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Stanisław Jerzy Lec

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Stanisław Jerzy Lec
Stanisław Jerzy Lec

Stanisław Jerzy Lec (* 6. März 1909 als de Tusch-Letz in Lemberg, Polen (heute Ukraine); † 7. Mai 1966 in Warschau, Polen) war ein polnischer Aphoristiker.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

"Wenn es nichts zu lachen gibt, kommen Satiriker auf die Welt." [1]

Lec kam am 6. März 1909 in Lwów (Lemberg) zur Welt, in einer großbürgerlichen Familie, die in Czortków in Galizien ansässig war. Sein Vater, Benno Letz de Tusch, war Bankdirektor. Die Mutter Adele, Tochter von Jan de Safrin, soll von sephardischen Juden abstammen. Die Schreibweise Letz entspricht den k.u.k. Urkunden. 1914 floh die Familie nach Wien, nachdem die Russen Ostgalizien eroberten.

1927 bis 1933 studierte Lec in Lemberg Polonistik und Jura (magister juris). Anschließend ging er nach Warschau, wo er als Lyriker und auch als Satiriker für verschiedene Blätter schrieb (Szpilki, Sygnały, Lewar, Lewy Tor, Skamander und Czarno na Białem), die zu einem Teil der linken intellektuellen Szene zuzuordnen sind. Sein erster Gedichtband Farben erschien 1933. 1935 erschien Zoo. Mit den 1936 in Warschau erschienen Pathetischen Satiren fand er seinen Stil.

Beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ging Lec wieder nach Lemberg. Dort arbeitete er für die sowjetische Propaganda. Hier wurde er nach dem Einmarsch deutscher Truppen 1941 verhaftet und in das Konzentrationslager Tarnopol gebracht, wo er 1943 befreit wurde. In der Folgezeit schloss er sich den polnischen Partisanen an. Nach der Befreiung arbeitete Marcel Reich-Ranicki unter dem 35jährigen Lec in einer Propaganda- und Übersetzungseinheit der polnischen Armee [2]. Er war Mitglied der kommunistischen Partei PPR und des kommunistischen Widerstands GL/AL.

1945 wirkte Lec bei der Neugründung der satirischen Zeitschrift Szpilki mit und gab 1946 Gedichte in dem Band Feldnotizbuch heraus. Im gleichen Jahr veröffentlichte er den Satireband Spaziergang eines Zynikers.

1949 bis 1950 lebte er als Presseattaché in Wien. Seiner Abberufung kam er durch eine Übersiedlung nach Israel zuvor, kehrte jedoch 1952 nach Warschau zurück. 1948 veröffentlichte er Das Leben ist ein Scherzgedicht, 1950 Neue Gedichte, die bereits 1949 teilweise in Wien unter dem Titel Über Brücken schreitend auf deutsch erschienen waren. Die Gedichte aus seiner Zeit in Israel erschienen 1956 in der Jerusalemer Handschrift. Mit den polnischen Ereignissen im Oktober 1956, die zu einer Liberalisierung der stalinistischen Politik Polens führten, begann seine Karriere als polnischer Aphoristiker.

Lec starb am 7. Mai 1966 in Warschau. Er erhielt – Ironie des Schicksals! – ein Staatsbegräbnis mit militärischen Ehren und wurde auf dem Militärfriedhof Powązki bei Warschau beigesetzt.

Inspiriert wurde Lec auch vor allem durch seine Übersetzungen von Gedichten von Goethe, Grillparzer, Lessing, Morgenstern und vor allem von Heine, aber auch Kraus und Ringelnatz. Neben den Unfrisierten Gedanken (1959) veröffentlichte er Aus tausendundeinem Scherzgedicht (1959), Ich spotte und fragte nach dem Weg (1959), An Abel und Kain (1961), Steckbrief (1963), Gedichte auf dem Sprung (1964). 1964 erschienen auch die Neuen unfrisierten Gedanken und 1966 Epigrammlese.

In der 1970er Jahren, der Zeit der beginnenden freundlicheren Ostpolitik, wurden regelmäßig in der ZEIT eine Handvoll Aphorismen des – damals schon verstorbenen – polnischen Autors Stanisław Jerzy Lec veröffentlicht. Lecs Aphorismen warfen ein eigentümliches Licht auf einen stalinistisch geprägten polnischen Staat, von Polizisten beherrscht und mit dem seltsamen, beklemmenden Anspruch, das Denken kontrollieren zu wollen.

Die Übersetzung von Karl Dedecius wirkt sehr präzise. Jede Sentenz enthält eine knapp erzählte Geschichte. Man fühlt das Umfeld und ahnt die Hintergründe. Manchmal gibt es anfangs ein kleines Lächeln beim Lesen, das jedoch häufig einer Beklemmung weicht.

"Wenn ich ein zweites Mal geboren werde, laß ich mich gleich unter einem falschen Namen eintragen." [3]

[Bearbeiten] Zitate

  • Zitiert nach: Alle unfrisierten Gedanken, München 1982

Aus Unfrisierte Gedanken:

Die Uhr schlägt. Alle. (S. 9)
Am Anfang war das Wort – am Ende die Phrase. (S. 15)
Die Fetten leben kürzer. Aber sie essen länger. (S. 17)
Hinter jeder Ecke lauern ein paar Richtungen. (S. 47)
Wir fordern einen achtstündigen Gedankentag. (S. 49; ähnlich in NuG: S. 87))

Aus Neue unfrisierte Gedanken:

Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf. (S. 55)
Um an die Quelle zu kommen, muß man gegen den Strom schwimmen. (S. 76)
Ich hätte viele Dinge begriffen, hätte man sie mir nicht erklärt. (S. 92)
Ich bin Optimist. Ich glaube an den erlösenden Einfluss des Pessimismus. (S. 98)

Aus Letzte unfrisierte Gedanken:

Ich flicke dem Menschen am Zeug, um seine Nacktheit zu bedecken. (S. 118)
Kannibalen bevorzugen Menschen ohne Rückgrat. (S. 120)

Aus Spätlese unfrisierter Gedanken:

Menschen werden geboren im sozialen Auftrag aus Privatinitiative. (S. 206)
Der Anker ist das Symbol der Hoffnung. An einer Kette. (S. 279)
Wer den Himmel auf Erden sucht, hat im Erdkundeunterricht geschlafen. (S. 296)

[Bearbeiten] Werke (auf polnisch)

  • 1933 Barwy (Farben)
  • 1946 Spacer cynika (Spaziergang eines Zynikers)
  • 1946 Notatnik polowy (Feldnotizbuch)
  • 1948 Życie jest fraszką (Das Leben ist ein Scherzgedicht)
  • 1950 Nowe wiersze (Neue Gedichte)
  • 1956 Rękopis jerozolimski (Jerusalemer Handschrift)
  • 1957 Myśli nieuczesane (Unfrisierte Gedanken)
  • 1959 Z tysiąca i jednej fraszki (Aus tausendundeinem Scherzgedicht)
  • 1959 Kpię i pytam o drogę (Ich spotte und fragte nach dem Weg)
  • 1961 Do Abla i Kaina (An Abel und Kain)
  • 1963 List gonczy (Steckbrief)
  • 1964 Myśli nieuczesane nowe (Neue unfrisierte Gedanken)
  • 1964 Poema gotowe do skoku (Gedichte auf dem Sprung)

[Bearbeiten] Werke (auf deutsch)

[Bearbeiten] Einzelbände

  • Über Brücken schreitend. Gedichte. Mit einem Vorwort von Franz Theodor Csokor, Zwei Berge, Wien 1950
  • Unfrisierte Gedanken. Herausgegeben und aus dem Polnischen übersetzt von Karl Dedecius. Bilder von Herbert Pothorn, Hanser, München 1959
  • Neue unfrisierte Gedanken. Herausgegeben und übertragen von Karl Dedecius. Bilder von Daniel Mróz, Hanser, München 1964
  • Letzte unfrisierte Gedanken. Aphorismen. Herausgegeben und aus dem Polnischen übertragen von Karl Dedecius. Mit fünf Zeichnungen von Heinz Edelmann, Hanser, München 1968
  • Spätlese unfrisierter Gedanken. Herausgegeben und aus dem Polnischen übertragen von Karl Dedecius, Hanser, München 1976

[Bearbeiten] Sammelbände

  • Das große Buch der unfrisierten Gedanken: Aphorismen, Epigramme, Gedichte und Prosa, Hanser, München 1971
  • Alle unfrisierten Gedanken, Hanser, München 1982
  • Allerletzte unfrisierte Gedanken, Hanser, München 1996
  • Steckbriefe. Epigramme, Prosa, Gedichte. Herausgegeben und übertragen von Karl Dedecius, Hanser, München 1986
  • Sämtliche unfrisierte Gedanken. Dazu Prosa und Gedichte, Hanser, München 1996
  • Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf. Unfrisierte Gedanken zur Macht – ausgewählt von Heiner Geißler, illustriert von Jiří Slíva, Sanssouci/Hanser, München 2001

[Bearbeiten] Literatur

  • Dedecius, Karl: Letztes Geleit für Stanislaw Jerzy Lec, München: Hanser 1966
  • Krupka, Peter: Der polnische Aphorismus. Die ›Unfrisierten Gedanken‹ von Stanisław Jerzy Lec und ihr Platz in der polnischen Aphoristik (= Slavistische Beiträge, Band 104), München: Sagner 1976
  • Bak, Pawel: Die Metapher in der Übersetzung. Studien zum Transfer der Aphorismen von Stanislaw Jerzy Lec und der Gedichte von Wislawa Szymborska (= Danziger Beiträge zur Germanistik, Band 20), Frankfurt: Lang 2007, ISBN 978-3-631-55757-0

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Quellen

  1. Die meisten Angaben zu Leben und Werk finden sich im Nachwort von Karl Dedecius zu Alle unfrisierten Gedanken, Hanser, München 1982, S. 307ff. Zitat: aaO, S. 307
  2. Marcel Reich-Ranicki: Mein Leben, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1999
  3. Aus Spätlese unfrisierter Gedanken, aaO, S. 194
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