Taktik (Fußball)
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Fußball ist ein Sport, bei dem die Taktik spielentscheidend sein kann. Da es sich um einen Mannschaftssport handelt, ist es wesentlich komplizierter, die gewinnbringende Taktik zu finden als in einer Individualsportart.
Die Taktik beim Fußball ist die festgelegte Spielweise einer Mannschaft. Die richtige Taktik zu finden hängt von vielen Faktoren ab. Die Fähigkeiten der einzelnen zur Verfügung stehenden Spieler, wie Fußballtechnik, Beweglichkeit, Schnelligkeit, Ausdauer etc., gehören genau so dazu, wie die mannschaftliche Entwicklung, wozu die Mannschaftsstruktur, der Ausbildungsstand bei immer wiederkehrenden Spielsituationen etc. gehören. Außerdem ist die richtige Analyse des Gegners wichtig.
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[Bearbeiten] Mannschaftstaktik
[Bearbeiten] Die Spielsysteme im Überblick
Die bekannteste Form der taktischen Ausrichtung ist das Spielsystem. Ein Spielsystem beschreibt idealerweise, wo sich die Spieler einer Mannschaft auf dem Spielfeld in etwa zu positionieren haben. Diese unterschiedlichen Aufstellungen werden gewählt, je nachdem, ob eine Mannschaft eher offensiven oder defensiven Fußball spielen will. Innerhalb eines Spieles kann jedoch auf den Spielverlauf Bezug genommen und Positionen umgestellt werden. Man bezeichnet ein Spielsystem normalerweise mit einer Drei-Zahlen-Kombination (beispielsweise 4-4-2, sprich: viervierzwei), wobei die erste Zahl die Anzahl der Verteidiger, die zweite Zahl die der Mittelfeldspieler und die dritte Zahl die der Stürmer bezeichnet. Der Torwart wird bei der Bezeichnung eines Spielsystems weggelassen, da die Position in jedem Spielsystem gleich, nämlich einfach besetzt ist. Die Spielsysteme zeichnen sich generell dadurch aus, dass eine hohe Zahl von Verteidigern (5-4-1) für eine defensive, eine hohe Zahl von Stürmern (4-3-3) für eine offensive Ausrichtung spricht. Variationen der Drei-Zahlen-Kombinationen sind Vier-Zahlen-Systeme, wie z. B. das 4-3-2-1-System, welches 4 Verteidiger, 3 defensive und 2 offensive Mittelfeldspieler sowie einen Stürmer vorsieht.
Ein Spielsystem kann außerdem defensiv oder offensiv interpretiert werden. So ist nominell ein 3-5-2-System mit einem Libero und zwei Manndeckern in der Verteidigung, einem offensiven, zwei defensiven Mittelfeldspielern und zwei Flügelspielern im Mittelfeld, sowie zwei Stürmern offensiver ausgerichtet (ein Mittelfeldspieler mehr, ein Verteidiger weniger) als das 4-4-2-System. Während das eine System (3-5-2) mit Manndeckung agiert und somit drei Verteidiger (plus defensives Mittelfeld) in der Abwehr bindet, wird im 4-4-2-System mit Raumdeckung verteidigt, was letztendlich doch eine offensivere Ausrichtung der Verteidiger und gleichzeitig einen kompakteren Aufbau des Spiels mit sich bringt. Normalerweise ist somit eine 4-4-2-Spielweise offensiver als das 3-5-2-System.
[Bearbeiten] Die modernen Spielsysteme
[Bearbeiten] 4-4-2
Das 4-4-2-System ist eine der häufigsten Aufstellungen im heutigen Fußball. Die vier Abwehrspieler spielen ohne Libero und versuchen, den Torerfolg des Gegners zu verhindern, die beiden Innenverteidiger häufig "Mann-gegen-Mann" gegen die gegnerischen Stürmer. Die beiden Außenverteidiger haben die Aufgabe der Stabilisierung der Verteidigung, sie sollen jedoch darüberhinaus über die Außenbahn das Spiel nach vorn tragen. Die Mittelfeldspieler haben die Aufgabe, sowohl die Abwehr als auch den Sturm zu unterstützen: in der Regel gibt es einen zentralen Mittelfeldspieler, der das Spiel in der Offensive aufbauen soll, als zusätzlicher Stürmer fungiert und den Abschluss sucht. Zwei der vier Mittelfeldspieler sollen beim 4-4-2-System über die Außenbahnen kommen und Flanken von der Mittellinie in den Sturm schlagen, jedoch genauso den Gegner daran hindern, über die Außenbahnen zu spielen. Ein weiterer Mittelfeldspieler ist eher defensiv ausgerichtet und hat oft die besondere Aufgabe, den offensiven Mittelfeldspieler der gegnerischen Mannschaft, den "Spielmacher", zu bewachen und in seiner Entfaltung zu behindern. Die Mittelfeldspieler versuchen, den beiden Stürmern Bälle für Torschüsse aufzulegen oder selbst Tore aus aussichtsreicher Position zu erzielen. Ein Vorteil des 4-4-2-Systems sind die beiden Vierer-Reihen. Wenn diese in Kette stehen und sich entsprechend aufbauen, bilden sie eine nahezu undurchdringliche Abwehrmauer. Nachteil dieser defensiven Ausrichtung kann aber sein, dass die Mannschaft Probleme hat, den Ball nach vorn zu bringen und im Offensivbereich aktiv zu werden. Die Spieler haben wenig Anspielstationen und sind in ihrer Kreativität eingeschränkt. Gerät eine Mannschaft in Rückstand, kann es deswegen erforderlich werden, auf offensivere Systeme zurückzugreifen, wie z.B. aufs 4-3-3 oder 3-4-3. Bei 4-4-2-Systemen, die auch offensiv Akzente setzen sollen, wird das Mittelfeld, die vordere Vierer-Reihe, oft auch als Raute positioniert. Dabei behalten die äußeren Mittelfeldspieler ihre Position, aus den beiden inneren Mittelfeldspielern wird einer offensiv und einer defensiv. Der defensive, der unmittelbar vor der Abwehr-Viererkette steht, ist Vorstopper, Manndecker des eventuell vorhandenen dritten, gegnerischen Stürmers und auch Verteiler an die Flügel. Der offensive stärkt die Bemühungen in der Offensive. Als Mittelfeldregisseur (wie beispielsweise Diego Maradona, Michael Laudrup, Bernd Schuster oder Gheorghe Hagi) gilt der offensive Mittelfeldspieler, der die Breite des gesamten Platzes ausnutzen und die Bälle so in den Sturm verteilen kann.
[Bearbeiten] 3-4-3
Das 3-4-3-System wird im internationalen Fußball sehr selten eingesetzt, da es sehr risikoreich ist. Die 3 Verteidiger spielen Mann gegen Mann, wobei sich der freie Abwehrspieler immer wieder ins Offensivgeschehen einschaltet. Im Mittelfeld kann mit Raute (1 Defensiver, 2 Außen, 1 Offensiver) oder im Quadrat (2 Defensive, 2 Offensive) gespielt werden. Die Raute eignet sich besonders gut, wenn die Mannschaft über einen klassischen Regisseur verfügt, der als Offensiver die gesamte Breite ausnutzen kann und die Bälle als Spielmacher verteilt. Mit dem Quadrat wird das Spielfeld für den Gegner sehr eng, und ein schneller Ballbesitz wird erzwungen. Die 3 Stürmer spielen variabel und tauschen Ihre Positionen ständig.
[Bearbeiten] 4-3-3
Diese Aufstellung ist stärker offensiv ausgerichtet. Drei Mittelfeldspieler versuchen, Abwehr und Sturm zusammenzuhalten. Sie unterstützen einerseits die Abwehr, andererseits versuchen sie die Bälle zu den drei Stürmern zu befördern. Die drei Stürmer teilen sich die vorderste Position auf, wahlweise zwei oder einer kommen über die Außen, einer oder zwei füllen die Position des Mittelstürmers aus. Meistens spielt man bei diesem System mit 2 flankenstarken und trickreichen Außenstürmern und einem kopfballstarken Mittelstürmer. Die Aufstellung wird häufig am Ende eines Spieles verwendet, wenn die eigene Mannschaft einen Rückstand aufholen muss. Vor allem niederländische Trainer verwenden dieses System seit Jahren.
[Bearbeiten] 5-3-2
Diese sehr defensive Aufstellung hat drei zentrale Abwehrspieler. Die anderen beiden müssen neben ihren Abwehraufgaben über die Außenbahn das Spiel nach vorn tragen und flanken. Die Position der Außen hat hier eine besonders wichtige Rolle, da diese sowohl die Abwehr als auch den Sturm unterstützen und daher große Laufarbeit verrichten müssen.
[Bearbeiten] 3-5-2
Die Aufstellung ist vergleichbar mit dem System 5-3-2, einziger Unterschied: Die beiden Spieler an den Außenlinien sind etwas offensiver ausgerichtet.
Ein 3-5-2 kann aber auch variabler als 3-2-3-2 ausgelegt werden, also mit je einem zentralen Mittelfeldspieler links und rechts, einem rechten und einem linken Offensivspieler sowie zwischen den beiden einem zentraloffensiven "Spielmacher".
[Bearbeiten] 5-4-1 und 4-5-1
Diese Aufstellung ist sehr defensiv ausgerichtet. Sie wird häufig verwendet, um ein Ergebnis zu halten und auf Konter zu spielen. Auch wenn der Gegner sehr stark ist und ein Unentschieden für die Mannschaft schon ein großer Erfolg wäre, versucht man mit dieser Taktik, den starken Gegner am Tore schießen zu hindern und mit etwas Glück eine schnelle Attacke zu spielen. Bei der Fussball-Weltmeisterschaft 2006 standen sich mit Italien und Frankreich zwei Mannschaften gegenüber, die dieses System praktizierten. Ein Resultat ist, dass verhältnismäßig wenig Tore fielen.
[Bearbeiten] 3-3-4
Das 3-3-4-System ist die wohl offensivste Aufstellung, die im Profifußball eingesetzt wird. Vor einigen Jahren wurde es insbesondere von Ajax Amsterdam eingesetzt.Dabei müssen mindestens zwei der Stürmer aber auch defensive Aufgaben übernehmen.
[Bearbeiten] Die historischen Spielsysteme
Fußball ist historisch mit dem Rugby verwandt. Deshalb ähnelten sich zu Anfang auch die Spielsysteme. Trotzdem ähnelten diese Fußballspiele stark denen der heutigen Spiele bei Kindern: dort, wo der Ball ist, sind auch fast alle Spieler. Dementsprechend sieht auch das erste Spielsystem aus: 1 Torwart, 1 Verteidiger und 9 Stürmer. Der Torwart durfte bis 1903 den Ball auch außerhalb des Strafraumes mit der Hand spielen und im Abseits war ein Spieler im Moment des Zuspiels, wenn weniger als drei gegnerische Spieler der Torauslinie näher als er selbst waren.
In der Folgezeit wurde die Defensive immer mehr gestärkt. Die Spielsysteme 1-2-7 und 2-2-6 kamen. Erst das Spielsystem 2-3-5, die Schottische Furche (so genannt wegen des Dreiecks, das sich von oben betrachtet ergibt), führte zu einem wirklichen Spielsystem, das auf das Kollektiv setzte und nicht auf die Individualität der einzelnen Spieler. Es unterschied zwischen 2 spezialisierten Verteidigern, 3 Läufern oder Mittelfeldspielern, die für Verteidigung und Aufbau des Angriffs zuständig waren und 5 Stürmern. Es wurde durch Rückzug des Mittelläufers Ende der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts zum System 3-2-5, durch die Einbeziehung eines freien Verteidigers als Libero Mitte der 60er-Jahre zum 4-2-4 und damit zur Mutter aller heute üblichen Systeme.
Historisch weit verbreitet war auch das so genannte WM-System, in dem 5 defensiv orientierte Spieler in W-Form und 5 offensiv orientierte Spieler in M-Form aufgestellt sind, sodass sich aus heutiger Sicht ein 3-4-3-System ergibt.
Das 2-3-5-System ist auch heute noch in der Tradition der Spielernummerierung lebendig. Die beiden Verteidiger trugen die Rückennummern 2 und 3, die 3 Läufer die Nummern 4, 5 (Mittelläufer) und 6 und die 5 Stürmer die Nummern 7 (Rechtsaußen), 8 (Halbrechter), 9 (Mittelstürmer), 10 (Halblinker) und 11 (Linksaußen). Auch heute sind deswegen 2 und 3 häufig die Nummern der beiden Außenverteidiger, 4, 5 oder 6 die Nummern von Libero bzw. Innenverteidigern, 7 und 11 die Nummern der rechts und links außen spielenden Mittelfeldspieler, 9 die Nummer eines zentral ausgerichteten Stürmers und 8 und 10 die Nummern von Spielern, die als Spielmacher mit der Planung und dem Aufbau des Angriffs beschäftigt sind.
Berühmte Träger der Nummer 10 waren bzw. sind Zinédine Zidane, Ferenc Puskás, Fritz Walter, Pelé, Wolfgang Overath,Günter Netzer, Zico, Michel Platini, Diego Maradona, Gheorghe Hagi, Lothar Matthäus und Ronaldinho.
[Bearbeiten] Individuelle Taktik
[Bearbeiten] Individuelle Taktik der Angriffe
- Dribbling
- Torschuss
- Finten
- Grundliniendurchbruch
- Lösung von 1:1-Situationen mit Torschuss
[Bearbeiten] Individuelle Mittel der Abwehr
- Stellungsspiel
- Manndeckung
- Störungsspiel
[Bearbeiten] Kollektive Taktik der Mannschaftsgruppen
[Bearbeiten] Kollektive Taktik der Angriffe
Zusammenspiel
- Zuspiel (Pass)
- Freilaufen
- One Touch Football
- Positionswechsel
Standardaktionen im Angriff
- Doppelpass
- Grundlinienspiel
- Flügelspiel
- Spielverlagerung
- Powerplay
- Kick and Rush
- Abspiel gegen die Laufrichtung
[Bearbeiten] Kollektive Taktik der Abwehr
- Raumdeckung
- Organisation der Abwehr
- Abseitsfalle
- Pressing
- Forechecking
[Bearbeiten] Standardsituationen
[Bearbeiten] Taktikweisheiten
Bezüglich der Fußball-Taktik lassen sich einige allgemeine Regeln darstellen, die sich aus verschiedenen Spiel- und Taktiksystemen herauskristallisiert haben.
[Bearbeiten] Statistische Analyse
Der Sportwissenschaftler Roland Loy hat statistische Betrachtungen auf der Basis von 3000 Spielanalysen angestellt. Dabei stellte er unter anderem - gegen landläufige Vorurteile - fest:
- Angriffe über die Flügel versprechen nicht mehr Erfolg als Angriffe durch die Mitte.
- Nur in gut 40 Prozent der Spiele gewinnt diejenige Mannschaft, die mehr Zweikämpfe für sich entschieden hat.
- Nur ein Drittel der Partien wird von der Mannschaft gewonnen, die öfter in Ballbesitz war als die gegnerische Mannschaft.
- Die Erfolgsquote beim Strafstoß liegt bei 77%, unabhängig davon, ob der Gefoulte den Strafstoß schießt oder ein anderer Spieler.
- Beim Strafstoß ist es irrelevant, ob der Spieler in eine Ecke oder in die Mitte schießt. Erfolgversprechend ist es, den Ball in die obere Hälfte des Tores zu schießen.
- Nach Eckstößen, die auf den kurzen (nahen) Pfosten gespielt werden, fallen deutlich mehr Tore als nach Eckstößen auf den langen (weiten) Pfosten.
[Bearbeiten] Allgemeines
Als besonders gut funktionierend gelten Mannschaften, die über eine stabile Mittelachse verfügen. Diese besteht aus dem Torwart, zwei Innenverteidigern, zwei zentralen Mittelfeldspielern und einem Zielspieler im Sturm. Nachwuchsspieler werden dabei bevorzugt zunächst auf den Außenpositionen, etwa als Flügelspieler eingesetzt, wo sie von einem erfahrenen Spieler aus dem Zentrum angeleitet werden können und wo Fehler sich nicht im gleichen Maße wie im Zentrum unmittelbar torgefährlich auswirken .