinand verband sich mit Maximilian von Bayern, dem er im Falle des Sieges die kurfürstliche Stimme des Friedrich von der Pfalz versprach. Auch die Sachsen unter Führung des Johann Georg von Sachsen, die der Expansionspläne nach Lausitz und Schlesien hatten, schlossen sich der katholischen Liga an. Am 3. Juli 1620 wurde schließlich auch ein Neutralitätsabkommen zwischen der protestantischen Union und der katholischen Liga geschlossen.
Die Übermacht des Kaisers Ferdinands wuchs damit, während die böhmischen Adeligen zusehends in Isolation gerieten. Nach der Kapitulation der österreichischen Stände 20. August 1620 und deren Absplittung von der Konföderation, begann man mit der Vorbereitung des Zuges der kaiserlichen Armee, unterstützt durch Heere Liga auf Böhmen. 1620 marschierten die Truppen unter der Führung des Generals Peter Ernst Graf von Mansfeld über Gratzen ein, nahmen Richtung auf Budweis und belagerten Westböhmen. Christian von Anhalt zog mit einem zweiten Heer über Mähren nach Böhmen. Am Hügel vom Weißen Berg bei Prag nahmen sie strategisch wichtige Positionen ein. Als das böhmischen Ständeheer, ein Haufen undisziplinierter, ermüdeter und schlecht bezahlter Söldner, am 8. November 1619 schließlich eintraf, wurde die Schlacht innerhalb von zwei Stunden zu Gunsten der Liga entschieden.
König Friedrich floh mit Vertretern des Direktoriums und seinem Hof ins Ausland. Die Söldner des Direktoriums zogen sich in nach Prag zurück. Als der versprochene Sold ausblieb, begannen sie mit Plünderungen und begaben sich in Dienste des katholischen Generals Grafen Karl Bonaventure Buquoy.
Die Macht übernahm die kaiserliche Armee unter Verwaltung von Karl von Liechtenstein, Paul Graf Michna von Waitzenau (tschechisch Pavel Michna z Vacínova), Adam von Waldstein, Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein und Bonaventur Buquoy in Böhmen und Franz Xaver von Dietrichstein in Mähren.
Der Teil des Direktoriums, dem die Flucht nicht mehr gelang wurden inhaftiert und 43 von ihnen zum Tod verurteilt. Am 21. Juni 1621 wurden 27 von ihnen in der Prager Altstadt exekutiert. Drei der Hingerichteten, Joachim Andreas von Schlick, Wenzel von Budovec und Christoph Harant von Polschitz und Weseritz, kamen aus dem Herrenstand, sieben waren Ritter und 17 Vertreter des Bürgertums. Das Vermögen der Exilanten und der Hingerichteten wurden konfisziert, darunter 115 Herrschaften und Höfe.
Die Folgen des Aufstandes waren für die böhmische Nation katastrophal und verstärkten die zentralistische Machtposition der Habsburger. 1627 wurde in Wien eine neue Verfassung ratifiziert, in der das Erbrecht der Habsburger auf den böhmischen Thron festgeschrieben wurde, die katholische Lehre als einzige Religion zugelassen wurde und die deutsche Sprache der tschechischen gleichgestellt. Den böhmischen Ständen wurde das Recht der Königswahl und -bestätigung aberkannt. Die Gesetzgebung lag in Böhmen ebenfalls in den Händen des Königs, lediglich in Mähren hatten die Stände das Recht der Gesetzesinitiative zugesprochen bekommen. Die Bodenreform wurde nach feudalistischen Normen neu organisiert, konnte durch die Krone jederzeit konfisziert und neu verteilt werden. Die Machtstellung der Städte und des Bürgertums wurde stark beschnitten.
[Bearbeiten] Literatur
- Golo Mann: Wallenstein, 133ff ISBN 3103479042
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